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Feuilleton

Rudi Carells =Quizzling=
Kannibalisierung in der Zuckerweihnacht


(Bild: Florian Silbereisen. Moderator in \"Am laufenden Band\", ARD, 2. Dezember 2006


Text: Malte Olschewski:

Es kamen keine Schmerzenschreie aus dem Publikum. Und auch ein Donnergrollen aus der Chefetage ist nicht berichtet worden. Keine Fluchtbewegung aus der Zwickauer Stadthalle. Kein rasender Protest gegen eine derartige Verspottung von Intelligenz und Ästhetik. Nicht ein Wörtchen Widerspruch gegen die offensichtlichen Lügen und Manipulationen in der Show, in der das ARD am ersten Advent den jungspundischen Salonbayern und =Quizzling= Florian Silbereisen in eine Weihnachtslandschaft aus Plastik entsandte. Er verriet sein Vorbild Carell, indem er Watte über Zucker häufte. Es war zum Lachen und auch zum Fürchten, denn da man den Tiefpunkt der TV-Shows schon erreicht zu haben schien, geht es weiter hinab in Abgründe aus Kitsch, Dummheit und Sacharin.

Die fragenden Ritter aus den Quizshows =Dallidalli=, =Einer wird gewinnen= oder =Der Grosse Preis= sind vom Bildschirm gewichen oder sonstwie verblichen. Man hat vergeblich versucht, diese Sendungen zu reanimieren. Das ist nicht gelungen, weil die Projekte zu stark auf die =Master= wie Joachim Kuhlenkampf zugeschnitten waren. Auch die Tele-Kannibalisierung des kürzlich verstorbenen Quizzologen Rudi Carell ist gründlich misslungen. Man wollte den bisherigen Ansager der Volksmusik als Nachfolger Carells testen, was grausam im weihnachtlichen Kunstschnee gescheitert ist. Dem blond gelockten Nachwuchs aus Hintertupfing fehlt jeder Humor und jede Improvisationsgabe, die das Treiben seiner Vorgänger noch halbwegs erträglich machte. Er huschte durch die überzuckerte Kulisse, um die Kandidaten mit den absolut blödesten Aufgaben und Fragen zu konfrontieren, die je im deutschen Fernsehen zu sehen waren. Man möge einen Weihnachtbaum dekorieren. In diesem verbarg sich tückischerweise ein als Santa Claus verkleideter Liliputaner, um so eine Schrecksekunde zu erzeugen. Ein Esel und ein Rind mussten mit Karotten durch eine Art Slalom gelockt werden. Die Kandidaten hatten mit auf den Köpfen gebundenen Kannen Adventskerzen zu löschen. Sie hatten Melodien zu summen, die von den Konkurrenten erkannt und benannt werden mussten. Sie hatten in Gestik Schlagersänger wie Nana Mouskouri, Tina Turner oder andere nachzuahmen. Das dabei angeblich eingesetzte Applausometer (i.e. Messung des Beifalls) schlug in allen Fällen an die gleichen Werte. In dem völlig unergründlichen Drehbuch hatte eine mit dicker Watte gepolsterte Figur auf einem Seil zu balancieren, das von zwei sinnlos aus der Kulisse geeilten Teams gehalten wurde. Zwischen den Nummern wurde heftig und süßlich gesungen, worauf sich auch bald Karel Gott mit zuckrigem Jubel einstellen durfte. Die Regensburger Domspatzen auch. Einige andere auch noch. Die heftigen Dosen Telesacharin mögen in Einzelfällen zu einem gestrigen Koma geführt haben, da ein von Engelschören umsäuselter Sandmann über die Bühne stapfte.

Wer auf eine Wiederholung der fallweise lustigen Sequenzen aus den Carell-Sendungen gehofft hatte, wurde schlimm enttäuscht. Von Carell oder seinen bestens Gags war nichts zu sehen. Man hat mit dem Titel seiner Sendung (=Am laufenden Band=) ein TV-Publikum angelockt, um silbernes Eisen zu testen. Ganz neben der Qualität solcher Sendungen ist eine Schamlosigkeit bei Ausnutzung des auf immer applaudierenden Saal- oder TV-Publikums auffallend. Mitten in das Winterwonderland wurde plötzlich die frohe Botschaft eingeblendet: =Florian weiß nicht, dass er selbst gleich überrascht wird.= Potzblitz! Schon läutet die Christkindl-Hotline. Und schon schreitet Mireille Matthieu in das florianische Weihnachten, um auch gleich mit dem Meister ein gut einstudiertes Duett zu trällern. Nein, so was von einer Überraschung! Da sind aber gleich die =Zipfelbuben= zur Stelle, um ein für alle Mal festzustellen: =Was wünschst Du Dir...parapapapapam ...Weil Du doch alles hast... Fällt's mir so schwer...= Und als gefährliche Drohung ist das Lied gegen Schluss zu nehmen: =Weil wir uns so gut verstehen, müssen wir uns wieder sehen.....=

Malte Olschewski - red / 5. Dezember 2006
ID 00000002836
Die Sendung "Am laufenden Band" lief im ARD am 2. Dezember 2006

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