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Ausstellung

Neue Perspektiven

auf die Sammlung



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Als die Sitzgruppe 1982 dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens als Staatsgeschenk überreicht wurde, durften die Besucher sogar darauf sitzen. Die Schnitzereien aus Teak-Holz zeugen von der Kunstfertigkeit der Togolesen, mit der Gnassingbé Eyadéma, das damalige Staatsoberhaupt von Togo, den obersten Repräsentanten Deutschlands beeindrucken wollte. Derzeit stehen sie im weitläufigen Eingangsbereich des RJM links vom indonesischen Reisspeicher, dem Wahrzeichen des Museums. Sie ist das erste Exponat der gerade eröffneten künstlerischen Intervention geschenkt! die Gabe der Diplomatie. (Im Gegenzug schenkte Carstens seinem Besucher übrigens eine Grundig HiFi-Compact-Anlage mit Kassettendeck, Boxen und Plattenspieler, was bei vielen älteren Deutschen noch Erinnerungen auslösen dürfte).

Schon ein paar Monate zuvor hatte Carstens vom machtbewussten Präsidenten Malawis, Hastings Kamuzu Banda, ein echtes Löwenfell überreicht bekommen, aber das dürfte man sich heute nicht mehr vor die Sitzmöbel legen ohne auf Kritik zu stoßen. Und doch ist es ein sehr sinnhaftes Beispiel von unserem Blick auf außereuropäische Kulturen und deren Selbstbild. Gerade die Staatschefs aus den ärmeren Ländern wollten das reiche Deutschland wohlwollend stimmen, um auf die Verteilung der Entwicklungshilfegelder positiv einzuwirken.



Sitzgruppe, Togo ca. 1982, Teakholz | Foto: Helga Fitzner


Als Nanette Snoep Anfang dieses Jahres ihre Position als Direktorin des RJM einnahm, versprach sie die wunderbare Dauerausstellung künftig noch mehr in den Blick zu rücken, und das geschieht auch dieses Mal in Form einer Intervention. Insgesamt sind es 23 Staatsgeschenke von Gästen aus außereuropäischen Ländern von Ende der 1970er bis Anfang 1980er Jahre, die den damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel und Karl Carstens überreicht wurden, aber noch nie den Weg in eine Ausstellung fanden. Nicht alle würden künstlerischen Kriterien standhalten, wie der ums Leben gebrachte Löwe. Die Kuratorinnen Katrin Schaumburg und Clara Himmelheber haben die Geschenke über die drei Stockwerke der Dauerausstellung verteilt und mit rosarotem Geschenkband gekennzeichnet. Während man auf der Suche danach ist, bekommt man unweigerlich einen Eindruck von der imposanten Sammlung des RJM und der ausgefeilten und fantasievollen Gestaltung der Räumlichkeiten. Das ist auch sehr familienfreundlich, weil insbesondere Kindern die Suchaktion ziemlichen Spaß machen dürfte.

Zu den Exponaten gehört eine hölzerne Schlitztrommel von der Cookinsel Rarotonga, auf der "Dr. Scheel" eingraviert ist. Als personalisiertes Geschenk hätte er die vermutlich behalten dürfen, während Staatsgeschenke ansonsten den entsprechenden Museen übergeben werden, zu denen das RJM gehört. Nicht alle Gaben erwiesen sich als geeignet. Carstens bekam einmal vom nigrischen Präsidenten Seyni Kountché ein lebendiges Kamel geschenkt, das er aber einer sozialen Einrichtung vor Ort überließ, obwohl ihm ein praktisch orientierter Afrikaner doch extra ein Rezept für Kamelfleisch übergeben hatte. So zeugen die Exponate auch von den kulturellen Unterschieden.

Diplomatie ist auch immer mit Absichten verbunden, und um dem europäischen Beschenkten zu gefallen, verschenkten sowohl das nigrische wie auch das malische Staatsoberhaupt Schatullen, die von Tuareg gefertigt worden waren. In Mali und Niger waren die Nomaden nicht sehr angesehen, aber in der westlichen Hemisphäre sehr beliebt. Die Kuratorinnen haben auch im Bundesarchiv Koblenz nach Schriftgut und Fotos von den Besuchen geforscht und etliche Informationen und Bilder gefunden. Die Fotos sind sehr unterschiedlich. Manche der Besucher sind westlich gekleidet, andere bewusst in traditionellem Gewand. Manchmal trägt der Staatschef Anzug oder Uniform, seine Frau aber landesübliche Kleidung.

Manche Geschenke passen richtig gut in die Dauerausstellung. So haben die Javanesen und Balinesen 1984 die Miniatur eines Gamelan-Orchesters aus Holz, Metall, Glas und Kunststoff mitgebracht. Die steht jetzt natürlich in dem Ausstellungsraum, das ein solches Orchester mit Originalen beherbergt.



Die Miniatur des Gamelan-Orchesters vor dem echten in der Dauerausstellung | Foto: Helga Fitzner


Viele der Mitbringsel würden auf dem Kunstmarkt keine hohen Preise erzielen, doch sind sie immer noch Ausdruck der Kultur, aus der sie stammen. Eine Miniatur des berühmten Aztekenkalenders aus Mexiko, ein Ife-Kopf aus Nigeria und eine Antilopenmaske aus Mali (auf dem Foto leider schlecht zu erkennen) sind zwar Nachbildungen, aber trotzdem beeindruckend. Die Kuratorinnen haben sie zu einem der wertvollsten Exponate des RJM gestellt der Holzskulptur Tino aitu, der Figur einer Gottheit aus Nukuoru (Föderalisierte Staaten von Mikronesien, 19. Jh., Ankauf C. Jeschke, 1920, RJM, 34029).



Eine Miniatur des Aztekenkalenders aus Mexiko, ein Ife-Kopf aus Nigeria und eine Antilopenmaske aus Mali stehen als Replik vor einer echten Tio-aitu-Skulptur aus Mikronesien | Foto: Helga Fitzner


Schenken und Beschenkt-Werden ist auch immer eine Gratwanderung. Die auswärtigen Ämter tauschen sich in der Regel mit der jeweiligen Botschaft aus, um die Vorlieben des zu Beschenkenden zu erfahren. Man kann davon ausgehen, dass sich die Beteiligten viele Gedanken gemacht haben. Die Bundespräsidenten Walter Scheel und Karl Carstens überreichten an die Staatschefs außereuropäischer Länder oft technische Geräte, und waren damit meistens wohl auf der sicheren Seite. Vielleicht enthielt die von Präsident Omar Bong Ondimba an Walter Scheel überreichte Gabe auch eine bewusste politische Botschaft: Eine Landkarte aus Holz und Metall zeigt die mit dem Lineal gezogenen Landesgrenzen in Afrika, die weder auf geografische, ethnische noch sonstige Besonderheiten des Kontinents Rücksicht nahmen.

Am Ende des Rundgangs kann man sich wie ein Staatsoberhaupt in ein Goldenes Buch eintragen und ein Selfie vor einem riesigen Foto der Villa Hammerschmidt machen, die für Staatsbesuche genutzt wurde, als der Regierungssitz noch in Bonn war.


Helga Fitzner - 9. Juni 2019
ID 11484
Das Rautenstrauch-Joest-Museum beweist immer wieder seinen Esprit und seine Vielfältigkeit, sei es mit dem Riesenerfolg Fast Fashion, Aboriginal Art oder der Ausstellung über Pilgern. Nun wird mal wieder der Blick auf das gerichtet, was das RJM ausmacht, die Dauerausstellung, die sich ihren Zauber über all die Jahre bewahrt hat.

Weitere Infos siehe auch: https://www.museenkoeln.de/rautenstrauch-joest-museum/


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