Beinarbeit
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Isarael Galván | Foto (C) Kana Kondo; Bildquelle: staatsoper-stuttgart.de
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Bewertung:
Wieder eine erzwungene Umdisposition. Eigentlich sollte der Flamencotänzer Israel Galván in Stuttgart mit einem Ensemblestück gastieren, das er vor drei Jahren für das Landestheater Niederösterreich in St. Pölten erarbeitet hatte. Das ließ sich unter den gegebenen Umständen nicht importieren. Nun also statt La Fiesta die jüngste Produktion, das Duo Mellizo Doble (Der doppelte Zwilling), bei dem dem Solotänzer lediglich der Sänger Niño de Elche buchstäblich zur Seite steht.
Israel Galván, der für Stuttgarter, die nicht zu träge sind, 15 Minuten mit der S-Bahn zu den Ludwigsburger Schlossfestspielen zu fahren, allerdings kein Unbekannter ist, ist für den Flamenco, was Astor Piazzolla für den Tango war: ein Erneuerer einer populären Tradition. Charakteristische Elemente des Flamenco sind wahrnehmbar: das durchgedrückte Kreuz, der in den Nacken gelegte Kopf, der hochgestreckte Arm. Im Zentrum von Galváns Tanz steht jedoch die zur Virtuosität vorangetriebene perkussive Arbeit der Füße, die der Flamenco, auf eine ganz eigene Weise, mit dem Stepptanz und dem schottischen und irischen Reel teilt.
Auch de Elches Gesang zitiert typische Merkmale der Flamencomusik, die gepresste, kehlige Stimme, die aus der orientalischen Musik übernommene Melismatik. Aber er changiert zu einem avantgardistischen Silbengesang, der weit über die Flamenco-Tradition hinaus geht.
Israel Galván tritt zunächst im schwarzen Gehrock auf, den er alsbald ablegt, mit einem Beutel unterm Bauch. Das Bühnenbild ist auf zwei Stühle reduziert. Galván tanzt auf einer Handtrommel und auf Cajons, mit präparierten Schuhen und barfuß. Im zweiten Teil des kurzen Abends findet ein Dialog zwischen gesungenen Tönen und mit den Füßen erzeugten Geräuschen statt, zunächst im Dunkeln, dann mit Seitenlicht, der allmählich langsamer wird, bis er erstarrt und erstirbt. Die Stille ist magisch. Es dauert, bis jemand zu klatschen wagt.
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Thomas Rothschild – 1. November 2020 ID 12572
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de
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