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Konzertkritik

47 +

WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA im Pierre Boulez Saal


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Morgen werden die jungen Musikerinnen und Musiker des West-Eastern Divan Orchestra im Großen Festspielhaus von Salzburg spielen; an der Salzach finden ja tatsächlich und gewagtermaßen die "um etwas abgespeckten" Sommer-Festspiele mit "ein paar" Einschränkungen statt, und bis paar Tage vorher war nicht klar, ob das auch wirklich dann so sein dürfte und darf, wir haben immerhin Corona (schon vergessen?)...

*

Der Konzertplan des vor 20 Jahren durch Daniel Barenboim und den mit ihm befreundet gewesenen palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward W. Said (1935-2003) ins Leben gerufenen multikulturellen Elite-Ensembles weist - wie übrigens bei nahezu allen Orchestern weltweit - Leerstellen aus, die beispielsweise wegen behördlich abgesagter Tourneen zu erklären sind; normalerweise tourt das WEDO jeden Sommer mit seinen frisch einstudierten Programmen zu den einschlägigen Festivals oder Events von Waldbühne über die BBC Proms bis nach Salzburg und Luzern etc., aber das allermeiste klappt halt diesmal aus dem allbekannten Hauptgrund nicht. Nun war (und ist?) das WEDO, ganz im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Orchestern, materiell wie personell aufs Vielfältigste aufgestellt und abgesichert, Spender und Sponsoren gibt es lt. der einsehbaren Logos nicht zu wenig, und es bleibt in dem Zusammenhang zu hoffen, dass das unbeschadet all der derzeitigen Einnahmeverluste annähernd so bliebe; aber wer will sowas aktuell prognostizieren, Fakt ist, dass es in der absehbaren Zukunft im Kultur- und Kunstbereich - von jeher "fünftes Rad am Wagen" wohl fast jeglicher Gesellschaftsordnungen - zu Kollateralschäden unabsehbaren Ausmaßes kommen könnte... Aber Schluss mit Pessimismus, denn: Wer weiß das jetzt und heute schon genau, was sein wird?!

Vorgestern und gestern gab es nun das erste Wieder-Aufeinandertreffen des Orchesters mit seinem Publikum, die drei Konzerte im Berliner Pierre Boulez Saal waren zudem "der libanesischen Bevölkerung und den Opfern der Explosionskatastrophe von Beirut" gewidmet. Auch war es die erste Wieder-Öffnung des weltberühmten Kammermusiksaals, seitdem auch hier (wie überall und nicht nur in der Hauptstadt) nach dem urplötzlichen Pandemieausbruch sämtliche Musentempel schließen mussten - das Hygienekonzept lässt ungefähr ein Viertel oder (höchstens) ein Drittel der Platzkapazität im Saal zu; auch der sonst übliche Sicherheitsabstand zwischen den MusikerInnen wird de facto eingehalten, was wiederum - besonders für den Zuhörer - zu interessanten Neuerfahrungen führt und führte:


Bei Arnold Schönbergs Kammersymphonie für 15 Soloinstrumente op. 9 hatte man es mit einer regelrechten "Entzerrung" der Instrumentalstimmen zu tun. Und saß man [so wie ich] hinter den Ausführenden, waren die diversen "Einzelbeiträge" der von dem Komponisten raffiniert und lustvoll zusammengewürfelten Bläser-Crew (Flöte, Oboe, Englischhorn, 2 Klarinetten, Fagott, Kontrafagott, 2 Hörner) besonders "voneinander abgeschnitten" und in ihrer arielhaften Transparenz erlebbar; derart luftig hatte ich das Werk bisher nicht wahrgenommen, es erzeugte Euphorie.

Nicht wenige Stücke von Pierre Boulez fallen v.a. auch durch ihre ambitionierte Titelgebung auf, Mémoriale (... explosante-fixe ... Originel) wäre so eins, und es gibt werkbegleitende und wegweisende Übersetzungs- oder Interpretationsansätze; googelt man hiernach, wird man sofort mit diesbezüglichen Geleitworten und -sätzen aufgeklärt, also wer mag... / Tomer Amrani lieferte den Solopart auf seiner Querflöte, ja und es war und ist gerade mal ein überschaubar-kurzes aber umso kurzweiligeres und schönes Opus aus dem respektablen Werkefundus des Franzosen.

Dann gab's eine Umbaupause, und für 47 Leute plus den Dirigenten mussten Stühle und Notenpulte ergänzt und umgerückt werden, und die Seite wurde auch gewechselt, d.h. die andere Hälfte des Saales saß jetzt [so wie ich] vor dem Orchester; auch nicht schlecht.

Wagners Siegfried-Idyll entfaltete sich so in all der ihm gebührenden kitschigen Atmosphärigkeit - ich musste zwanghaft und sogleich an die nicht minderkitschige obgleich absichtlich so gemeinte Atmosphärigkeit der Villa-Wahnfried-Szene aus Viscontis Ludwig II. denken, wo Silvana Mangano kitschig-atmosphärisch das Geburtstagsständchen ihres väterlichen Liebsten Trevor Howard entgegennahm, während die Musi hierzu spielte; herrlich!! / Wahrhaft und geradezu erschütternd-schön die 47 jungen Leute, wie sie da, fast schon zum Greifen nah, vor einem musizierten - DAS ist Leben.

Die sog. "Große Fuge" - eigentlich von Beethoven als Final-Satz eines seiner letzten Streichquartette gedacht - wollte und will man sicher ausschließlich in ihrer Originalbesetzung (für 2 Violinen, Viola und Violoncello) zur Kenntnis nehmen; ihre breiig-grauenvolle Aufgeblasenheit durch Felix Weingartner (1863-1942), der eine Bearbeitung für Streichorchester erstellte, tut den Ohren und dem Geist arg weh; wenigstens hatte man sie jetzt, quasi zum Abgewöhnen, auch mal live gehört.




Nach Wagners Siegfried-Idyll mit dem West-Eastern Divan Orchestra (Dirigent: Daniel Barenboim) im Berliner Pierre Boulez Saal am 14. August 2020 | Foto: © Peter Adamik

­Andre Sokolowski - 15. August 2020
ID 12396
WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA (Pierre Boulez Saal, 14.08.2020)
Arnold Schönberg: Kammersymphonie für 15 Soloinstrumente op. 9
Pierre Boulez: Mémoriale (... explosante-fixe... Originel) für Flöte und Ensemble
Richard Wagner: Siegfried-Idyll WWV 103
Ludwig van Beethoven: Große Fuge B-Dur op. 133 (Bearbeitung für Streichorchester von Felix Weingartner)
Tomer Amrani, Querflöte
West-Eastern Divan Orchestra
Dirigent: Daniel Barenboim


https://boulezsaal.de/

https://west-eastern-divan.org/


http://www.andre-sokolowski.de

BEETHOVEN 250

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