Alles Lug und Trug in American Hustle, einer sympathischen Krimikomödie mit schrägen Typen
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Nachwuchsautoren aufgemerkt! Ihr denkt, ihr wisst, wie man leibhaftige Charaktere mit Ecken und Kanten erfindet und zu Papier bringt? Dann lieber noch einmal genau bei American Hustle hinsehen. In dieser tendenziell etwas zu kompliziert und dramaturgisch verschlungenen Gaunerkomödie sind nämlich die Figuren der überzeugendste Bestandteil des Drehbuchs. Schon in der ersten Szene stellen Regisseur David O. Russell (Silver Linings) und sein Ko-Autor Eric Singer klar, dass der Held ihres Films alles andere als jener Typus smarter Womanizer ist, der sonst amerikanische Liebes- und Krimikomödien bevölkert: Der windiger Kleinunternehmer Irving Rosenfeld (mit 18 Kilo plus gut im Futter: Christian Bale) braucht schon so seine sechs, sieben Minuten vor dem Spiegel, um das schüttere Haupthaar mit einem Toupet zu kaschieren. Dass ausgerechnet der schleimige Irving bei der hübschen Sydney (Amy Adams) das Blut in Wallung bringt, verdankt er seiner kleinkriminellen Chuzpe. Denn Sydney, die sich gerne als Britin mit blaublütiger Abstammung ausgibt, erkennt in Irving einen Seelenverwandten, der ebenso wie sie einen Hang zum Hochstapeln und Betrügen hat.
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American Hustle - Foto (C) Tobis Filmverleih
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Russell und Singer haben ihre Mischung aus Liebesgeschichte und Krimikomödie in den späten siebziger Jahren angesiedelt und erinnern so daran, wie weit die Wurzeln der heutigen Exzesse innerhalb der Finanzwirtschaft reichen: Zu zweit erleichtert das gerissene Pärchen Irving und Sydney eine Zeitlang gutgläubige Anleger um ihr Erspartes – bis der FBI-Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper) die Trickserei auffliegen lässt. DiMaso will sich wie weiland Michel Piccoli als Kommissar Max (im französischen Krimi Das Mädchen und der Kommissar) nicht mit kleinen Fischen abgeben und bietet den Westentaschen-Bonnie-und-Clyde einen Deal an: Sie bleiben straffrei, wenn sie DiMaso helfen, korrupte Politiker und Mafiosi hopps zu nehmen. Vor allem auf den beliebten, bürgernahen Bürgermeister von Camden, New Jersey, Carmine Polito (besonders fies gestylt: Jeremy Renner) hat es der ehrgeizige FBI-Agent abgesehen, der ebenso wie die anderen Figuren als ein Individuum mit vielen verzeihlichen, charakterlichen Schwächen geschildert wird: nicht etwa als ein cooler Hund à la Dale Cooper, sondern als ein Muttersöhnchen und Choleriker, der gegenüber seinem hyperkorrekten Vorgesetzten notfalls handgreiflich wird.
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American Hustle - Foto (C) Tobis Filmverleih
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Die Falle, die DiMaso mit Irvings und Sydneys Hilfe dem Populisten Polito stellen will, wächst sich bei einem gemeinsamen Besuch in einem Mafia-Spielcasino zur unabwägbaren Unternehmung aus, in die einige der meistgesuchten Unterweltgrößen verwickelt werden. Vor allem Irvings überkandidelte Ehefrau Rosalyn (schrill: Jennifer Lawrence) wird zum unkalkulierbaren Störfaktor, sodass alle Beteiligten Mühe haben, die selbstgestrickten Fäden nicht aus der Hand zu verlieren. Ausgerechnet der Trickbetrüger Irving muss dafür sorgen, dass moralische Werte wie Freundschaft und Loyalität bei all dem staatlicherseits unterstützten Getrickse und Gemauschel nicht gänzlich unter die Räder kommen.
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American Hustle - Foto (C) Tobis Filmverleih
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Etliche überraschende Wendungen in dieser character-based-Story werden von einem hintergründigen, ironischen Humor garniert. Russell und Singer verzichten auf starke Zuspitzungen und vertrauen auf die bizarr anmutenden Tatsachen, auf denen das Drehbuch beruht. Nicht nur die Figurenzeichnung, auch die Handlungsstruktur von American Hustle ist für eine US-Produktion auffällig komplex, was erklären mag, dass der Film gleich für zehn „Oscars“ nominiert ist – was denn doch etwas übertrieben erscheint und eher etwas über die Schwächen anderer Filme aussagt als über die Stärke dieser sympathischen, aber auch dramaturgisch faserigen Farce.
Bewertung:
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Max-Peter Heyne (2) - 19. Februar 2014 ID 7615
Weitere Infos siehe auch: http://www.americanhustle-movie.com/site/
Post an Max-Peter Heyne
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