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Chinesisches Kino

Meisterliche

Metaphorik



Bewertung:    



Ein Bus befährt eine staubige Straße in der Wüste Gobi, als plötzlich ein riesiges Rudel herrenloser Hunde auf die Straße läuft und das Fahrzeug durch ein Bremsmanöver zum Umkippen bringt. Alle Insassen sind soweit unverletzt, darunter auch Lang (Eddie Peng), der nach zehn Jahren aus der Haft entlassen wurde und sich nun in seinem Heimatort Qixia melden muss. Der chinesische Regisseur Guan Hu begleitet in dem Film Black Dog – Weggefährten den wortkargen Heimkehrer und schildert dabei ein Land im Umbruch angesichts der Olympischen Spiele im Jahr 2008. China will sich in Erwartung der internationalen Gäste von seiner besten Seite zeigen, aber das geht zu Lasten der Bevölkerung.

Die Reaktion der Leute auf Langs Rückkehr kann unterschiedlicher nicht sein. Ein Restaurantbesitzer verköstigt ihn kostenlos, und er könne jederzeit wiederkommen, schließlich habe er lange Jahre mit Gefängnisessen hinter sich. Freunde machen sich Sorgen um seinen Vater (Gang Qiang), der dabei ist sich zu Tode zu trinken. Auch ein ehemaliger Musiker der Band, mit der er als junger Mann Erfolg hatte, ist ihm freundschaftlich verbunden. Andere aber verurteilen ihn wegen seiner nicht weiter erläuterten Mitschuld am Tod eines jungen Mannes, wegen der er die lange Haftstrafe verbüßt hat. Insbesondere dessen Onkel, der Gangsterboss Hu (Hu Ziaoguang), will ihm an den Kragen.

Die Polizei lässt Lang keine Zeit sich wieder zurechtzufinden und will ihn sofort reintegrieren. Die Ortschaft befindet sich in Auflösung, weil ein Teil davon abgerissen werden soll und viele Menschen schon umgezogen sind. Die Verbliebenen sind resigniert, und der Ort verfällt zusehends. Die herrenlosen Hunde sind Haustiere von weggezogenen Familien, die sie nicht mitnehmen konnten, und haben sich zu einer Plage entwickelt, weshalb die Behörde sie einfangen lässt. Zusätzlich muss jeder Hundebesitzer seinen Hund registrieren lassen. Es gibt einige, die das Geld für die Registrierung nicht aufbringen können und deshalb ihre geliebten Fellnasen weggenommen bekommen. Lang wurde von der Polizei als Hundefänger eingesetzt, aber ihm gefällt die brutale Vorgehensweise gar nicht. Während seine Kollegen wütend auf ihn sind und sich mit ihm prügeln, weil er die Hunde schützt, ist der Koordinator des Projekts, sein Onkel Yao (gespielt vom renommierten Regisseur Jia Zhangke), verständnisvoll und setzt ihn als Fahrer ein.

Zu dem gefährlichsten der Hunde, dem schwarzen Hund (Xin), entwickelt Lang schnell eine Beziehung. Am Anfang wird er von ihm gebissen, und er nimmt ihn zu sich in Quarantäne, bis feststeht, ob beide die Tollwut haben oder nicht. Beide werden zu ebenbürtigen Seelenverwandten, die sich gegenseitig beschützen und verteidigen, und damit beginnt eine ganz besondere Geschichte.

*

Vom Genre her könnte man den Film dem magischen Realismus zuordnen, denn Guan Hu geht es nicht um eine psychologische Geschichte, dazu ist Lang nach den Jahren der Haft viel zu empathisch und eigenständig. Es gibt folglich auch nur wenig Nahaufnahmen, aber die Zuschauer können sich anhand der Panorama-Bilder einen eigenen Eindruck von der zwiegespaltenen Gesellschaft machen. Die chinesische Regierung will Investoren anlocken und die strukturschwache Region am Rande der Wüste attraktiv machen, wobei sie Umsiedelungen in Kauf nimmt. Die herrenlosen Hunde sind dabei eine erkennbare Metapher für die entwurzelten Menschen, so wie die gefahrvolle Wüste Gobi für die Allmacht des Staates steht. Wie häufiger in chinesischen Filmen dreht sich die Geschichte um Heimatverlust, Heimkehr, Entwurzelung und Identitätsfindung in einer sich rasant verändernden Welt.

Guan Hu hatte schon öfter Probleme mit der Zensur und kritisiert dieses Mal nicht, oder besser gesagt nur indirekt. Langs Vater ist Tierpfleger in dem kleinen Zoo des Ortes, der sein Lebensinhalt ist. Nun soll der Zoo aufgelöst werden. Guan Hu zeigt es nur, als Zuschauer muss man sich dann schon selbst die Frage stellen, ob die Existenz eines Zoos das Städtchen nicht attraktiver macht. In der ersten Hälfte des Films bekommt man tröpfchenweise solche uninterpretierten Informationen eingeträufelt und genug Zeit sie zu verarbeiten, während der Regisseur durch viele Panorama-Aufnahmen die Menschen in den Kontext zu ihrer Umgebung stellt. In der zweiten Hälfte wird die Handlung der Geschichte und die Personen immer unrealistischer, und das wird zumindest für chinesisches Publikum der Hinweis auf alte Legenden sein, denn es handelt sich teilweise um allegorische Figuren, weshalb es die klare Dichotomie zwischen gut und böse gibt. Dies ist eine weitere Meta-Ebene des Films, denn Lang ist nach dem Gott Elang Shen benannt, der oft in Begleitung eines Hundes dargestellt wird.

Die Wahl eines solchen klapperdürren und schwarzen Hundes, der alles andere als possierlich ist, ist ein Hinweis darauf, dass er an Xiaotian Quan angelehnt ist, eben jenen Begleiter des Gottes Elang Shen, der einstmals diesen Straßenhund abrichtete, mit dem er dann Dämonen und Monster bekämpft und die Gerechtigkeit wiederhergestellt hat. Daraufhin haben beide die Unsterblichkeit erlangt. Die Filmhandlung hat am Ende mehrere Höhepunkte: eine totale Sonnenfinsternis, die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Bejing und ein mittleres Erdbeben. Lang kann durch eine spektakuläre Lebensrettung sein Karma ausgleichen und wird durch besondere Fügung auch von einem Trauma erlöst. Am Ende gewinnt aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz das Gute.

Xin, der Black Dog, wurde von dem taiwanesischen Kinostar Eddie Peng nach Ende der Dreharbeiten adoptiert. In Cannes erhielt der Film im Jahr 2024 den Preis „un certain regard“ und auch Xin wurde dort ausgezeichnet, denn sie (!) gewann den Palm Dog Award.



Lang (Eddie Peng) und der schwarze Hund (Xin) sind eine enge Bindung eingegangen | © The Seventh Art Pictures

Helga Fitzner - 12. Dezember 2024
ID 15052
Weitere Infos siehe auch: https://www.filmweltverleih.de


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