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Konzertkritik

Phänomen

Eschenbach



Christoph Eschenbach | Foto (C) Marco Borggreve

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„Ein Fest für Christoph Eschenbach“ - zum 80. Geburtstag des Dirigenten - veranstaltete das Konzerthaus mit seinem Orchester, vielen internationalen Gästen und: Christoph Eschenbach. Die Veranstaltungsreihe schloss mit einem Konzert, in dem der Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin die Dritte von Johannes Brahms und dessen „Sinfonie mit Klavier“, das zweite Klavierkonzert, präsentierte; beides Werke, die zwischen 1882 und 1883 vollendet wurden. - Zu Anfang des Programms gratulierte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (PdL) dem „Geburtstagskind“ und überreichte zwei Bücher als Geschenk: ein geschichtliches zu „Ostberlin“ („Ich bin ja ein Ossi“, sagte der Senator) und ein „beziehungsgeschichtliches“ über den Kulturzug zwischen Breslau und Berlin, denn Christoph Eschenbach stammt aus Breslau/Wroclaw.

Das Konzerthaus spricht in seinen Veröffentlichungen von einer „neuen Ära“, die mit Amtsantritt des weltweit renommierten Künstlers, den Berlin für den Posten am Gendarmenmarkt gewinnen konnte, mit dieser Spielzeit begonnen habe. Und zurecht! Es war das erste Mal, dass Schreiber dieses den Klangkörper unter seinem neuen Leiter erleben konnte – und er hatte dieses Orchester schon oft gehört, auch einst unter Kurt Sanderling. Aber noch nie so strahlend und dermaßen lebendig! Wundervoll satte Klänge im Piano der Streicher, die orgiastisch strömende Fülle der Harmonien, gesättigt von den acht Kontrabässen - in einer Reihe erhöht über dem Orchester -, das blitzende Strahlen der Bläser und nicht zuletzt die sichtbare Freude der Musiker beim Spiel, all das war offensichtlich keiner Effekthascherei zu danken, sondern einem wohl durchdachten Musizieren. Da überrascht es nicht, wenn Eschenbach seinen Wunsch, die Brahms-Sinfonien bei dieser Gelegenheit wieder aufzuführen, mit seiner lebenslangen Kenntnis der Werke begründet. Dieses Konzert war wirklich ein Fest! Bereits den Eröffnungssatz der Dritten Sinfonie in der Pastoral-Tonart F-Dur durchstrahlte eine „heroische“ Elektrizität, die sich nur im Schlusssatz noch zu steigern schien. Selbst der dritte Satz mit seiner berühmten Sehnsuchts-Melodie schwamm nicht, wie so oft, in süßlicher Sentimentalität davon, sondern blieb bei aller Wärme, allem Gefühlsreichtum, wunderbar gestrafft.

Man fragt sich ernsthaft, woher Eschenbach, dieser Mann von 80 Jahren, eine solche Energie nimmt, die nach 5 (fünf!) hoch anspruchsvollen Konzertprogrammen (mit zwei Orchestern!) innerhalb nur einer Woche, manch jugendliche Kollegen ob der Strapazen hätten erschlaffen lassen. Nicht so Christoph Eschenbach, der mit wahrhaft jugendlicher Agilität und gleichzeitig stählerner Souveränität seines Geistes alle Kräfte bündelt, lenkt und formt, dass es – ja: ein Fest ist, ein geistig-sinnliches Fest! Dieses Phänomen in Worte zu fassen, fällt schwer, denn die Faktoren Mäßigung, Kontrolle, Bändigung und enorm fortreißende, drängende Kraft, schier sengende Intensität scheinen sich zu widersprechen. Gerade aber zwischen diesen Polen entfacht sich die Faszination: keine Sekunde lässt die Aufmerksamkeit nach und atemlos ist man durch die vier Sätze der Sinfonie mitgerissen, um an ihrem Schlussakkord erstaunt festzustellen, welches Musikereignis man gerade atemlos miterlebte. Eschenbach, und man schreibt solches mit Staunen, gelingt die Balance zwischen romantischer Leidenschaftlichkeit und klassisch strenger Transparenz, sicher dank überragender Regie der Dynamik. Anscheinend mit dem Körper eines Jünglings modelliert Eschenbach die Figuren, Brüche und Steigerungen des Werkes, jeden Gefühlsstrom bis an den Grund auskostend, doch stets akkurat, präzise, stets unbestechlich die Architektur des Ganzen fest im Blick!

Eschenbach hielt, wie es mir vorkam, die Zügel im zweiten Teil des Abends mit dem gewaltigen, viersätzigen Klavierkonzert, zugunsten des extrem anspruchsvollen Soloparts um einen Hauch gelassener. Tzimon Barto allerdings spielte dieses Monumentalkonzert mit überragender Leichtigkeit und Wucht! Das Orchester blieb im Wechsel an körniger Schärfe nichts schuldig (hochdramatisches Pseudo-Fugato im zweiten Satz, was für Akzente!). Überhaupt zeigte sich die kluge Konzeption des Programms, denn das umfangreichere Konzert bringt – völlig anders als die Sinfonie zuvor - sogleich den Kampf zweier gegensätzlicher Themen; und auch der nächste Satz (ein regelrechtes Scherzo mit Trio, eben wie in einer Sinfonie) basiert auf der Sonatenhauptsatzform. Wenn dann das liedhafte Andante mit seinem seelenvoll-poetischen Cellosolo (berührend Stefan Giglberger!) beginnt, ist schon über eine halbe Stunde aufwühlender Musik vergangen – Barto kann nach diesen Bravourschlachten nun alle Lyrik, alle Zärtlichkeit seiner Tastatur entlocken und mit dem Orchester gemeinsam singen. Keine Frage: im Zusammentreffen derartiger Geister würde das Finale nur triumphal sein – und war es! Jubel und Freude des sehr gut besuchten Hauses! Gratulation! Wenn es nach dem Willen des Autors ginge, darf es die nächsten 80 Jahre so weiter gehen.

Die Zugabe war eine echte Überraschung: „Bach!“ rief Barto in den Applaus und schon hub das Largo aus dem 5. Klavierkonzert in f-moll an, getragen vom Pizzicato der Streicher – eine Zugabe mit Orchester – Referenz an den Jubilar und den Festanlass. Und Barto vermochte den ganzen Farbreichtum seines Spiels in den „wenigen“ klaren Noten aufleuchten lassen, kostbar – bei geradezu erschütternd weichem Anschlag im Wechsel zum Pianissimo...
o.b. - 2. März 2020
ID 12052
"EIN FEST FÜR CHRISTOPH ESCHENBACH" (Konzerthaus Berlin, 01.03.2020)
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 3 F-Dur op.90
- Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op.83
Tzimon Barto, Klavier
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Christoph Eschenbach


Weitere Infos siehe auch: https://www.konzerthaus.de/


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