Bernarda Alba
und ihre
Töchter
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Bernarda Albas Haus am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Thomas Aurin
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Bewertung:
Ein hervorragendes Stück (es muss ja nicht immer Tracy Letts und seine Familie sein), zudem eins der ganz wenigen, in dem ausschließlich Frauen auftreten, eine erstklassige Besetzung, eine subtile Regie: was braucht es eigentlich mehr? Zu den Inszenierungen, die Burkhard C. Kosminski aus Mannheim nach Stuttgart mitgebracht hat, gehört, in leicht veränderter Gestalt, Bernarda Albas Haus in der Regie von Calixto Bieito aus dem Jahr 2011.
Das 1936, kurz vor Federico García Lorcas Tod, entstandene Stück handelt mit archaischer Wucht und zugleich poetischer Zartheit, der sozialen Realität im katholischen Spanien verpflichtet und zugleich symbolistisch überhöht, von sexueller Repression, Machtausübung und Gewalt. Der spanische Regisseur hat es fast wie ein Tanztheater einstudiert, das immer wieder zu faszinierenden Bildern erstarrt. Die schwarz-weißen Kompositionen erinnern an Holzschnitte von Frans Masereel. Die großartige, inzwischen 82 Jahre junge Nicole Heesters steht als herrische Bernarda im Zentrum der Arrangements. Sie ist eine der „bösen Alten“ in der dramatischen Literatur, neben der Großmutter in Ödön von Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald oder der Hausbesitzerin Gilz in Elias Canettis Hochzeit. Sie ist das Gegenteil zum Klischee von der liebenden Mutter.
Anke Schubert spielt La Poncia, die ihr als Magd ergeben ist, sie aber zugleich durchschaut. Elke Twiesselmann hat zwei irritierende Auftritte als die halbirre Mutter Bernardas Maria Josefa, die von ihrer Tochter vor der Öffentlichkeit weggesperrt wurde. Bernardas Töchter – Josephine Köhler, Anne-Marie Lux, Jelena Kunz, Paula Skorupa und Nina Siewert – erinnern nur noch entfernt an Tschechows gerade 35 Jahre ältere drei Schwestern. Ihr Wunsch nach Freiheit und einem erfüllten Leben scheint noch hoffnungsloser als die Sehnsucht der Russinnen nach Moskau. Deshalb ist das Ende nicht bloß wehmütig, sondern tragisch. Die von Hans Magnus Enzensberger übersetzten Dialoge bedrücken umso mehr, als sie Frauen nicht nur als Opfer, sondern auch als Kollaborateurinnen der Unterdrückung ausweisen. Bernarda Albas Haus zeigt das Matriarchat in seiner abstoßendsten Form.
Es endet, wie es enden muss und von Anfang an visuell angedeutet wird: Adela, die jüngste Tochter, die als einzige gegen die Mutter und die Verhältnisse aufbegehrt und das Haus verlassen will, erhängt sich. Für Bernarda Alba gibt es nur eine Reaktion: Schweigen.
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Bernarda Albas Haus am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Thomas Aurin
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Thomas Rothschild - 24. März 2019 ID 11301
BERNARDA ALBAS HAUS (Schauspielhaus, 24.03.2019)
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühne: Alfon Flores
Kostüme: Mercè Paloma
Mitarbeit Kostüme: Uta Baatz
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Ingoh Brux
Mit: Nicole Heesters, Elke Twiesselmann, Josephine Köhler, Anne-Marie Lux, Jelena Kunz, Paula Skorupa, Nina Siewert, Anke Schubert und Kaatie Akstinat
Premiere am Schauspiel Stuttgart: 16. März 2019
Weitere Termine: 07., 12., 19.04. / 11., 20.05.2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
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