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„Jedenfalls können wir nicht einfach nur rumsitzen und abwarten, ob noch etwas passiert – und der Täter endlich einen Fehler macht.“ Kommissarin Huppert sprach Dupin aus dem Herzen. Es war grotesk: Da draußen lief ein brutaler Mörder herum, und hier drinnen saßen drei kompetente, erfahrene Kommissare, die drauf und dran waren, die Hoffnung aufzugeben.“ (Jean-Luc Bannalec, Bretonische Spezialitäten, S. 236)
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Georges Dupin wird während eines Polizei-Seminars von Vorgesetzten dazu angehalten, mit zwei anderen teilnehmenden Kriminalkommissaren (Huppert und Nedellec) in einem aktuellen Mordfall gemeinsam zu ermitteln. Im Zentrum des Geschehens stehen zwei rivalisierende Schwestern und Starköchinnen. Die Verwicklungen führen wieder in die bretonische High Society, das Ganze spielt – wie oft auch in den Vorgängerbänden; zuletzt Bretonisches Vermächtnis (2019) und Bretonische Geheimnisse (2018) – im Milieu der Reichen und Schönen.
Es gehört zu den Stärken des Romans, dass er die Zweifel Dupins wiederholt in den Vordergrund rückt:
„Der ganze Verlauf der Untersuchung machte ihn immer unglücklicher. Natürlich kam es jedes Mal im Laufe einer Ermittlung zu verzagten Momenten, dieses Mal aber erschien Dupin der Ermittlungsstand so aussichtslos wie noch nie zuvor. Die polizeilichen Statistiken wiesen es eindeutig aus: Mit jeder Stunde, die nach einem Verbrechen verging, ohne dass die Polizei ihm auf die Spur kam, sanken die Chancen drastisch, dass es überhaupt je aufgeklärt wurde. Dupin spürte eine Resignation, aber auch ein Aufbegehren dagegen, eine heftige, verzweifelte Unrast.“ (S. 228)
Die kaltblütige Skrupellosigkeit der Morde und die Perfidie und Berechnung der Täter kontrastiert wieder mit idyllischen Landschaftseindrücken an den Untersuchungsorten. Großzügige, aber oberflächlich bleibende Beschreibungen lassen auch aufgrund des Detailreichtums an die angedachte Verfilmung in der gleichnamigen ARD-Fernsehserie mit Pasquale Aleardi in der Hauptrolle denken:
„Es war wie in einem Film. Die ganze Szene. Die Terrasse – bestimmt fünfzig Quadratmeter – offenbarte sich als eigenes kleines Reich, gesäumt von einer geschwungenen Brüstung in einem tadellosen Weiß. Eine atemberaubende Sicht, rechts das kleine Binnenmeer, sonst, wohin man blickte, der endlose Atlantik. Das sagenhafte Smaragdgrün, das in einem irren Kontrast zum Weiß und Wasserfarbenblau des Himmels stand. Hinzu kamen das noble Grün vereinzelter Meereskiefern sowie die Grautöne der Felsen und Klippen.“ (S. 199f.)
Wenn es nicht gerade um den Mordfall geht, mutet der Roman an wie die Broschüre eines bretonischen Fremdenverkehrsamtes. Bretonische Spezialitäten, der jüngste Bretagne-Krimi um Kommissar Georges Dupin, rangierte wieder wochenlang auf den obersten Positionen der Spiegel-Bestsellerliste und wurde auch wieder in viele andere Sprachen übersetzt. Der neunte Band der Reihe geht jedoch einher mit einem Novum. Dr. Jörg Bong tritt als Autor und Träger des sprechenden Pseudonyms Jean-Luc Bannalec mit Foto im Einband in Erscheinung. Bong arbeitet seit Oktober 2019 nicht mehr für den Fischer Verlag, den er seit 2014 geschäftsführend leitete und für den er über 22 Jahre tätig war. Er widmet sich nun ganz seiner Tätigkeit als Autor, gibt Interviews, geht auf Lesereise. Der Autor spricht im Fernsehen über die Orte seiner Krimireihe und stellt eigene Fotografien der Bretagne in Ausstellungen aus. Es erschienen von ihm bei Kiepenheuer und Witsch auch ein bretonisches Kochbuch, ein Fotoband über die Bretagne und ein Band zu Sagen der Bretagne. Bong erhielt für seine Verdienste um die Region zahlreiche Auszeichnungen, Ehrenmitgliedschaften und Urkunden.
Doch wie korrumpierbar ist Jörg Bong? Die Bezüge zu real existierenden Restaurants in Bretonische Spezialitäten sind offensichtlich. Das erwähnte "Bistrot de Solidor" (S. 280) gibt es in Saint Servan. Viele beschriebene Produkte sind in der Bretagne erwerbbar, wie der vielfach erwähnten J.M-Rum „und selbstverständlich Butter von Yves Bordier, eine Demi-Sel und eine mit Zwiebeln aus Roscoff.“ (S. 342) Auch das Le Saint Placide in Saint-Malo und seinen im Krimi erwähnten Chef Luc Mobihan gibt es wirklich. Über das dort präsentierte Neun-Gänge-Menü „Voyages et Aventures“ schreibt Bannalec:
„Eine großartige Devise und ein himmlisches Versprechen. Dupin spürte, wie eine gewisse Aufregung in ihm aufkam. Er hatte Hunger, ja, aber es war noch mehr: pure lukullische Lust.“ (S. 338)
Es erscheint gewiss, dass dieses Schwelgen in Superlativen auch dem Restaurant zu mehr Prestige und Kundschaft verhelfen dürfte. Viele Leser, für die ein derartiger Genuss niemals erschwinglich sein wird, dürfen wenigstens geistig-literarisch anteilnehmen. Es ist schon verwunderlich, dass der Genießer Dupin noch nicht auf den köstlichen Geschmack eines gewissen lieblichen Jurançon-Dessertweins kam. Monsieur Dupin, es gibt da ein mit traumhaftem Blick auf die Pyrenäen gelegenes Weingut, dessen exquisite Weinauswahl ich nur wärmstens empfehlen kann!
Ansgar Skoda - 6. Oktober 2020 ID 12514
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Bretonischen Spezialitäten
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