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Rezension

Sterben in Schönheit - Rainer Maria Rilke/Jörg Schnabel: "Die weiße Fürstin" (Uraufführung)





Überraschend geht es los bei dieser zweiten Aufführung von Rainer Maria Rilkes szenischem Gedicht Die weiße Fürstin im Erholungshaus Leverkusen (die Uraufführung fand am 22.01.2011 statt). Der Weg der Zuschauer führt nicht in den Zuschauerraum, sondern hinter die Bühne. Hier geht es dann allerdings konventionell weiter: Es gibt einen kleinen Bühnenraum, der mit schwarzem Molton ausgehängt ist, und für die Zuschauer ist eine Tribüne mit Sitzplätzen errichtet worden.

Wenig Überraschendes auch in der Aufführung. Sie ist geprägt von edler Schönheit und Statik. Der Text wird zelebriert, die Gänge abgeschritten, das alles vor einer weißen Stoffbahn, die dekorativ von einem Zug herunterhängt und sich bis zur ersten Publikumsreihe ergießt. Über alledem schwebt ein Kronleuchter.

Das sieht alles äußerst ansprechend aus, führt aber zu gepflegter Langeweile und Emotionslosigkeit. Rilkes Text von 1898, der von einer Frau handelt, die sich – trotz Ehe – für ihren Geliebten aufgespart hat und ihn nun sehnsüchtig erwartet, tut sein Übriges zu dieser leblosen Stimmung. Ein merkwürdiges Ding ist dieser Text, eine Mischung aus szenischer Situation (die Fürstin unterhält sich mit ihrem Diener und ihrer Schwester) und Innenschau. Dazu kommt in Gestalt eines Boten, der einen Brief überbringt, ein Bericht über die Situation in der unmittelbaren Umgebung der Fürstenvilla, die geprägt ist von Raub und Mord. Während bei Monna Lara, der Schwester der weißen Fürstin, die Empörung über das vom Boten Berichtete dazu führt, helfend eingreifen und den Armen und Schwachen Schutz gewähren zu wollen, vertragt ihre Schwester jede Hilfe auf den nächsten Tag. Denn dieser Tag gehört ihrem Geliebten, der als Figur allerdings nicht auftaucht. Und so erstarrt das Ganze nach dem durchaus erschütternden Bericht über die Unruhen in einer bizarren Aktionslosigkeit.

Unter dieser hybriden Struktur und merkwürdigen Ziellosigkeit des Textes hat vor allem Marie Simone Bascoul als weiße Fürstin zu leiden. Ihr gelingt es leider im Laufe der gut einstündigen Aufführung auch nicht, das Seelenleben ihrer Figur interessant zu gestalten. So bleibt der Eindruck einer dekorativen Mamorstatue. Sehr viel lebendiger und menschlicher gibt Fiona Metscher deren Schwester, voller kindlichem Elan und Aktionismus und dennoch unsicher, wenn es um ihre Emotionen und Sehnsüchte auf dem Weg zum Erwachsensein geht. Überzeugend auch Stefan Bockelmann als Bote. Wenn er davon berichtet, welches Elend er auf dem Weg zur Fürstin gesehen hat, der er die Nachricht des Geliebten überbringt, wird das Geschehen plastisch, Emotionen werden erleb- und nachfühlbar.

Dass diese Passage aufrüttelt, liegt auch an Jörg Schnabels Komposition, die sich zu Rilkes Text gesellt. Es handelt sich nicht um eine durchgängige Komposition, vielmehr akzentuiert Schnabels Musik, die vom renommierten Signum Quartett interpretiert wird, einzelne – besonders emotionale – Momente des Textes. Sind zu Beginn Musik und Text eher voneinander getrennt, schieben sie sich im Laufe des Abends mehr und mehr ineinander, so dass die Erzählung des Boten wie ein Melodram wirkt. Und eben dies sind die Momente, in denen etwas entsteht, das über den Text hinausweist, interessiert und sich einbrennt.

Leider macht Hanfried Schüttlers Regie zu wenig aus diesem Material. Die Personenregie bleibt merkwürdig statisch und leblos. Eine wenig glücklich Entscheidung auch – wenngleich vermutlich aus praktischen Gründen der Akustik notwendig –, Musiker und Schauspieler elektronisch zu verstärken, denn auch das rückt das Geschehen weit weg. Das Engagement von Bayer Kultur, diese Uraufführung zu ermöglichen, ist aller Ehren wert. Die Aufführung aber stirbt in dekorativer Schönheit.

Karoline Bendig - red. 20. April 2011
ID 00000005168
DIE WEISSE FÜRSTIN (Erholungshaus Leverkusen, 19.04.2011)
Regie: Hanfried Schüttler
Bühne, Kostüme: Annette Wolters Perryman
Licht: Dieter Pogadl
Dramaturgie: Anna Bott
Mit: Fiona Metscher, Marie Simone Bascoul, Christa Strobel; Stefan Bockelmann
Signum Quartett: Kerstin Dill (Violine), Annette Walther (Violine), Xandi van Dijk (Bratsche), Thomas Schmitz (Cello)
Uraufführung war am 22. Januar 2011



Siehe auch:
http://www.kultur.bayer.de


Post an die Rezensentin: karoline.bendig@kultura-extra.de



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