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Rezension


Filmstart: 22. September 2011

Eine offene Rechnung (USA 2010)

Regie: John Madden


„Eine offene Rechnung“ ist eine der herausragendsten Filmproduktionen der letzten Zeit. Das ursprüngliche Drehbuch stammt von Assaf Bernstein und Ido Rosenblum, die das Buch unter dem Titel „HaHov, HaChov“ 2007 in Israel verfilmten. Diese Produktion hat es bedauerlicher nicht in die internationalen Kinos geschafft. Nun hat der Brite John Madden („Shakespeare In Love“) die Regie in der US-Verfilmung übernommen nach dem facettenreichen Drehbuch von Matthew Vaughn, der auch als Regisseur einen Namen hat (zur Zeit läuft sein Prequel zu: „X-Men: Erste Entscheidung“ in den Kinos).

Erzählt wird die Geschichte von drei ehemaligen Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad, die als Helden gefeiert werden, weil sie vor 30 Jahren den Kriegsverbrecher Dr. Bernhardt (Jesper Christensen) gestellt haben, der als Chirurg von Birkenau, dem Vernichtungslager bei Auschwitz, seine Gräueltaten verübte. Obwohl der Einsatz seinerzeit nicht idealtypisch verlief, wurden Rachel Singer (Helen Mirren), David Peretz (Ciarán Hinds) und Stephan Gold (Tom Wilkinson) in Israel seitdem als Helden verehrt. Die gemeinsame Tochter von Rachel und Stephan hat sogar ein Buch über die Heldentaten ihrer Mutter geschrieben.

Seltsamerweise ist Rachel davon gar nicht begeistert, obwohl sie ihrer Tochter den Erfolg gönnt. Rachels Ehe mit Stephan ist mittlerweile in die Brüche gegangen und sie haben sich auch nicht mehr viel zu sagen. Ihr Leben wird von etwas überschattet, das zum Ausbruch kommt, als ihr damaliger Gefährte David absichtlich vor einen Bus läuft und stirbt. Ausgehend vom Jahr 1997 wird in Rückblenden erzählt, was sich in den Jahren 1965 und 1966 wirklich zugetragen hat.

Die drei jungen Mossad-Agenten Rachel, David und Stephan werden von Jessica Chastain, Sam Worthington und Marton Csokas gespielt. Sie sind in einer verfallenen Altbauwohnung in Ost-Berlin abgestiegen, von wo aus sie minutiös die Entführung des Kriegsverbrechers Dr. Bernhardt planen. Der hat sich als Gynäkologe niedergelassen und praktiziert unbehelligt weiter. Aus diesem Grund ist die Nachwuchsagentin Rachel dabei, damit sie, als Patientin getarnt, den Frauenarzt aufsuchen kann. Der soll von seiner Praxis aus entführt werden und auf besondere Weise mit der Bahn in den Westen geschmuggelt werden. Zwar klappt die Entführung aus der Praxis in die Wohnung, aber die Flucht in den Westen misslingt und so hängen die drei Agenten und der Kriegsverbrecher auf unbestimmte Zeit eng aufeinander. Bernhardt soll lebend in Israel ankommen, damit ihm dort der Prozess gemacht werden kann.



Gar nicht so hilflos wie er aussieht: Dr. Bernhardt (Jesper Christensen) © Universal Pictures



In der Wohnung entwickelt sich ein klaustrophobisches Psychodrama. Der Zweite Weltkrieg und die versuchte Ausrottung der europäischen Juden liegen gerade 20 Jahre zurück. Weder die Täter noch die Opfer haben die unvorstellbaren Ausschreitungen dieser Zeit aufgearbeitet, die alle noch in der erinnerbaren Vergangenheit liegen. Bernhardt versucht, die Agenten gegeneinander auszuspielen. Er hat mitbekommen, dass David und Rachel einander lieben. Da David sich aber nicht erklärt, lässt Rachel sich mit Stephan ein.

Der Erfolgsdruck, unter dem die Agenten stehen, ist belastend und stimmt mit den historischen Gegebenheiten überein. Israel wollte damals die Täter vor Gericht stellen, solange man derer noch habhaft werden konnte und diese noch lebten. Die waren in alle Welt verstreut und führten oft ein sehr angenehmes Leben. Es dauerte vielfach Jahrzehnte, bis sie enttarnt werden konnten. Selbst dann war es mitunter schwierig, sie nach Israel zu bringen, je nachdem in welchem Land sie Unterschlupf gefunden hatten. Im Film ist es Ost-Berlin kurz nach dem Bau der Mauer. Es war seinerzeit fast unmöglich, jemanden aus dem Ostblock zu entführen.

Um der Geschichte zusätzlichen Realismus zu verleihen, hat der Produktionsdesigner Jim Clay die Ost-Berliner Wohnung in den Ealing Studios sehr detailgetreu gebaut und dafür sogar originale Materialien aus Abrisshäusern verwendet. Der Verfall der Architektur sollte ein bildliches Äquivalent für die Zersetzung sein, die durch bittere Lebenslügen entsteht, denn die drei Agenten haben noch eine offene Rechnung. Das hat auch der Kameramann Ben Davis in düsteren Bildern in der Wohnung festgehalten. Besonders gelungen ist die Kameraarbeit und Lichtsetzung auf dem „Geisterbahnhof“. Der Ost-Berliner Bahnhof gehörte damals zum Sperrgebiet, war von Stacheldraht umzäunt und streng bewacht. Das Filmteam hat in Budapest einen Bahnhof gefunden, der den Erfordernissen des Drehs entsprach und fantastische Bildeinstellungen gefunden. Es wurde auf digitale Bilder völlig verzichtet und nach den Sehgewohnheiten der 60-er bis 70-er Jahre gedreht, um größtmögliche Authentizität zu erreichen. Die Szenen, die im Jahr 1997 spielen, unterscheiden sich in Kameraführung und Montagetechnik entsprechend.

Aus dem Zusammenspiel von hervorragender Leistung der Autoren, des Regisseurs, der Schauspieler und Techniker ist ein filmisches Meisterwerk entstanden, das einen entsprechenden Platz in der Filmgeschichte finden dürfte.


Helga Fitzner - 28. September 2011
ID 5405

Weitere Infos siehe auch: http://movies.universal-pictures-international-germany.de/eineoffenerechnung/


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