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DVD-Kritik

Mein Onkel, der

Hollywoodstar



Bewertung:    



Montgomery Clift (1920-1966) war ein charismatischer und attraktiver US-Filmstar, um den sich noch heute zahlreiche Mythen ranken. Der vierfach oscarnominierte US-Amerikaner verkörperte eine neue Art von Männlichkeit im Filmgeschäft. Er spielte verletzliche und gebrochene Männer, sensible Rebellen und emotional fürsorgliche Idealisten. Er wurde oft mit Marlon Brando und James Dean verglichen, die wie er nach dem Ansatz des Method Acting arbeiteten; eine US-amerikanischen Variante des Naturalismus und instinktiven Realismus im Schauspiel, bei dem die Darsteller mit Erinnerungen an eigene Erlebnisse und mit Entspannungstechniken ihre Rollen verkörpern. Er war Filmpartner von Größen wie Elizabeth Taylor, Marilyn Monroe oder Olivia de Havilland, arbeitete für Regisseure wie Alfred Hitchcock oder Elia Kazan. Heute ist seine Homosexualität kein Geheimnis mehr, doch wurde seine Hollywoodkarriere zuletzt durch Intoleranz und Homophobie deutlich erschwert.

Anlässlich von Montgomery Clifts 100. Geburtstags erschien am 17. Oktober 2020 ein abendfüllender Doku-Film, der mit zahlreichen in Umlauf gebrachten Gerüchten aufräumt. Bei Making Montgomery Clift führten Robert Clift und Hillary Demmon Regie, beide schrieben auch das Buch und produzierten den Film. Robert Clift ist Montgomery Clifts jüngster Neffe, Professor für Film- und Medienwissenschaft an der Universität von Pittsburgh, wo er auch Direktor des Instituts für Film- und Medienproduktion ist. Der 1974 geborene Robert hat seinen Onkel nie getroffen, da dieser bereits 1966 im Alter von 45 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb. Er wuchs mit Anekdoten über seinen berühmten Onkel auf. Er nennt seinen Onkel stets „Monty“, wie auch die meisten anderen Gesprächspartner im Film und im Folgenden auch die vorliegenden Besprechung. Robert Clift ist in einigen Szenen beim Auswerten des Doku-Materials zu sehen. Sein Vater Brooks, Montys älterer Bruder, sammelte eifrig Material über Monty, wie Zeitungsausschnitte, Sammelalben, Home Movies, aber auch Tonbänder, wo er Gespräche mit oder über Monty mit der gemeinsamen Mutter Sunny, Lorenzo James und Jack Larson, engen Vertrauten Montys und Montys Biografin Patricia Bosworth aufzeichnete. Robert Clift begleitet den Film überwiegend als Stimme aus dem Off.

Vor dem Hintergrund zweier populär gewordener Biografien Montgomery Clifts, Robert LaGuardias Monty. A biography of Montgomery Clift (1977) und Patricia Bosworths Montgomery Clift: A Biography (1978) stellt Robert Clift das Leben seines Onkels vor und setzt zugleich Bezüge zur Medienrezeption. Monty hatte zusammen mit dem älteren Bruder Brooks und einer Schwester eine unkonventionelle Kindheit mit Reisen durch Europa und Privatlehrern. Montgomery Clifts Mutter Sunny war wegen Robert LaGuardias Biographie, die eine freudianische Perspektive zu Monty einnimmt und bei Monty einen Ödipus-Komplex nahelegt, sehr unglücklich und empfand vieles als Abwertung ihrer Erziehung. Sie erklärt im Gespräch mit Brooks, dass enthaltene Anschuldigungen schamlose Lügen seien. Brooks begleitete und förderte dann die Entstehung der zweiten Biografie durch Patricia Bosworth intensiv. Bosworth hatte Monty als Fünfzehnjährige kennengelernt, weil ihr Vater kurze Zeit sein Anwalt war. Seitdem schwärmte sie für ihn und verfolgte sein filmisches Schaffen.

Brooks war es wichtig, dass Biografen Monty seriös als unabhängigen Künstler und seine Ansätze im Schauspielerhandwerk porträtierten. Montgomery Clift gab sein Theaterdebüt 1935 im Alter von 14 Jahren. Er tourte in Kompanien, spielte auf dem Broadway und fotografierte während der Proben. Robert Clift gefallen besonders Montys Selbstporträts aus dieser Zeit, bevor er berühmt wurde. Monty lernte bei einigen der großen Namen der Geschichte des amerikanischen Theaters wie Tallulah Bankhead, Frederic March, Thornton Wilder oder Lynn Fontane. Bereits 1938 wurde Monty die Hauptrolle in Hollywoods The adventures of Tom Sawyer angeboten, die Monty ablehnte. Seine Filmkarriere begann mit Howard Hawks Panik am roten Fluß (1948) an der Seite von John Wayne. Eine latent homoerotische Szene mit Monty aus diesem Western wird wiedergegeben: Monty zeigt einem anderen Cowboy seinen Revolver und lässt ihn damit hantieren, während er sein Gegenüber versonnen anblickt. Robert Clifts Stimme aus dem Off: „Das ist so viel Brokeback Montain, wie es damals möglich war.“ Für seine Rolle in Die Gezeichneten aus dem gleichen Jahr erhielt Monty seine erste Oscarnominierung. Die Doku zeigt eine anrührende Szene aus diesem Film, in der ein kleiner Junge minutenlang an Montys Brust weint und letzterer ihm Mut zuspricht. Montgomery Clift wird in seiner Karriere mehrfach Filmrollen ablehnen, für die andere und an seiner Stelle besetzte Männer oscarnominiert oder sogar –prämiert wurden, wie Angebote für Mrs. Miniver (1944), Sunset Boulevard (1950), Die Faust im Nacken (1954), Jenseits von Eden (1955) und Die Brücke am Kwai (1957). Er war wählerisch und lehnte in einem Jahr gar vierzehn Filmprojekte ab. In der Doku erzählen die Gesprächspartner, dass Monty seine Entscheidungen trotzdem nie bereute.

Der eigene Rollengeschmack war Monty wichtig, der stets als Freelancer in Hollywood arbeitete. Er weigerte sich auch, einen bindenden 7-Jahre-Standard-Exklusivvertrag für mehrere Produktionen in einem Studio zu unterschreiben. Dann hätte er keinen Einfluss auf die Wahl der Rollen gehabt und seine Karriere wäre festgelegt gewesen. Er erweiterte zudem die Idee davon, was Schauspieler sein können und setzte besondere Genehmigungen in Verträgen, wie die selbstständige Arbeit am Skript und das Ändern von Dialogen, durch. Teilweise ging er bei seinen Rollen sogar wie ein Regisseur vor. Dem Studiosystem war Montys Freiberuflichkeit sehr unbequem. Er konnte sie sich nur erlauben, weil er wegen seines Talents viele Jahre als umworbener Publikumsmagnet galt.

Die Doku zeigt Schwarzweiß-Bilder vom Warner Brothers Gelände aus der damaligen Zeit und wechselt immer wieder zur Gegenwart. So unterhält sich Robert Clift auch mal mit seinen Brüdern Woody und Eddie Clift über das eigene Männlichkeitsgefühl und den gemeinsamen Vater Brooks, der 1986 im Alter von 68 Jahren verstarb. Brooks Clift diente im Zweiten Weltkrieg, befreite Gefangenenlager und arbeitete später als hartnäckiger Geheimdienstoffizier, der ehemalige SS-Offiziere verfolgte. Aufgrund dieser Geheimdiensttätigkeit erscheint es Robert Clift irgendwie verständlich, dass sein Vater private Gespräche unangekündigt auf Tonband aufzeichnete, was übrigens auch Monty selbst gemacht haben soll. Monty hatte 1956 einen schweren Autounfall. Seine Karriere bekam jedoch erst 1962 einen Knick, als der einflussreiche Regisseur John Huston ihn verklagte. John Huston hatte Probleme mit Clifts Homosexualität. In der damaligen Zeit war Homosexualität eine kriminelle Straftat und das Sittendezernat führte homosexuelle Akten. Huston strengte einen Gerichtsprozess an, weil Montgomery Clift angeblich launenhaft, unzurechnungsfähig und unzähmbar gewesen sei und seine Produktion von Freud (1962) als Hauptdarsteller behindert habe. Monty gewann den Prozess, erhielt jedoch vier Jahre lang keine Filmengagements mehr. Monty geriet in Isolation, Verzweiflung und Abhängigkeiten von Drogen und Alkohol. Nach einem Herzinfarkt 1966 liegt Monty heute in einem sehr schlichten Grab im Quaker Cemetery, New York City, direkt neben seinem Bruder Brooks.

Die Doku macht neugierig auf die alten Filme mit Montgomery Clift. Monty wird als aufrichtiger, herzlicher, würde- und humorvoller Mensch gezeichnet, der selbst nie ängstlich oder homophob war, die eigene Homosexualität jedoch eher im Privaten lebte. Robert Clift macht deutlich, dass vor allem Medien und Biografen Montys Sexualität nach dessen Tod zur konfliktreichen Tragödie stilisierten und hier eine Abwärtsspirale aus Selbsthass und Selbstverneinung, den „Slowest suicide in Showbusiness“ hineininterpretierten. Robert Clift kritisiert hier das Reißerische und Unfaire der Medien und hofft auch, dass es kein ähnlich konzipiertes Kino-Biopic zu Montgomery Clift geben wird, wie es bereits mehrfach angekündigt wurde, wahlweise mit Wes Bentley oder Matt Bomer in der Titelrolle. Nichtsdestotrotz lässt Robert Clift in seiner Doku auch den Drehbuchautor Michael Easton und die Produzenten Vincent Newman und Tucker Tooley über den geplanten Film Beautiful Loser über Montgomery Clift sprechen.

Leider ist die Doku nur in der englischen Originalfassung verfügbar und wechselnde deutsche Untertitel werden sehr schnell eingeblendet. Einige eingespielte Interviewaufnahmen mit Montgomery Clift enthalten ein nur verschwommenes Bild und waren wohl nur in schlechter Qualität verfügbar. Auch ist die Herkunft eingespielter Szenen – ob nun Filmszenen, Homevideos oder Interviews – oft nicht deutlich kenntlich gemacht (Schnitt: Hillary Demmon). Im Bonusmaterial findet sich immerhin noch der 14-minütige, freche und experimentvolle Kunstfilm David, Montgomery und ich (1980) von Wieland Speck.



Montgomery Clift | Foto © Missing Films

Ansgar Skoda - 27. Dezember 2020
ID 12672
https://www.missingfilms.de/index.php/filme/14-filme-katalog/313-making-montgomery-clift


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