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Filmkritik

Weiße Jäger,

schwarzes Herz



Bewertung:    



Das auf Tatsachen basierende norwegische Drama Congo Murder ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie auch zwiespältige und sogar tendenziell unsympathische Charaktere dem Publikum nahegebracht werden können, wenn sie in ihrem Scheitern, ihrer Angst und ihrem Leid gezeigt werden. Dazu bedarf es einer dramaturgisch überzeugenden Filmerzählung, die komplexe menschliche Konflikte nicht nur den Helden zugesteht, und natürlich schauspielerischen Leistungen, die diese Konflikte transportieren können. Congo Murder zeichnet beides aus und ist nicht trotz, sondern wegen seiner zwei ambivalenten Protagonisten eine ungewöhnliche und nachdenklich stimmende Filmerfahrung.

Schon zu Beginn des Films stellt einer der beiden Männer als Stimme aus dem Off klar, dass er und sein Kumpel zu jene Sorte Männer zählen, die mit Gewalt und Krieg keine Probleme haben, da dies zur menschlichen Natur im Allgemeinen und zur männlichen im Besonderen gehört. Es handelt sich um die Mit-Dreißiger Joshua French und Tjostolv Moland aus Norwegen, die bereits einige Erfahrungen in Bürgerkriegsregionen gesammelt haben, als sie im Jahre 2009 nach Zentralafrika fliegen. Geplant ist der schnelle Schmuggel von Informationen für einen Guerillaanführer, der von Uganda aus die Regierung der Demokratischen Republik Kongo mit seinen Verbündeten stürzen will. Joshua (Aksel Hennie) und Tjostolv (Tobias Santelmann) sind leidenschaftliche Abenteurer, die sich ohne Skrupel als Soldaten und private Söldner anheuern lassen, wenn man sie nur gut bezahlt. Umso erstaunlicher, dass sie so naiv sind, zu glauben, dass sie in dem von Korruption und undurchschaubaren politischen Verhältnissen geprägten Kongo leichtes Spiel haben.

Nachdem die beiden Norweger – die schon durch ihre Hautfarbe im Kongo auffällig sind wie bunte Hunde – aus der Not heraus von ihren Motorrädern auf einen Lieferwagen umsteigen müssen, geraten sie nachts zusammen mit ihren Mitfahrern in einen Hinterhalt. Dabei wird der farbige Fahrer des Wagens getötet, Joshua und Tjostolv flüchten in den Dschungel, werden aber von der kongolesischen Armee aufgespürt und verhaftet. Einer der Generäle (Anthony Oseyemi) kann sein Glück kaum fassen, stellen die beiden Europäer doch einen wertvollen Faustpfand für die offizielle Regierung des Kongo dar, mit der sie gegenüber dem reichen Norwegen Druck ausüben kann.

Die beiden Söldner werden wegen des vermeintlichen Mordes an ihrem Fahrer in einem ebenso hemdsärmeligen wie parteiischen Gerichtsverfahren zum Tode, d.h. langjährigen Haftstrafen, verurteilt und in ein schmieriges, unbequemes Massengefängnis verbracht, wo sie als Vogelfreie von Mithäftlingen jederzeit verprügelt oder gar ermordet werden können. Wie auch im realen Fall bleibt im Film trotz mehrfacher Rückblenden unklar, ob die beiden Männer tatsächlich Mörder sind. Der harte, kräftezehrende, einer psychischen Dauerfolter entsprechende Gang durchs Fegefeuer schürt Mitleid mit den beiden Antihelden. Sie müssen erleben, was es bedeutet, wenn das Recht des Stärkeren, das in ihrem Metier ausgelebt wird, hemmungslos durchgesetzt wird und humane Maßstäbe verdrängt.

Joshua und Tjostolv versuchen mühsam, die folgenden Jahre, in denen hinter den Kulissen diplomatische Lösungen für ihre Überführung in ihr Heimatland verhandelt werden, lebend zu überstehen. Doch letztlich wird es nur einem gelingen – auch, weil die beiden sich beharrlich weigern, Geständnisse abzulegen und damit Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Drehbuchautor Stephan Uhlander und Regisseur Marius Holst (King of Devil’s Island, 2009) erzählen die wichtigsten Fakten, verweben aber auch etwas Fiktion mit hinein, um den Spannungsbogen zu halten. Bei der deutschen Premiere des Films bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck im vergangenen November erläuterte Holst, dass er den ursprünglichen Plan, einen Dokumentarfilm über den Fall zu drehen, zugunsten einer emotionaleren Darstellung verwarf – was Ambivalenzen gegenüber den beiden Weißen angesichts ihres neokolonialistischen Gebarens einschließen sollte.

Es wäre billig, Holst seine Fokussierung auf die europäische (und männliche!) Perspektive vorzuwerfen, der sich aus guten Gründen dafür entschieden hat, denn so erreicht er sicher ein breiteres Publikum (z.B. eines in Deutschland, wo das Drama einen Verleih, Real Fiction, gefunden hat). Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack zurück, dass das Leid eines geschundenen Landes zugunsten der Schilderungen des Leids der Hauptpersonen und ihrer auf eine harte Probe gestellten Männerfreundschaft in den Hintergrund gerät.



Congo Murder | (C) Real Fiction.

Max-Peter Heyne - 7. Februar 2020
ID 11985
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