Schauspiel Köln, 21.09.08
Parsifal
De Troyes, Wagner u.a.
Uraufführung
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Ein Abend zu Parsifal, den Tom Kühnel und Jürgen Kuttner verantworten, ist die Eröffnungspremiere der neuen Spielzeit des Kölner Schauspiels. Die erste Viertelstunde ist arg überladen. Eine Frau singt, drei Männer im Schlafanzug philosophieren über gesellschaftliche Probleme und politische Konzepte. Dann legt sich Schauspieler Markus John auf eine Matratze, neben der ein Ständer mit einem Blutbeutel steht, und „Parsifal“ beginnt. Dazu immer wieder Musik, von Musikern live gespielt und vom Kolumba Chor gesungen.
Kühnel und Kuttners „Parsifal“ ist ein wildes Konglomerat von Momenten, die unglaublich öde sind, und Momenten, die sehr witzig sind. Auch musikalisch wird Rockiges mit Klassischem kombiniert. Daneben gibt es auf der Bühne eine überdimensionale aufblasbare Kathedrale, einen Gral im Schrein, aber auch eine Wohnküche.
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Stets schrammt das, was auf der Bühne passiert, knapp an der Peinlichkeit vorbei. Erfreulicherweise wird das Geschehen immer wieder gebrochen. Etwa die Szene, in der Markus John als Amfortas den Schmerz seiner Wunde aus sich herausschreit, dabei den Ständer, an dem der Blutbeutel hängt, wie einen Mikrofonständer um sich herumwirbelt. Dazu erklingt wilde Gitarrenmusik. Gerade wenn man glaubt, das nicht mehr ertragen zu können, tritt Jürgen Kuttner als Journalist auf und fragt, wie es für den Herrn Kammersänger (John) denn sei, die Rolle des Amfortas zu spielen. Es entspinnt sich ein Gespräch zwischen den beiden, in dem der Kammersänger vergeblich versucht, dem Journalisten klarzumachen, er könne zu Beginn der Oper noch nicht wissen, was mit seiner Figur passiert, auch wenn er diese schon einige Male gespielt habe. Später interviewt der von Kuttner gespielte Journalist nach einer großen Opernarie auch noch eine Operndiva, wobei Suse Wächter mit osteuropäischem Akzent nahe am Klischee, aber dennoch äußerst schlagfertig ist.
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Anderes ist grandios, beispielsweise wenn Kuttner mit einem Videoschnipsel den Unterschied deutlich machen will zwischen kalkulierter und tatsächlicher naiver Unschuld. Nett auch, dass die älteren Damen des Kolumba Chores die Bühne betreten, nachdem die drei Herren im Schlafanzug zuvor darüber philosophieren haben, die alten Menschen müssten wieder zurück in die Betriebe.
Die schwächsten Momente des Abends sind die, in denen „Parsifal“ gespielt wird. Dann bekommt das Ganze eine Schlagseite von Schwere und Bedeutung, die nicht so recht aufgehen mag. Es gelingt den Beteiligten oftmals nicht, eine Konzentration herzustellen, die hier notwendig wäre. Symptomatisch dafür ist die Szene, in der Markus John als Amfortas seine Wunde präsentiert. Das Blut spritzt und er zerdrückt einen Blutbeutel nach dem anderen an seiner Brust. Sicherlich ist das komisch, aber diese Lösung ist vielleicht ein bisschen einfach, um dem Weihevollen des Stoffes und vor allem der Wagner-Oper zu begegnen. Kurz darauf findet aber eine kongeniale und plausible Verbindung von Parsifal-Stoff und Gegenwart statt, wenn die drei Herren am Tisch sitzend chorisch beklagen, sie hätten die Welt ins Unglück gestürzt.
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Ein weiteres Manko der Aufführung ist, das an vielen Stellen zu leise und zu undeutlich gesprochen wird. Ganze Textpassagen von Markus John und Hilmi Sözer sind daher nicht ohne Weiteres zu verstehen. Das mag vielleicht programmatisch sein, ist aber für den Zuschauer/Zuhörer sehr anstrengend.
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Ernst und ruhig wird es am Ende. In zwei versetzten Stuhlreihen vor den Zuschauern aufgereiht mischen sich „Parsifal“, die Lebensgeschichte eines DDR-Bürgers und des Terroristen Hans-Joachim Klein, während Suse Wächter als Kundry mit dem Satz „Dienen muss ich, dienen“ durch die beiden Stuhlreihen geht und den Mitspielern die Füße wäscht. Zwischendurch erklingt Wagners „Erlösung dem Erlöser“ und da ist der Abend dann wieder sehr nah dran an dem Bühnenweihfestspiel „Parsifal“. Das will sich nicht so recht in den Rest fügen, war aber vielleicht die einzige Möglichkeit, den heterogenen Abend zu einem Ende zu bringen.
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Karoline Bendig - red / 22. September 2008 ID 4009
Idee und Konzept: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Regie: Tom Kühnel
Co-Regie: Jürgen Kuttner
Bühne: Jo Schramm
Kostüme: Ursula Leuenberger
Musik: Hans Jörn Brandenburg
Mit: Jennifer Frank (Parsifal), Markus John (Amfortas, Parsifal, Titurels Stimme, Hans-Joachim Klein), Jürgen Kuttner (Amfortas, Gralsritter, Journalist, Held der Arbeit, Kommentar), Hilmi Sözer (Gurnemaz, Klingsor, deutscher Offizier), Suse Wächter (Kundry, Herzeleide, Hase, Sigmund Freud)
Kolumba Chor: Magret Gerhards, Roswitha Höfel, Maria Meiendresch, Marianne Rompe, Maria Schorn, Helga Strasmann, Gisela Stuckstedde
Musiker: Max Andrzjewski, Kim Efert, Lisa Glatz, Ewald Gutenkunst
Premiere am Sonntag, 21. September 2008, 19:30 Uhr
Weitere Vorstellungen am 24., 27., 28.09., 16., 17. und 21.10. um 19:30 Uhr sowie am 26.10. um 16 Uhr
Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de/stueck.php?ID=139&tID=1025
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