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Opernkritik

Schrecken

ohne Ende



Giorgos Kanaris als Kaiser Overall in Der Kaiser von Atlantis an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

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Ist Unsterblichkeit wirklich ein Gewinn für den Menschen? Oder liegt in der Möglichkeit des eigenen Todes nicht vielleicht manchmal auch ein Trost? Könnte es nicht vielmehr einer Dystopie gleichkommen, wenn die eigene Vergänglichkeit infrage steht? Viktor Ullmann (1898-1944) widmet sich in seiner subtilen Oper Der Kaiser von Atlantis diesem komplexen Themenfeld. Dieses Werk eröffnete (als Koproduktion mit dem diesjährigen BEETHOVENFEST BONN) die neue Spielsaison auf der kleinen Bühne im Opernhaus, der sogenannten Werkstatt.

Der selten gespielte Einakter des jüdischen Komponisten Ullmann entstand 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt. Die Nationalsozialisten hatten hier ab 1942 kulturelle Veranstaltungen explizit erlaubt, um dem Ausland eine Harmlosigkeit der Lager vorzutäuschen. Ullmann und sein Librettist Peter Kein kamen jedoch über die Probenarbeit nicht hinaus. Sie wurden nach Ausschwitz deportiert und dort ermordet. Ullmanns Kurzoper lässt sich vollumfänglich nur vor dem Hintergrund seiner Entstehungszeit eingedenk der schweren Schicksale seiner Schöpfer rezipieren. Im KZ Theresienstadt waren die jüdischen Häftlinge täglich mit unerbittlichen Lebensumständen und dem überall lauernden Tod konfrontiert.  

*

Ullmann gestaltete seine Geschichte um einen Kaiser Overall (Giorgos Kanaris) im mythenumwobenen Atlantis. Dieser Kaiser ruft größenwahnsinnig den totalen Krieg aller gegen alle aus. Doch er hat seine Rechnung ohne den Tod (Leonard Bernad) gemacht. Der Tod fühlt sich entehrt und stellt seine Arbeit prompt ein. Er versagt dem Kaiser die Gefolgschaft. Erschossene bleiben fortan am Leben, und einstige Feinde schließen just Freundschaft. Ullmanns resignative Satire entbehrt nicht des Witzes - trotz der düsteren Umstände angesichts der realen Ohnmacht ihrer Schöpfer mit Blick auf das nationalsozialistische Regime.

Helmut Brade stattet die Werkstatt-Bühne mit weiß angemalten und rundherum platzierten Koffern aus, die durch dunkle Nummerierungen an Konzentrationslager erinnern. Weiß erscheint auch der Tod, der im Anzug auftritt. Einen dunklen Anzug trägt hingegen der Kaiser, der sich hingebungsvoll seinem Laptop und seinem Smartphone widmet, während sein Trommler – eine ebenfalls krawattentragende Art Chefsekretärin (Charlotte Quadt) – routiniert, behände und kalt Papiere sortiert und Beschlüsse stempelt.

Obwohl die Personenführung von Regisseurin Seollyeon Konwitschny eher sparsam erscheint, gelingt es den Solisten, musikalisch und darstellerisch stilsicher Akzente zu setzen. Insbesondere Leonard Bernad sticht in der Rolle des Todes mit kräftigen, fein akzentuierten Bass und würdevollen Auftreten hervor. Die Instrumentalisten des kammermusikalisch besetzten Beethoven Orchesters unter der Leitung von Hermes Helfricht leuchten die Partitur spannungsvoll farbenreich aus.

Dramaturgisch wenig plausibel wird die Vorführung leider nach dem dritten Bild zweimal unterbrochen, wenn Bühnenarbeiter einen Konzertflügel inmitten der Bühne platzieren und später wieder wegräumen. Auf diesem interpretiert in einer Art Zwischenspiel der junge kanadische Pianist Ben Cruchley die Klaviersonate 27. April 1945 von Karl Amadeus Hartmann. Hartmann verarbeitete in seiner Komposition von 1945 Empfindungen, die er damals als Zeuge des Evakuierungsmarsches aus Dachau hatte. Cruchleys halbstündige, fließende Interpretation der vier unterschiedlich schnellen Sätze der Sonate sind stimmungsvoll und präzise, haben jedoch in ihrer Leichtigkeit eine gänzlich andere musikalische Wirkung als Ullmanns Oper. Hier entsteht durch das lange Zwischenspiel eine Spannungspause, die der Vorführung der mutigen Parabel auf das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg mit dem Kaiser-Diktator schwerlich guttut.



Der Kaiser von Atlantis an der Oper Bonn | Foto © Thilo Beu

Ansgar Skoda - 21. September 2018
ID 10928  
DER KAISER VON ATLANTIS (Werkstatt, 16.09.2018)
Musikalische Leitung: Hermes Helfricht
Regie: Seollyeon Konwitschny
Aussattung: Helmut Brade
Licht: Thomas Roscher
Besetzung:
Klavier … Ben Cruchley
Kaiser Overall … Giorgos Kanaris
Der Lautsprecher / Tod … Leonard Bernad
Harlekin / Pierrot / Soldat … Christian Georg
Bubikopf / Mädchen / weibl. Soldat … Rose Weissgerber
Der Trommler … Charlotte Quadt
Beethoven Orchester Bonn
Uraufführung in De Nederlandse Opera war am 16. Dezember 1975.
Premiere an der Oper Bonn: 7. September 2018
Weitere Termine: 22.09. / 12., 26.10.2018


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


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