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Geiselgesang im türkischen Harem



Die Entführung aus dem Serail an der Deutschen Oper am Rhein | Foto © Hans Jörg Michel

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Als erste „echte“ deutsche Oper bezeichnen Musikliebhaber Mozarts dreiaktiges Singspiel Die Entführung aus dem Serail von 1782 oft. Das Auftragswerk für Kaiser Joseph II. stellte der italienischen Oper erstmals eine eigenständige deutschsprachige Alternative gegenüber. Gleichzeitig entführte Mozart mit seinem Werk auch in ferne Milieus und regte die Imaginationskraft des Publikums für Bildwelten des Orients an. Denn das Wort Serail kommt aus dem Persischen und steht für den Palast eines türkischen Herrschers. Obwohl in deutscher Sprache gesungen wird und so keine Übertitel angeboten werden, trägt sich ein Großteil der Handlung in einem türkischen Harem zu. Für orientalisches Flair sorgt eine exotisch anmutende Instrumentierung mit Becken, Großer Trommel, Piccoloflöte und einer Triangel.

*

Im Opernhaus Düsseldorf wurde nun aufgrund eines technischen Defektes András Fricsay Kali Sons Inszenierung als semikonzertante Aufführung ohne Bühnenbild angeboten. Die Düsseldorfer Symphoniker waren dabei auf der Bühne platziert, und zwei improvisiert eingesetzte Blumenkübel mit kleinen Palmen markierten die Palastmauern. Ohne die ursprünglich vorgesehene aufwendige Bühnengestaltung lag der Fokus noch mehr auf der Entwicklung der Figuren und der komplexen Personenkonstellation.

Der Spanier Belmonte sucht seine entführte Geliebte. Konstanze wurde zusammen mit ihrer Dienerin und Freundin Blondchen und Belmontes Bediensteten und Gefährten Pedrillo verschleppt. In der Türkei trifft Belmonte auf den abweisenden Osmin, der keine Christen mag. Bevor es zu einer größeren Auseinandersetzung mit dem groben Aufseher über das Landhaus des Bassa kommt, taucht überraschend Pedrillo auf. Er hilft seinem Herrn aus einer möglichen Bedrouille. Beide ziehen sich zurück. Der muslimische Herrscher Bassa Selim, der früher mal Spanier und Christ war, erscheint auf der Spielfläche. Das Volk huldigt ihm vor den Toren seines Palastes voller Ehrerbietung und Lobpreis. Doch eine verschleierte Frau im Hintergrund schmückt sich mit auffallender Zurückhaltung. Konstanze, von Bassa als neueste Nebenfrau für seinen Harem auserwählt, gesteht ihm ihre Liebe zu Belmonte. Der zurückgewiesene Bassa ist in seiner Eitelkeit tief verletzt. Er verlangt Dankbarkeit für seine Großmut und droht Konstanze, ihr das Leben in seinem Harem zur Hölle zu machen, sollte sie sich nicht alsbald seiner Gunst willig erweisen. Pedrillo fädelt später mit Belmonte das Wagnis eines Fluchtplans für Konstanze, ihn und seine Geliebte Blondchen aus.

Der finnische Tenor Jussi Myllys gestaltet den Belmonte elegant als empfindsam-pathetischen Adligen mit glanzvollem Schmelz in der Stimme. Schwärmerische Betrachtungen, Gefühle und Sorgen kulminieren in solide phrasierten Arien von vokalem Verve und großer Intensität, wie etwa das rundum leuchtend und kraftvoll vorgetragene „O wie ängstlich, o wie feurig“. Heidi Elisabeth Meier mimt die treue, aber in tiefster Bedrängnis hoffnungslos schmachtende Adlige Konstanze anrührend mit geschmeidigem, fein timbriertem Sopran. Gewandt meistert sie in sämtlichen dynamischen Bereichen die nuancenreichen Koloraturen und Verzierungen in den Höhen und verleiht so etwa der von Todessehnsucht und Empfindsamkeit geprägten Arie „Marter aller Arten“ eine eigene Grandezza. Sibylla Duffe gibt ihre Dienerin und Vertraute Blonde als liebenswertes Temperamentbündel mit heiter-optimistischem Auftreten. Mit erstaunlich beweglicher, anmutig leuchtender Sopranstimme bezirzt sie den Haremswächter Osmin, um ihn gleich darauf mit der weiblichen Emanzipation zu konfrontieren. Enorm vital und sinnlich-lebensfroh lehnt sie sich vehement gegen ihre Entführer auf und springt während ihres selbstsicher betörenden Gesanges sogar über Palmenkübel und schlägt gar voll natürlicher Spielfreude ein Rad. David Steffen überzeugt in der Rolle des ewig-aufgeregten und tumben Oberwächters Osmin mit mannigfaltigen, finsteren Drohungen im Koloratur-Bass. Bedroht vom heißbegehrten Blondchen berstet er bei leichtfüßigen Wutarien wie „O! Wie will ich triumphieren“ vor heftigem Zorn in tiefsten Untiefen. Die starke Solistenriege erweitern noch der Schweizer Tenor Cornel Frey als gewitzter Pedrillo voll Aktionskraft und listiger Pläne und Stefan Wilkening als empfindsamer Pascha und schlussendlich recht großmütiger Sultan. Eine volltönende Hymne auf menschliche Großmut und die Verurteilung des Lasters der Rachsucht setzt der kurzweiligen Oper ein effektvolles und eindrückliches Ende.



Die Entführung aus dem Serail an der Deutschen Oper am Rhein | Foto © Frank Heller

Ansgar Skoda - 7. Juni 2018
ID 10740
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL (Opernhaus Düsseldorf, 02.06.2018)
Musikalische Leitung: Antonino Fogliani
Inszenierung: András Fricsay Kali Son
Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker
Chorleitung: Christoph Kurig
Spielleitung: Esther Mertel
Besetzung:
Bassa Selim … Stefan Wilkening
Konstanze … Heidi Elisabeth Meier
Blonde … Sibylla Duffe
Belmonte … Jussi Myllys
Pedrillo … Cornel Frey
Osmin … David Steffens
Chor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker
Premiere war 27. Juni 2003.
Weitere Termine: 12.06. / 13., 20., 25., 28.10. / 14.11.2018


Weitere Infos siehe auch: http://operamrhein.de


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