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Filmkritik

Alarmstufe 1:

Chance auf

Shitstorm



„Ganz ehrlich: Wie kann man nein sagen bei einem Filmstoff über Nazis auf dem Mond, die in der Zukunft darauf lauern, auf die Erde zurückzukommen?“ , fragte sich der deutsche Schauspieler Götz Otto (Die Wanderhure), als er das Angebot zur Mitwirkung an der internationalen Koproduktion Iron Sky bekam. Ähnlich dachten vor einigen Jahren viele tausend Internet-User über die skurrile Idee finnischer Filmemacher und spendeten daraufhin Lob, aber auch Geld, damit die Mischung aus Science-Fiction- und Kriegsfilm-Satire realisiert werden konnte. Somit ist Iron Sky, der wegen seines schwarzen Humors aus dem Berlinale-Angebot herausstach und jetzt in die Kinos kommt, der erste Film, der zumindest teilweise über das Modell des so genannten Crowdfunding finanziert wurde.



Plant die Rückkehr zur Erde: Nazioffizier Klaus Adler (Götz Otto) und seine Zukünftige, Renate Richter (Julia Dietze) © polyband Medien GmbH


Immerhin 750.000 Euro, das sind ca. zehn Prozent des Gesamtbudgets, kamen nach offiziellen Angaben über Spendengelder von Fans in aller Welt zusammen, die zunächst nicht viel mehr als eine Website mit der Story kannten. Gespendet werden konnten zweckgebundene Beträge in beliebiger Größenordnung. Parallel suchte der Produzent Tero Kaukomaa, der an das Projekt seiner finnischen Freunde von Anfang an glaubte, weltweit – so auch bei diversen Veranstaltungen in Berlin 2009 – Partner für Iron Sky, der sich am Ende global verkaufen lassen sollte.

Nachdem u.a. australische und deutsche Produzenten (der Potsdamer Filmhochschulabsolvent Oliver Damian) sowie diverse Filmförderungsinstitute überzeugt worden waren, war die zuvor fest gelegte Finanzierungssumme erreicht. Damit wurde die Zahlungszusage der Internetnutzer 2010 eingelöst und die Produktion startete.

Das Beispiel zeigt, dass Crowdfunding für Filmemacher vor allem dann ein erfolgversprechender Weg ist, wenn die Fans von skurrilen Kultfilmen mobilisiert werden können, die sich in Webblogs besonders engagieren. Die Geschichte zu Iron Sky war abwegig genug, denn sie handelt von einer Abordnung treuer Nationalsozialisten, die noch kurz vor Kriegsende mit einem deutschen Raumschiff zum Mond gelangen, wo ihre Nachkommen auf der nicht sichtbaren Seite ausharren, bis ein amerikanisches Raumfahrtteam sie aufschreckt und einen Clash der Kulturen auslöst.



Not amused: Die australische Schauspielerin Stephanie Paul als amerikanische Präsidentin © polyband Medien GmbH


Eine besonders schwarzhumorige – und sicher die beste – Idee des Films ist, dass der ehrgeizige Nazioffizier Klaus Adler (Götz Otto) und seine zukünftige, eher naive als pflichtbewusste Frau (Julia Dietze) nach ihrer Landung in den USA auf der Suche nach der amerikanischen Präsidentin (bietet eine lockere Parodie auf Sarah Palin: die Australierin Stephanie Paul) umgehend für deren Wahlkampfkampagne eingespannt werden. Das in schlagkräftiger Propaganda bewanderte Nazi-Paar als PR-Kohorte einer dilettierenden US-Präsidentin: eine schön ausgedachte, stichhaltige Posse, die freilich auf den größten Teil des amerikanischen Publikums mit ihrem Stolz auf ruhmreiche Weltkrieg II-Zeiten eher befremdlich wirken dürfte.

Drehbuchautor und Regisseur Timo Vuorensola und sein Freund Jarmo Puskala hatten sich die Geschichte – wie es sich für Finnen gehört – in der Sauna ausgedacht, nachdem sie 2005 bereits mit einer via Internet propagierten Filmparodie Erfolg gehabt hatten: Star Wreck war eine für extrem wenig Geld gedrehte Parodie auf Raumschiff Enterprise und für viele Internetnutzer nicht trotz, sondern wegen seines billigen Looks ein absurdes Filmvergnügen: Mehr als 20.000 kostenpflichtige DVDs wurden binnen kurzer Zeit über die Webpage bestellt. Für Iron Sky aber wollten die Finnen höher hinaus und tappten dabei in dieselbe Falle, in der schon viele Hollywood-Filme gelandet sind: Durch den Wunsch nach möglichst spektakulären und originellen Schauwerten wurde des Guten zu viel getan: Im letzten Drittel des Films türmen sich die digitale Spezialeffekte derartig auf, dass sie nicht nur die satirischen Drehbuchideen verdrängen, sondern auch die beabsichtigte Wirkung des Staunens im Getöse verpuffen lassen.

Das Bild einer fliegenden Armee düster-monströser Zeppeline, die vom Mond auf New York zusteuern, hat eine ebenso morbide wie bizarre Ausstrahlung. Doch der anschließende Kampf der Nazi-Ungetüme mit der hypermodernen US-Luftwaffe endet nicht nur vorhersehbar, sondern sieht so aus wie solche Star-Wars-Weltallschlachten aussehen – nach Hollywood eben. Die rund um den Globus eingesammelten Iron Sky-Gelder wären besser in noch mehr Situationskomik und witzige Dialoge investiert worden anstatt in computergenerierte Effekte.

Das ironische Fazit lautet also, dass Iron Sky zu viel Aufwand betreibt, um ein echter Kultfilm zu werden – auch wenn man zugeben muss, dass die Iron Sky-Macher mit ihren Ambitionen nicht so komplett gescheitert sind wie die Mond-Nazis. Die Internet-Gemeinde hat mitgeholfen, dass Iron Sky überhaupt entstanden ist. Aber haben die Fans den Film so gewollt, wie er jetzt aussieht? Da ihn bislang nur wenige gesehen haben, steht das gebloggte Urteil noch aus. Shitstorms sind allerdings schon wegen viel harmloserer Sachen losgetreten worden. Für künftige Crowdfunding-Projekte kann bereits die alte Lehre gezogen werden, dass kein Geld der Welt Inspiration und Ideenreichtum ersetzen kann.

Max-Peter Heyne - 3. April 2012
ID 5830
Weitere Infos siehe auch: http://www.ironsky.net/site/



 

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