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Queeres Kino

Als Stricher

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Bewertung:    



„Hast du für deine Recherche mit echten Prostituierten gesprochen?“ „Ich glaube, Gloria meint Sexarbeiter.“ „Ja, ja,genau.“ Abschätzig beäugen die Creative Writing-Kommilitonen abends bei einem Glas Wein oder Sekt in einer Bar den Mittzwanziger Max (Ruaridh Mollica), der kurz zuvor in einer Lesung Erfahrungen aus Sicht eines Strichers mit einem wohlhabenden Freier vortrug.

Beflissen antwortet Max, der mit jugendlicher Ausstrahlung, leicht geöffnetem Hemd und attraktivem Äußeren alle Aufmerksamkeit auf sich zieht:


„Was mich ursprünglich auf mein Thema aufmerksam machte, war ein Artikel, den ich letztes Jahr für das Wall Magazine über Studierende geschrieben habe, die als Escort arbeiten. Ich war erstaunt, wie beiläufig einige von ihnen über ihre Arbeit sprachen. Ähm. Sie haben sich nicht wirklich dafür geschämt. Sie sahen darin nur noch ein geringes Stigma. Und einige von ihnen waren so professionell in der Art und Weise, wie sie sich als Freischaffende etablierten oder sich online vermarkteten. Da war fast so etwas wie ein Gefühl von Stolz. Jedenfalls konnte ich nicht aufhören, an einige der Leute zu denken, die ich interviewt habe, und hatte das Gefühl, dass ich darüber schreiben muss.“


Eine Kommilitonin wirft in einer Redepause lachend ein: „Ich dachte, es gibt nur noch Online-Fans.“ Max ist überzeugt: „Ja, die Leute machen das auch. Aber ein Bildschirm wird die Berührung nie ersetzen.“ Die Diskussion schweift ab. Vereinzelt melden sich Stimmen zu Wort, dass auch ohne physische Interaktion online ein Publikum zu kultivieren eine Menge Arbeit bedeute. Die Barbesucher sprechen über Bekannte und deren Erfahrungen als Escort, Sexworker oder Stripper. Max lehnt sich zurück. Zurückhaltend in sich ruhend weiß er ganz genau, wovon er da schreibt.

*

Der finnische Regisseur und Drehbuchautor Mikko Mäkelä wagt sich mit seinem aufregenden und trotzdem leisen Film Sebastian (seit Kurzem auch auf DVD) an ein Tabu-Thema:

Sein Titelheld Max versucht sich frei von gesellschaftlichen Konventionen zu machen, die in kurzen Einstellungen Vertraute wie seine Mutter verkörpern. Er nimmt mit Sebastian als Escort einen neuen Namen an. Online ist Sebastian über ein System buchbar. Max prostituiert sich und probiert sich aus. Er schreibt darüber wie besessen. Wenn sich ihm neue Welten erschließen, hinterfragt er sich und seine Entwicklung im eigenen Schreiben. Was kostet es, andere mit dem eigenen Körper zu beglücken? Wie überzeugt man ein renommiertes Magazin von einem mit Scham behafteten Sujet? Als Dauerfreier gewinnt Sebastian bald den zärtlichen Mittsiebziger Nicholas (Jonathan Hyde) und den temperamentvollen Endfünfziger Daniel (Ingvar Sigurdsson). Max verschriftlicht mit sensiblem Blick die intensiver werdenden Beziehungen, die er zu beiden aufbaut. Seine Lektorin (Lara Rossi), welche die als fiktiv angekündigte Geschichte als Buch drucken möchte, warnt ihn jedoch: „Eine 'Harold und Maude'-Geschichte werden die Leute nicht mögen.“ Auch ist da noch Amna (Hiftu Quasem), die sich zunehmend Sorgen um ihren Kollegen im Magazin macht, der allzu oft abwesend scheint.

Das 112-minütige Drama arbeitet mit langen Einstellungen, etwa von der nächtlichen Atmosphäre in Großstädten wie Brüssel, die Ruhe vermitteln. Wir sehen, wie Max viel Zeit für seine Körperpflege aufwendet, etwa wenn er seine Körperbehaarung abrasiert oder seine Muskeln nach dem Gewichte heben in Augenschein nimmt. Sebastian wird angespuckt, wenn er einem Gleichaltrigen während eines Flirts in der Schwulenkneipe erklärt, wie hochpreisig der Umgang mit ihm ist: „Das kostet dann aber 200.“ Auch seine Dauerfreier werden alsbald misstrauisch, als sie merken, dass er sich Notizen zu ihnen macht.

Hauptdarsteller Ruaridh Mollica überzeugt in der Doppelrolle als Schriftsteller und Redakteur respektive begehrenswerter Stricher. Sowohl bei der Auftragsvergabe in Redakteurs-Sitzungen als auch nach dem Beischlaf mit diversen Freiern scheint sein sinnlicher Blick erwartungsvoll um Bestätigung zu heischen, ohne dass man es ihm übel nehmen könnte.



Ruaridh Mollica als Sebastian | (C) Edition Salzgeber

Ansgar Skoda - 2. Juli 2025 (2)
ID 15346
Weitere Infos siehe auch: https://salzgeber.de/sebastian


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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


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