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Repertoire

Zwei Mal

Barbara Frey



Das Weite Land von Arthur Schnitzler - am Burgtheater Wien | Foto (C) Andreas Pohlmann


Barbara Frey zeichnet sich aus durch intelligente Demut vor den großen Werken der dramatischen Literatur. Sie zertrümmert sie nicht, überschreibt sie nicht zugunsten einer fragwürdigen Aktualität, sondern nimmt sie beim Wort. Alles, namentlich ihre Koproduktionen der RUHRTRIENNALE, deren Leiterin sie noch ist, mit dem Burgtheater, nährte den Verdacht, dass sie Nachfolgerin von Martin Kušej in der Direktion der ehrwürdigen Institution werden würde. Doch dann gab sie bekannt, dass sie nicht auf den Job reflektiere.

Ihre Inszenierung von Arthur Schnitzlers Das Weite Land behauptet sich derweil auf dem Spielplan des Akademietheaters, des zweiten Hauses der Burg. Eben erst wurden Katharina Lorenz und Michael Maertens für ihren Anteil an dieser Inszenierung für Österreichs renommiertesten Theaterpreis, den Nestroy, nominiert.

In regelmäßigen Abständen werden die Salzburger Jedermänner aufgelistet. Stattdessen sollte man einmal die Schauspieler nennen, die den Friedrich Hofreiter gespielt haben: Attila Hörbiger, O.W. Fischer, Helmut Lohner, Michel Piccoli, Karlheinz Hackl, Peter Simonischek, Tobias Moretti. Nun also Michael Maertens.

Mauer, der vertrauenswürdige Repräsentant der Vernunft, sagt über Hofreiter:


„Auf die Dauer kann man ihm ja nicht böse sein, dem Friedrich! Mir geht's ja geradeso mit ihm. Ich mag mich über ihn noch so rasend geärgert haben, – sobald er seine Charmeurkünste spielen läßt, bin ich ihm doch wieder ausgeliefert auf Gnade und Ungnade.“


Den Charmeur muss jeder Hofreiter-Darsteller bei allen Tücken seines Charakters mitspielen, wenn plausibel erscheinen soll, warum Genia und auch Erna ihn lieben. Maertens, von seinen bekannten Manierismen befreit, zeigt davon nicht mehr als unbedingt nötig. Wenn er Charmeur ist, dann nicht einer von der schmierigen Sorte. Dagegen forciert er den Mann, der ein junges Mädchen liebt und weiß, dass ihm nicht die Zeit bleibt zu warten.

Subtil der flüchtige Seitenblick auf Otto beim Verlassen der Bühne lange vor der Duell-Katastrophe. Die entscheidende Reflexion über die Vermeidbarkeit von Korsakows Tod spricht Hofreiter von Genia abgewandt. Sie verschwindet, ehe er geendet hat.

Barbara Frey setzt auf Statik. Sie beschränkt sich auf ein Minimum an Gängen und Gestik. Genia sitzt, ohne ihre Stellung zu verändern, 30 Minuten lang im Fauteuil. Frey nimmt Hofreiter beim Wort:


„Ich weiß wahrhaftig nicht, warum du dastehst wie eine Bildsäule, statt mir vernünftig zu antworten...“


Die Figuren erscheinen, unterstrichen von der suggestiven Musik von Josh Sneesny, ehe der Dialog einsetzt, wie Gepenster hinter dem transparenten Vorhang, der sich erst vor der letzten Szene hebt.

Auch die Sprechweise ist größtenteils zurückgenommen. Die Schnitzlersche Ironie kommt kühl daher, nüchtern, ohne „ironischen Ton“.

Nichts deutet auf 1910, aber auch die Gegenwart wird nicht aufdringlich beschworen.

Der dritte Akt im Hotel am Völser Weiher, in dem der Titel des Stücks genannt wird, wurde fast vollständig gestrichen. Welche Funktion die Doppelrolle von Bibiana Beglau als Anna Meinhold-Aigner und deren Mann erfüllen soll, hat sich mir nicht erschlossen.

Bewertung:    



Den Sommernachtstraum hat Barbara Frey unmissverständlich ins 21. Jahrhundert geholt. Der Wald besteht im Bühnenbild von Martin Zehetgruber aus vier Bäumchen, dazwischen Autowracks. Auch jenseits von Hofreiters Glühbirnenfabrik gibt es, in der Sommernacht wie in den in ihr geträumten Träumen, wenig Licht und viel Schatten. Am Ende führen die Handwerker ihr Stück von Pyramus und Thisbe in einem Wohnzmmer vor dem bürgerlichen Paar Theseus und Hippolyta auf. Das amüsiert sich nur oberflächlich. Im Gegensatz zu Theaterpublikum. Gegen die Komik des Laienspiels kommt keine Inszenierung an.

Sieben von den zehn Darstellern spielen zwei oder sogar drei Rollen, und zwar – erraten – unabhängig vom Geschlecht. Gerne würde man ja glauben, dass das eben zu Shakespeares Universum gehört, wenn es nicht mittlerweile in jeder zweiten Inszenierung von Euripides bis Strindberg praktiziert würde.

Das Programmheft enthält wieder einmal viele gescheite Gedanken über Klimakrise, Patriarchat, Kolonialismus und Triggerwarnung. Auf der Bühne merkt man nichts davon. Ein neuer Zugriff auf den Sommernachtstraum ist Barbara Frey nicht gelungen.

Bewertung:    



Ein Sommernachtstraum am Burgtheater Wien | Foto (C) Matthias Horn

Thomas Rothschild - 15. Oktober 2023
ID 14433
DAS WEITE LAND (Akademietheater, 13.10.2023)
von Arthur Schnitzler

Regie: Barbara Frey
Bühne: Martin Zehetgruber
Mitarbeit Bühne: Stephanie Wagner
Kostüme: Esther Geremus
Musik: Josh Sneesby
Licht: Rainer Küng
Dramaturgie: Andreas Karlaganis
Mit: Michael Maertens, Katharina Lorenz, Bibiana Beglau, Tilman Tuppy, Dorothee Hartinger, Nina Siewert, Branko Samarovski, Sabine Haupt und Itay Tiran
Premiere am Burgtheater Wien: 2. September 2022
Weitere Termine: 17.10./ 04., 23.11.2023

EIN SOMMERNACHTSTRAUM (Burgtheater Wien, 14.10.2023)
Regie: Barbara Frey
Bühne: Martin Zehetgruber
Mitarbeit Bühne: Stephanie Wagner
Kostüme: Esther Geremus
Musik: Barbara Frey und Josh Sneesby
Licht: Rainer König
Dramaturgie: Andreas Karlaganis
Mit: Markus Scheumann, Sylvie Rohrer, Gunther Eckes, Marie-Luise Stockinger, Langston Uibel, Lili Winderlich, Meike Droste, Oliver Nägele, Sabine Haupt, Dorothee Hartinger und Josh Sneebly (Live-Musik)
Premiere war am 3. September 2023.
Weitere Termine: 19.10./ 01., 22., 26.11.2023


Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at/


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