Leonce und Lena
Büchners Lustspiel inszeniert von Kathrin Mayr bei den Berliner Vaganten
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Bewertung:
Melancholie und Müßiggang als Zeichen einer desillusionierten Jugend? Das will in Zeichen von Fridays-for-Futur-Aktionen so recht nicht einleuchten, auch wenn es sich hier um ein Paar aus der Feder des Vormärz-Dichters Georg Büchner handelt. „Mein Leben gähnt mich an wie ein weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus“, sagt sein gelangweilter jugendlicher Dramen-Held Prinz Leonce und übt sich in Aufruhr durch Verweigerung.
Die No-Futur-Generation des revolutionären deutschen Vormärz erstickte in der Restauration des Biedermeier. Büchner schrieb dazu 1836 die passende Satire mit einem tumben Kleinstaaten-König Peter aus dem Reich Popo, der seinen Sohn mit der Prinzessin Lena aus dem Reich Pipi verheiraten will. Beide Königskinder, die so gar nicht zueinander kommen wollen, finden sich dann doch auf der Flucht eher zufällig und fügen sich dem Willen der Alten. Ein alter Tyrann geht, ein junger neuer nimmt seine Rolle mehr aus Versehen ein. Alles wiederholt sich. Der Selbstbetrug ist perfekt.
Auf der Bühne der Vaganten in Berlin-Charlottenburg entschlackt Regisseurin Kathrin Mayr Büchners Dreiakter mit nur vier SchauspielerInnen. Alexander Jaschik als Leonce hält seinen Müßiggang-Vortrag direkt ins Publikum. Zuspruch bekommt der Prinz von Diener Valerio, den Gregor Knop als bauernschlauen Stichwortgeber mimt. Auf sonst leerer Bühne (ebenfalls von Kathrin Mayr) dreht sich eine Wand, die auf einer Seite versteinert und auf der anderen verspiegelt ist. Auch eine Anspielung auf Leonces „Spiegelzimmer“, in dem er sich gefangen sieht. Der Liebe leid verlässt er seine Geliebte Rosetta und will sich mit Valerio den Freuden des Lebens hingeben. Einfach mal jemand anderes sein und frei von Zwang in einem Narrenhaus den Narren spielen.
Anne Hoffmann übernimmt die weiteren Rollen des Dramas wie die abgelegte Tänzerin Rosetta, den trotteligen König Peter im Bademantel oder die Gouvernante Lenas. Doch im Zentrum steht das junge Paar auf der Flucht. Marie-Thérèse Fontheims Lena will ebenso aus den Konventionen ausbrechen wie Hedonist Leonce. Beider Freiheitsdrang führt sie zuerst in die Liebe und dann als Marionettenpaar in die vorher so vehement abgelehnte Ehe. Politisch hintersinnig ist Büchners Lustspiel schon, nur will das hier so ganz nicht aufgehen, auch wenn man durchaus an eine gerade in Coronazeiten gegängelte Jugend denken könnte, die besonders ausgebremst nicht gerade als Gewinner der Pandemie dasteht. Es bleibt ein sommerleichtes Lustspiel um eine Jugend zwischen Aufbruch und Rückschritt.
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Alexander Jaschik und Marie-Thérèse Fontheim als Leonce und Lena in der Vaganten Bühne | Foto (C) Laurin Gutwin
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Stefan Bock - 3. Juli 2021 ID 13015
LEONCE UND LENA (Vaganten Bühne, 01.07.2021)
Regie & Bühne: Kathrin Mayr
Kostüme & Bühne: Johanna Bajohr
Musik: Clemens Mädge
Dramaturgie: Beate Kirchhof-Schlage
Besetzung:
Leonce ... Alexander Jaschik
Lena ... Marie-Thérèse Fontheim
Valerio ... Gregor Knop
Gouvernante / Rosetta / König Peter ... Anne Hoffmann
Premiere war am 1. Juli 2021.
Weiterer Termin: 03.07.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.vaganten.de/
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