Rübe ab!
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Bewertung:
Eine aktuelle Reportage über den Zustand der SPD? Nein – auch wenn der Titel das vermuten lässt. Jim Jarmusch hat sich mal wieder am Horror-Genre versucht – und liefert mit diesem Zombiefilm seinen bisher schwächsten Film ab. Das will schon was heißen, wenn man so wie ich grundsätzlich positiv über Jarmuschs lakonischen Stil, der vom europäischen Autorenfilm beeinflusst ist, denkt. Nun gut, Jarmusch gibt den Zombies zumindest ihre Lethargie und Langsamkeit zurück, die sie als wildgewordene Meute seit Filmen wie Danny Boyles 28 Days later (2003) verloren hatten. In The Dead Don’t Die staksen sie so unbeholfen und wenig zielstrebig durch die Gegend wie in den ersten Werken von Zombie-Regiespezialist George A. Romero.
Ansonsten aber ist die Entscheidung für einen Zombiefilm für einen action-abstinenten Minimalisten wie Jarmusch, der sich stets auf einige wenige Einfälle in all seinen Werken verließ, keine besonders sinnvolle. Gleichwohl bedeutet das nicht, dass der mittlerweile 67-jährige Jarmusch, der einige seiner ersten Werke wie Down by Law 1986 mit deutschem Fördergeld realisiert hat, überhaupt keine Action inszenieren könnte. Das hat er wiederum mit Mafia- und Western-Versionen wie Dead Man (1995) und Ghost Dog – der Weg des Samurai (1999) bewiesen. Und auch in seinem Zombiefilm nutzt Jarmusch das dramaturgische Korsett und die Motive des Genres auf eigenwillige Weise. Doch die Metapher, dass die von Erdgasbohrungen – dem so genannten "Fracking" – ausgelöste ökologische Katastrophe für die Zombieepidemie verantwortlich sei, überzeugt nicht, weil sie viel zu aufdringlich immer wieder in die Dialoge hineingestopft wird. Ein Wink mit einem kompletten Lattenzaun ist nichts dagegen!
Überhaupt ist es ernüchternd mitanzusehen, wie sehr Jarmuschs lakonischer, trockener Humor diesmal völlig versagt. Die meisten witzig gemeinten Bemerkungen wirken harmlos und unwitzig. Anspielungen auf die politische Gespaltenheit der heutigen USA verpuffen sang- und klanglos. Jede einzelne Szene in einem Romero-Film hat da mehr kontextuelles Fleisch auf den dramaturgischen Rippen. Apropos Rippchen: Auch vor blutigen Ekel- und Splattereffekten schreckt Jarmusch nicht zurück, wohl, um den Fans (der Zombiefilme, nicht seiner) zu geben, wonach ihnen dürstet. Sagen wir es als Kritiker mit normalem Magen wohlwollend: Es ist schön, dass jemand wie Jarmusch einmal demonstriert, dass man solche Effekte nicht auftürmen muss, sondern auch sparsam dosieren kann. Aber auch das alternativlose Enthaupten der Zombies ist kein Vergnügen, wenn es allzu harmlos rüberkommt.
Da kann ein Iggy Pop in einer (!) Szene noch so kannibalistisch wüten – die richtige Würze fehlt, um den Schrecken entweder bedrohlich oder aber komisch wirken zu lassen. Bei Jarmusch ist er beides nicht. Die beiden stoischen Provinzpolizisten Robertson und Peterson aka Bill Murray und Adam Driver sind nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen, aber das gilt eigentlich für alle Einwohner der Kleinstadt Centerville, die Jarmusch in seinem Film quasi stellvertretend für das amerikanische Hinterland mit ihren eintönigen Routinen entworfen hat. Nur der chauvihafte Farmer Miller (Steve Buscemi) bekommt leichten Kreislauf, wenn er von Zombies in seiner Ruhe gestört wird. Buscemi hat leider wie fast das gesamte, sehr erlesene Cast (zu dem u.a. noch Selena Gomez, Rosie Perez und die Musiker RZA und Tom Waits zählen) nur einige Kurzauftritte – auch dies ein eher enttäuschender Umstand. Nur die diesmal besonders somnambul wirkende Tilda Swinton, die für Jarmusch schon einmal eine erstklassige Vampirin abgab, darf ihrer Figur etwas Konturen geben.
Was ein David Lynch mit einer Genre-Vorlage, die im US-Hinterland spielt, alles anstellen kann, hat er mit der Mystery-Serie Twin Peaks bewiesen, auf die es einige Anspielungen gibt. Vielleicht fehlt Jarmusch dazu die nötige Abgründigkeit. Hier passt kaum etwas überzeugend zusammen, und ausgerechnet die Selbstironie wirkt geradezu aufgesetzt und peinlich, wenn z.B. die beiden Hauptdarsteller Bill Murray und Adam Driver zu Beginn und am Ende des Films darauf anspielen, dass man sich in einem Film befindet, „der böse endet“. Ja, der Film endet böse, aber anders als von Jarmusch ersonnen.
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The Dead Don´t Die | (C) Universal Germany
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Max-Peter Heyne - 13. Juni 2019 ID 11498
Weitere Infos siehe auch: https://upig.de/micro/the-dead-dont-die
Post an Max-Peter Heyne
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