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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Großer Bahnhof



Menschen auf und an den Gleisen: Simon Boccanegra an der Deutschen Oper Berlin

Noch so ein Polito-Schinken??

Zur Eröffnung der Saison ließ Intendantin Kirsten Harms Germania, eine hierzulande völlig unbekannte Oper von Franchetti, aus dem Bühnenboden brechen, und sie tat es ziemlich respektabel, auch mit Witz. Die Werkerweckung - wenn auch müßig - hatte immerhin die Chance und den Charme, halt als vergleichslose in das Geschichtsannal des Hauses an der Bismarckstraße einzugehen; Klappe zu und herzlichst: "Danke!"
Dachte man.
Völlig verkehrt, weil: Dieser Brocken (in Germania wird die Völkerschlacht bei Leipzig durchbehandelt) war und ist ihr scheinbar immer noch nicht ausreichend genug, es gierte sie geradezu nach noch mehr Politik für das ihr anvertraute - und, so fies es klingen mag, am "opferbarsten" - Haus; ja und so ließ sie einen aus der Kieler Zeit recht gut vertrauten Fachkollegen Verdis Simon Boccanegra machen. Lorenzo Fioroni heißt der Regisseur und stammt, wenn ich das durch die Meldungen richtig verstanden hatte, aus dem Stall Götz Friedrichs. Und das merkte man:



Will der schöne Heizer mit der Eisenschaufel wohl Maria (Tamar Iveri) ans Leben? Vorher konnte man ihn nämlich schon mit einer Puppe, die Maria ziemlich ähnlich sah, auf "seiner" Lok herumfuhrwerken sehen. Diesen rußbeschmutzten jungen geilen Schelm! - Foto (C) Bettina Stöß


Die Breitwandbühne wird jetzt wieder (in Germania schon) ganz unmäßig genutzt. Cordelia Matthes hat 'ne fulimante Bahnhofshalle draus gemacht. Bis ganz weit hinten strecken sich die Bauten und die Gänge. Auf 'nem breiten Gleis kommt eine Riesenlok mit angehangenem Salonwagen auf das Proszennium zugerollt. Nach einem Szenenwechsel sieht man dann die überladig-luxuriösen Ingredienzen dieses megaprotzigen Salonwagens; er dient sogleich als Innerei eines in diesem wirren Stück bedeutungsträchtigen Senats bzw. Parlaments von Genua. Das so grandiose Schiller-Stück vom Genueser Fiesco kam mir dauernd in den Sinn, als ich versuchte - sehr total-vergeblich übrigens - die Handlung dieses Verdi'schen Polito-Thrillers in plausibler Reihenfolge herzukriegen; völlig sinnlos.
Alles also optisch irgendwie bekannt, vertraut... so wie "aus guten alten Tagen".

Der Vergleich ging/ geht auch etwas weiter; musikalisch jedenfalls: Ende der Achtziger hat Harry Kupfer mal Simon Boccanegra an der Dresdner Staatsoper (da wurde noch im Staatsschauspiel gastiert) hervorgezaubert. Und dass Kupfer, wenn er auch dann heute ungerechter Weise irgendwie vergessen scheint, mit Chören sehr gut konnte und auch kann, hatte sich mir, als Kind, an diesem einen Beispiel körperlicher Weise eingeprägt: Das Faszinierende in seiner damaligen Inszenierung - Siegfried Kurz hatte sie dirigiert! - ging einzig und allein vom Chor und dem Orchester aus. An gar nichts Baulich-Szenisches kann ich mich demnach noch erinnern, nur an diese Suggestionskraft Chor, an diesen sagenhaften Fleischsog, der von diesem ausgegangen war.

Hier nun der Chor der Deutschen Oper Berlin: An der sängerischen Leistung dieses Bollwerks ist wohl nach wie vor kein Zweifel. Ulrich Paetzholdt weiß schon, was er mit und an ihm hat; die Stimmgewalt und Durchschlagskraft von diesem Kehleninstrument ist eine der beeindruckendsten Dauerleistungen, die dieses Haus - im Weltmaßstab auch - aufzubringen hat! Und dennoch: Durch die faserige Inszenierung (Menschen pixeln, in der Untiefe und unendlichen Weite dieses unverschämt sich ausnehmenden Bühnenraumes, ausnahmslos als visuelle Punkte) wird wie'n Hauptstatist an diesem Abend ausgebremst, um nicht zu sagen abgeschaltet. Und obwohl er doch die eigentliche Hauptrolle, quasi die Diva dieser Verdi-Oper ist.

Yves Abel (er sieht blenden aus!!) macht einen vielzu ausgleichenden Job. Sein Dirigat entbehrt des wirklich echten, vorführbaren Höhepunkts; nichts prägt sich im Orchesterklang als brennend ein. Auch die ihm anvertrauten Sänger - sie sind durch die Bank weg gut - vermögen seiner moderaten Werkauffassung wenig oder gar nichts weiter noch hinzuzufügen; Tamar Iveri (Maria) allenfalls... aber sie ist ja auch das einzige und stimmlich-menschlichste Erleuchten in dem Allen insgesamt.

Wir wollen jetzt mal ein paar Kammeropern sehen.


Andre Sokolowski - 27. November 2006
ID 2818
SIMON BOCCANEGRA (Deutsche Oper Berlin, 26.06.2006)
Musikalische Leitung: Yves Abel
Inszenierung: Lorenzo Fioroni
Bühne: Cordelia Matthes
Kostüme: Katharina Gault
Mit: Roberto Frontali (Simon Boccanegra), Roberto Scandiuzzi (Jacopo Fiesco), Ralf Lukas (Paolo Albiani), Ante Jerkunica (Pietro), Tamar Iveri (Maria), Franco Farina (Gabriele Adorno) u.a.
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
(Choreinstudierung: Ulrich Paetzholdt)
Premiere war am 26. November 2006.
Weitere Termine: 29.11./ 02., 08., 14.12.2006

Weitere Infos siehe auch: http://www.deutscheoperberlin.de





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