Der Herr
der Worte
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Bewertung:
John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973) ist als Autor der Trilogie Herr der Ringe wohl am bekanntesten, doch die schrieb er erst im fortgeschrittenen Alter von 62 bis 63 Jahren. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt, und um die geht es in dem Spielfilm Tolkien unter der Regie des finnischen Regisseurs Dome Karukoski, der versucht, dem Phänomen dieses außergewöhnlichen Mannes auf den Grund zu gehen. Das Drehbuch stammt von David Gleeson und Stephen Beresford, die das Skript mit der zentralen Kriegserfahrung des Ersten Weltkrieges beginnen und Tolkien (Nicholas Hoult) im Fieberdelirium nach einem Kameraden in den Schützengräben suchen lassen. Dort hat er Halluzinationen von feuerspeienden Drachen und anderen seltsamen Gestalten. Damit wird angenommen, dass das Schlachtgetümmel des Ersten Weltkriegs als Inspiration für die Schlachten in Herr der Ringe gedient haben mag. Die Filmemacher vermeiden klugerweise allzu plakative Bezüge.
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In Rückblenden wird die Geschichte von Tolkien erzählt, der früh beide Eltern verliert und mit seinem kleinen Bruder in der Obhut einer Gönnerin aufwächst. J. R. R. Tolkien ist sehr begabt und bekommt ein Stipendium für das Exeter College in Oxford. Dort gründet er 18jährig mit drei anderen Studenten die ambitionierte Gemeinschaft Tea Club and the Barrovian Society, kurz TCBS. Sie haben alle als Kinder die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erlebt und wollen nun durch ihre Kreativität die Welt zum Besseren verwandeln: „Wir verändern die Welt durch die Macht der Kunst“, beschließen die Halbwüchsigen im Jahr 1911. Die jungen Männer haben sich den Künsten verschrieben und unterstützen sich gegenseitig: G. B. Smith (Anthony Boyle), Christopher Wiseman (Tom Glynn-Carney) und R. Q. Gilson (Patrick Gibson). Tolkien hat den Tick, eine neue Sprache erfinden zu wollen.
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G. B. Smith (Anthony Boyle), Christopher Wiseman (Tom Glynn-Carney) und R. Q. Gilson (Patrick Gibson) und J. R. R. Tolkien wollen die Welt durch Kunst verändern | © Twentieth Century Fox
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Da ist noch eine weitere Person, die Tolkien – und nicht nur für seine Sprachbegabung – bewundert, die junge Edith Bratt (Lily Collins). Sie haben sich kennengelernt, als sie noch halbe Kinder waren, aber sie lieben einander aufrichtig. Da Tolkien noch nicht volljährig ist, unterbindet sein Vormund Pater Francis Morgan (Colm Meaney) diese Verbindung, doch warum Tolkien sich das relativ widerspruchslos gefallen lässt, wird im Film nicht ganz klar. - Francis war mit seiner Mutter befreundet, die zum Katholizismus konvertiert war, aus dem auch Tolkien seine Kraft schöpfte. Es war der Glaube, der ihnen über viele Schicksalsschläge hinweg half und Francis hat die Familie immer unterstützt. Es herrschte ein sehr inniges Vertrauensverhältnis und so konnten Tolkien und Edith erst einmal erwachsen werden.
Derweil verfolgt das Sprachgenie seine elaborierten Sprachstudien und ist in Oxford am richtigen Ort. Neben seinen Freunden ermutigt ihn der eingefleischte Philologe Prof. Dr. Joseph Wright (Derek Jacobi) und vermittelt ihm wertvolle Einsichten. Sie sind so in ihre Studien vertieft, dass sie ein Fachgespräch auf einer Bank im Innenhof des Colleges fortführen, als die Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs eintrifft und einen riesigen Jubel unter den anderen Studenten auslöst. Das ist eine der besten Szenen im Film, denn Tolkien ist verständig genug, sich nicht vom gängigen Hurra-Patriotismus hinreißen zu lassen. Alle vier Freunde ziehen in den Krieg...
Tolkien überlebt und kümmert sich um seine Familie, die er mit seiner großen Liebe Edith gegründet hat, schließlich doch noch mit dem Segen von Pater Francis. Er arbeitet als Philologe und entwickelt sich zu einem herausragenden Akademiker. Eines Tages wird er gedrängt, die selbst erfundenen Geschichten, die er seinen Kindern immer erzählt, zu Papier zu bringen. Der kleine Hobbit, seine erste große nicht-akademische Veröffentlichung, erscheint und hiermit endet der Film.
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Der kleine Hobbit erschien 1937, als Tolkien schon 45 Jahre alt war und galt als eine Sensation. Etliche Jahre später zwischen 1954 und 1955 revolutionierte Tolkien die Literatur endgültig mit Herr der Ringe und legte den Grundstein für die sich später entwickelnde Fantasy-Fiktion. Tolkien hat für seine Prosa eigens eine neue Sprache entwickelt, die sich unter anderem des Finnischen bedient, das er wie viele andere Sprachen auch beherrschte, und er hatte sich für seine akademischen Studien schon eingehend mit finnischen Mythen auseinandergesetzt. Deshalb haben die Finnen, wie auch der Regisseur Dome Karukoski, eine große Affinität zu seinem Werk.
Der Film ist solide und detailreich inszeniert, wird von den Zuschauern und der Kritik aber oft am fantastischen Spätwerk Tolkiens gemessen. Der junge Tolkien aber war ein zurückhaltender und nach außen hin ganz gewöhnlich wirkender Mensch, der als Vollwaise unter Anpassungsdruck gestanden hat. Seine ethische innere Einstellung und seinen Katholizismus kann man auch schlecht nach außen darstellen, ohne dass das pathetisch wirken würde. Er hat uns eine Prosa hinterlassen, die besagt, dass das Böse in eine an sich friedvolle Welt eingebrochen ist. Wir müssen uns mit Mut dem Bösen stellen und uns gemeinsam den Frieden zurückerobern. Diese Botschaft vermittelt der Film sehr gut.
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Helga Fitzner - 19. Juni 2019 (2) ID 11515
Weitere Infos siehe auch: http://www.fox.de/tolkien
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