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Die beiden Räume könnten gegensätzlicher nicht sein: Im Raum SLOW FASHION steht ein Spinnrad, und es werden diverse Webtechniken vorgestellt, wie das Flechten und Weben von Alpakawolle in Chile nach der alten indigenen Tradition, die tier- und umweltschonend vonstatten geht und wo im Rahmen des Labels Alpaka Samka die Arbeiterinnen in ihren Dörfern, bei ihren Lamas und unter menschenwürdigen Bedingungen ihre Kunst ausüben können.

Im Japan der Edo-Zeit (1600-1868) galt allgemein das Prinzip „Mottainai“, „nichts verschwenden“. Das galt fürs Essen und alles andere. Defektes wurde repariert und gebrauchte Kleidung durch „Boro“ verschönert und aufgewertet, eine kreative Form dessen, was wir heute „Upcycling“ nennen. Das gilt auch für die „Kantha“-Stickerei und Batik aus Indonesien. Die Herstellung der Stoffe ist zeitaufwändig; und einige Rohstoffe, wie z.B. Seide, sind sehr kostbar. Entsprechend wertschätzend geht man mit der Kleidung um. Die Beispiele sind vielfältig, und es lohnt sich die teilweise faszinierenden Videodokumentationen anzuschauen. Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) hat einige wunderbare historische Textilien aus seiner Sammlung bereit gestellt, aber es gesellt sich auch moderne Kleidung dazu, die unter nachhaltigen, fairen und teilweise traditionellen Produktionsbedingungen hergestellt wurde.

Im FAST FASHION-Raum ist die gleichnamige Wanderausstellung - Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode - des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg untergebracht mit einer Mischung aus Glamour und Jammer. Sie ist bunt und glitzernd diese Fast Fashion, die schnell und preiswert in Billiglohnländern wie China und Bangladesch produziert wird. Die Arbeiterinnen müssen dort mitunter täglich 14 Stunden an sieben Tagen in der Woche in künstlichem Licht und ohne Pause arbeiten, und das für umgerechnet 20 bis 30 Euro im Monat; sie sind auch den Giften der Färbemittel und den Gefahren der mangelnden Gebäudesicherheit ausgesetzt. Als 2013 im Rana Plaza in Sabhar, Bangladesch, ein Gebäude einstürzte und über eintausend überwiegend weibliche Textilarbeiterinnen tötete und mehrere Tausend verletzte, ging ein Aufschrei durch die Welt, der mittlerweile wieder verhallt ist.



Wohnverhältnisse von TextilarbeiterInnen | © Taslima Akther 2009


Doch es sind wir, die diese Textilien auf der Haut tragen mit all ihrer giftigen Chemie und dem Elend, das an ihnen klebt. Und das hat sich verschärft. Zwischen 2000 und 2014 haben sich lt. Greenpeace die Textilproduktion verdoppelt und die Kollektionsrhythmen versechsfacht. Das sind satte 3 Billionen Dollar Umsatz im Jahr. Greenpeace erstellte eine Umfrage und rechnete hoch, dass allein in Deutschland rund eine Milliarde Kleidungsstücke ungetragen im Schrank liegen. Trotzdem werden durchschnittlich 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr gekauft, die im Schnitt 1,7 mal getragen werden. Die Textilbranche verbraucht ein Viertel der weltweit hergestellten Chemikalien, von denen um die 500 Wirkstoffe nur schwer abbaubar sind. Von dem enormen Wasserbedarf der Baumwolle, den Insektiziden und Pestiziden, den ausgelaugten Böden durch die Monokulturen und die mit Chemikalien vergifteten Flüsse ganz zu schweigen. Trotzdem geht der Konsum(zwang) immer weiter. Jugendliche posten in den Social Media sog. Haul-Videos, in denen sie ihre billig erbeuteten Waren zeigen, und haben so ein neues Videoformat erschaffen. Konsum kann zur Sucht werden. Deswegen ist insbesondere der Ausstellungsteil FAST FASHION für Schulklassen angelegt. Mode hat auch mit Prestige, Selbstausdruck und sozialer Anerkennung zu tun, die im jugendlichen Alter von besonderer Bedeutung sind. Hier können SchülerInnen auf Entdeckungsreise gehen und sich spielerisch umfassend informieren.



Jugendliche machen sich kreativ Gedanken über die Textilproduktion | © Helga Fitzner


Neben den beiden Gegensätzen findet auch eine Art Synthese statt, denn immer mehr Modelabels arbeiten modern und nachhaltig zugleich. Jose Hendo stammt aus Uganda, lebt in London und stellt Kleidung aus Baumrinden her, „Bark to the roots“, die mit anderen Ökotextilien verarbeitet werden. Es handelt sich um eine Feigenbaumart, deren Rinde schon nach fünf Jahren verwendet werden kann und die nachwächst. Die Bäume werden bei Hendos Projekt in Uganda nicht in Monokultur, sondern mit anderen Pflanzen wie Kaffee und Bananen angebaut. Da in Uganda die Trockenzeiten immer länger werden, ist das auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und schafft Arbeitsplätze vor Ort in Afrika.



Die Modedesignerin Jose Hendo vor der Vitrine mit ihren Produkten | © Helga Fitzner


Es sind sehr viele Gruppierungen vertreten mit vielen guten Ansätzen. Es lohnt sich auch, ins Begleitheft zu schauen, mit etlichen Veranstaltungen und sogar zwei Märkten, einmal für Weihnachten und einmal für Karnevalskostüme. Im Museumsshop gibt es einen Teil der Produkte zu kaufen. Bei aller Ernsthaftigkeit des Anliegens soll ja die Lust auf Mode und aufs Schenken nicht geschmälert werden.

Helga Fitzner - 23. Oktober 2018
ID 10983
Weitere Infos siehe auch: http://fastfashion-rjm-koeln.de/


Post an Helga Fitzner

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