Jeden Tag eine gute Tat: Als deutscher Soldat in Afghanistan in Feo Aladags BERLINALE-Beitrag Zwischen Welten
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Über das Aufeinandertreffen okzidentaler und orientalischer Kultur hat die Wienerin Feo Aladag mit Die Fremde 2010 einen der emotionalsten deutschen Filme der letzten Jahre inszeniert, der damals skandalöser Weise nicht für den Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele ausgewählt wurde, sondern für die Reihe Panorama. Ich bin mir sicher, dass diese Fehlentscheidung Aladag zumindest einen Silbernen Regie-Bären gekostet hat. Immerhin erhielt das Drama um eine junge Türkin, die sich mit ihrer selbstbestimmten Lebensweise in ihrer streng traditionell denkenden Familie zum Paria macht, zwei deutsche Filmpreise. Aber dass ihr neuer Spielfilm Zwischen Welten dramaturgisch nicht so intensiv ausgefallen ist und daher im BERLINALE-Wettbewerb 2014 keinen einzigen Preis erhalten hat, ist schon ein wenig tragisch. Auch ist die Mehrzahl der deutschen Kritiken eher mau, obwohl Aladag die erste ist, die über den heiklen Einsatz der ISAF-Truppen aus deutscher Sicht für einen Kinofilm erzählt.
Doch nein, das ist ungenau: Aladag erzählt aus einer Doppelperspektive, nämlich aus Sicht deutscher Soldaten und zusätzlich aus der Perspektive eines ihrer Helfer, des jungen Dolmetschers Tarik. Auf diese Weise wird deutlich, dass nicht nur die gutwilligen, aber mit den Mentalitäten des Landes tendenziell überforderten Soldaten ebenso zwischen allen Stühlen sitzen, sondern vor allem diejenigen, die sie unterstützen. Menschen wie Tarik und seine jüngere Schwester werden nicht nach einer Weile abgezogen und haben nicht die Möglichkeit, sich hinter Paragraphen und Vorschriften zu verstecken. Sie werden von (im Film stets unsichtbar bleibenden) Gegnern westlicher Gesellschaftsideale mit Gewalt oder gar dem Tode bedroht, was nach Meinung von Experten nach dem Abzug der ISAF-Truppen zu einem massiven Problem werden kann. Insofern ist Aladags Film hochaktuell und dramaturgisch ausgewogen. Bei ihr wirken die Soldaten verwundbar und leicht zu verunsichern, während der 19jährige Tarik (bissig: Moshin Ahmady) selbstbewusst und mit dem Mut der Verzweiflung ausgestattet ist. Der Kontrast zwischen den hochgerüsteten, aber immer wie auf rohen Eiern balancierenden Elitesoldaten und den kämpferischen Afghanen sorgt für Spannung, die aber leider nicht über die gesamte Laufzeit des Films trägt.
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Zwischen Welten - Foto (C) Majestic-Filmverleih
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Zwischen Welten - Foto (C) Majestic-Filmverleih
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Zwischen Welten - Foto (C) Majestic-Filmverleih
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Obwohl Jesper, der Anführer der deutschen Einheiten nahe der Stadt Mazar-i-Sharif, in seiner Gebrochenheit eine interessante Figur ist und Ronald Zehrfelds ihn als nachvollziehbaren Charakter spielt, bleibt er im Vergleich mit Tarik in seiner psychologischen Profilierung unscharf. Dies liegt an einigen schwachen Szenen, in denen die ungleichen Männer menscheln dürfen und die Dialoge sogleich holpern. Da wirkt das grimmige Schweigen von Jespers abgeklärtem Kameraden Petze (Pit Bukowski) schon vielsagender – aber gut, so etwas kann man in einem Drehbuch auch nur mit einer Figur machen. Die stärksten Szenen des Films sind jene, in denen das Dilemma deutlich wird, in dem die Soldaten stecken: Die streng hierarchisch denkenden, afghanischen Mitkämpfern möglichst nicht gegen sich aufzubringen, verträgt sich oft schlecht mit dem Bemühen, das Land sicherer und vor allem lebenswerter zu machen.
Der Zwiespalt, den die von einigen gehassten, von einigen (vor allem Frauen) gewünschten, ausländischen Invasion mit sich bringt, löst Feo Aladag dramaturgisch bis zum tragischen Schluss nicht auf. Das ist im Kontext dieses Films vielleicht etwas zu vorhersehbar, aber es ist deswegen keine unzutreffende Aussage. Wer eine glasklare „ich-bin-gegen-jede-Form-von-ausländischer-Invasion“-Haltung vermisst, wird sie heute auch bei Regisseurinnen (siehe Kathryn Bigelow) nicht mehr finden.
Bewertung:
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Max-Peter Heyne - 31. März 2014 (2) ID 7718
Warum die neuen, ungleichen und indifferenten Kriege eine solche eindeutige Haltung zunehmend erschweren, kann übrigens in zwei hervorragenden, analytischen Filmbüchern nachgelesen werden, die neu erschienen sind: Rasmus Greiners Die neuen Kriege im Film (Schüren Verlag) ist eine hervorragende, mit detaillierten filmanalytischen Fakten gespickte Abhandlung über die neuen Tendenzen im (Anti-)Kriegsfilmgenre; Hollywoods Kriege – Geschichte einer Heimsuchung (Verlag S. Fischer) bleibt in seiner nicht minder fundierten Analyse eher im Rahmen eines historischen Essays. / MPH
Weitere Infos siehe auch: http://www.zwischenwelten-film.de
Post an Max-Peter Heyne
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