Vom Sterben
des reichen
Mannes
|
Bernhard Schirn als Der König stirbt in den Kammerspielen in der Josefstadt | Foto (C) Philine Hofmann
|
Bewertung:
Kaum vorstellbar, welch eine Provokation Ionescos Stücke einst bedeutet haben. Jetzt, 60 Jahre nach seiner Entstehung, hat Claus Peymann an den Wiener Kammerspielen, dem Nebenhaus des Theaters in der Josefstadt, das die Kategorsierung als reine Boulevardbühne hinter sich gelassen hat, Der König stirbt als groteskes Märchenspiel, ein Leonce und Lena des 20. Jahrhunderts, inszeniert, und das Publikum ist entzückt. Seinen Beitrag hat auch der jahrelange künstlerische Partner Peymanns, Achim Freyer, mit dem unaufwendigen Bühnenbild geleistet.
Der König stirbt ist ein Stück über einen Herrscher, der seine Macht überschätzt, der meint, alles durch Befehle manipulieren zu können, und nicht erkennen will, dass es mit ihm zu ende geht. Es teilt Motive mit Jedermann und mit King Lear, die sich Ionesco und Peymann übertreibend anverwandeln. Am Schluss stürzt alles, wie zu erwarten und durch Risse in der Wand angekündigt, zusammen.
Den König, der zunächst marionettenhaft komisch und mit der Attitüde eines trotzigen Kinded, dann zunehmend tragisch stirbt, spielt Bernhard Schir. Lore Stefanek ist die alte Königin Margarete, die dem König wenig einfühlsam zuredet, seinen bevorstehenden Tod zu akzeptieren, Maria Köstlinger die jüngere Königin Maria, die wahrhaftig um ihren Mann zu trauern scheint. Den verschrobenen Arzt, der aus seiner Befriedigung über das Sterben seines Auftragsgebers kein Geheimnis macht, mimt Johannes Krisch, die Haushälterin Johanna Mahaffy und den am Bühnenrand aufgepflanzten Wächter in Ritterrüstung Markus Bluhm.
Peymann überlädt das Stück nicht mit Bedeutung. Er inszeniert es auf der engen Bühne als durchaus doppelbödigen Theaterspaß, als wollte er, der leidenschaftliche Regisseur, zu seinen Anfängen im Studententheater zurück kehren und zugleich triumphieren: Ich bin noch da. Die Josefstadt hat einen Coup gelandet, als sie den ehemaligen Burgtheaterdirektor, nicht zum ersten Mal, eingeladen hat. Und es ist mehr als eine menschliche Geste. Das ausverkaufte Haus liefert den Beweis.
|
Der König stirbt in den Kammerspielen in der Josefstadt | Foto (C) Philine Hofmann
|
Thomas Rothschild - 19. Oktober 2021 ID 13222
DER KÖNIG STIRBT (Kammerspiele in der Josefstadt, 16.10.2021)
Regie: Claus Peymann
Bühnenbild und Lichtkonzept: Achim Freyer
Bühnenbildmitarbeit: Moritz Nitsche
Kostüme: Margit Koppendorfer
Dramaturgie: Jutta Ferbers
Musik: Franz Wittenbrink
Licht: Ulrich Eh
Produktionsleitung: Miriam Lüttgemann
Besetzung:
Der König ... Bernhard Schir
Margarete, erste Gemahlin des Königs ... Lore Stefanek
Maria, zweite Gemahlin des Königs ... Maria Köstlinger
Der Arzt, Chirurg, Scharfrichter, Bakterienforscher und Sterndeuter ... Johannes Krisch
Julchen, Haushälterin und Krankenschwester ... Johanna Mahaffy
Der Wächter ... Marcus Bluhm
Premiere war am 25. September 2021.
Weitere Termine: 28., 29.10. / 11., 20., 21., 29.11. / 04., 05., 15., 27.12.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.josefstadt.org/
Post an Dr. Thomas Rothschild
Freie Szene
Neue Stücke
Premierenkritiken
ROTHSCHILDS KOLUMNEN
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|