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Krimi

„Nur Banausen

spülen Austern

herunter“



Bewertung:    



Detektivische Gourmetarbeit an realen Handlungsorten lässt die Bretagne gar noch reizvoller erscheinen - doch auf Spannung hofft man leider vergeblich beim vierten Bretagne-Krimi um Kommissar Georges Dupin. Langatmige Detailausschmückungen und eine Aneinanderreihung skurriler Begebenheiten und Charaktere ziehen Bretonischer Stolz allzu anekdotenreich in die Länge. Der Roman bleibt dabei erstaunlich zäh und suspensearm. Neben einigen alten Bekannten tauchen zahllose neue Figuren auf.

Dupin erhält aus dem Finistère einen Anruf. Die alternde Filmdiva Sophie Bandol meint bei einem ihrer Spaziergänge eine Leiche gesehen zu haben. Als die Polizei eintrifft, ist diese jedoch verschwunden. Dupin verehrt Bandol und ihre Filme. Er schenkt ihr beim gemeinsamen Genuss von kühlem Weißwein und erlesenen Meeresfrüchten sein volles Vertrauen. Bald finden Wanderer etwa hundert Kilometer entfernt tatsächlich eine Leiche. Der Plot wartet – ineinander verschachtelt - nicht nur mit vermeintlichen Filmstars, sondern auch mit allerlei anderem Skurrilem auf: organisiertem Sandraub, keltischen Ritualen, druidischen Festen und gar einem planktonfressenden Riesenhai namens „Kiki“. Doch schnell rückt insbesondere die Austernzucht in das Ermittlungsinteresse. Die Leiche wurde am Fluss Belon gefunden, wo weltberühmte Austern gezüchtet werden. Prompt wird Dupin von seiner Sekretärin Nolwenn geraten, eine medizinische Austernkur zu machen.

Seit 2012 führen Veröffentlichungen der Krimireihe von Jean-Luc Bannalec regelmäßig die Spiegel-Bestsellerliste an. Auch wir besprachen eifrig einige Vorgängerwerke [Bretonische Brandung; Bretonisches Gold]. Nun scheint der Autor, der sich hinter dem sprechenden Pseudonym Bannalec verbirgt, leider zunehmend selbst dem Hype um seine Figur erlegen, zu selbstreferentiell sind viele Erzählpassagen. An einer Stelle heißt es über Dupins Ermittlungsmethode: „Später würde er sein Notizbuch durchgehen. Ein wichtiges Ritual. Wie oft hatte die Lösung eines Falles, der entscheidende Hinweis, schon stunden- oder tagelang in seinem Notizheft gestanden.“ (S. 241/242). Betulich-pathetisch bestimmt oft eine „poetische Färbung“ (S. 147) den Erzählton von Figuren, oder Ausrufe kommen gar aus dem „tiefsten Innern“ (S. 207). In Erinnerung an die drei Vorgängerromane der Krimireihe fragt der ermittelnde Riwal seinen Vorgesetzten Dupin gar auf Seite 160:


„'Haben wir einen Austernfall, Monsieur le Commissaire – was denken Sie?' Dupin runzelte die Stirn. Riwal, Nolwenn, Kadeg, das ganze Kommissariat und nicht zuletzt die bretonische Presse hatten irgendwann begonnen, von den Fällen der letzten Jahre auf diese Weise zu sprechen. Der 'Kunstfall', der 'Inselfall', der 'Salzfall'.“


Genüsslich betrachtet Dupin die kombinatorischen Fähigkeiten von Riwal aus seinem Ermittlungsteam als beinahe schon übernatürlich:


"Riwals Macke, dunkle, vage Zusammenhänge zu suggerieren, meist in heiklen Situationen, sie aber nicht offen anzusprechen oder Schlüsse daraus zu ziehen, konnte Dupin wahnsinnig machen. Das Dumme war nur: Pauschal verwerfen durfte man sie nie. Manchmal nämlich lag Riwal doch richtig in seinen nahezu 'seherischen' Momenten, von denen man blöderweise nie wusste, wann sie eintraten." (S. 194)


Fast alle Charaktere begegnen sich mit großer Wertschätzung und einige tragen zur Aufdeckung des Verbrechens bei. Bannalec kokettiert hier jedoch allzu sehr mit süffisanten Referenzen auf andere Kriminalbuchautoren, nicht nur auf Dan Brown. Die neu eingeführte Figur der Armandine Bandol lässt in ihren Beratungen mit Dupin gar ihre ehrfürchtige Verehrung für das ermittlerische Gespür von Agatha Christies Detektivfigur des Hercule Poirot durchscheinen:


"Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verbrechen aufgeklärt wird, nimmt mit jeder Stunde und jedem Tag ab, die seit der Tat vergangen sind. Ist es nicht so? Hercule Poirot sagt das! […] 'Poirot, der ist ein großer Ermittler. Von dem könnten Sie lernen!' Dupin musste lächeln. Er war nicht beleidigt. Er selbst verehrte Poirot zutiefst." (S. 224)

"'Und', sie wurde geheimnisvoll, 'vergessen Sie nie die Randfiguren! Lesen Sie bei Poirot nach! Nicht die völligen Randfiguren, aber die dazwischen – zwischen Zentrum und äußerem Rand der Geschichte. Die!'" (S. 305)



Insgesamt erscheint Bretonischer Stolz so als ein Sammelsurium an skurrilen Ideen, banalen Referenzen und kunstvoll ausgeschmückten Detailbeobachtungen, ohne jedoch eine eigene erzählerische Sogkraft zu entwickeln. Im Großen und Ganzen also gepflegte Langeweile.
Ansgar Skoda - 6. November 2015
ID 8965
Jean-Luc Bannalec | Bretonischer Stolz
377 S., Klappenbroschur
EUR 14,99
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2015
ISBN 978-3-462-04813-1


Weitere Infos siehe auch: http://www.kiwi-verlag.de/buch/bretonischer-stolz/978-3-462-04813-1/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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