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Konzertkritik

Feuerwerk der

Opernlüste



Plakat (C) Berliner Operngruppe


Bewertung:    



Die Berliner Operngruppe bot in ihrer diesjährigen Produktion zum dritten Mal ein Werk von Gaëtano Donizetti dar: die Musikkomödie Deux hommes et une femme (dt.: Zwei Männer und eine Frau) in der französischen Originalfassung – unter dem Titel Rita ist das Werk in späterer italienischer Version etwas bekannter.

Die Berliner Operngruppe e.V. (BOG) wurde 2010 von dem Dirigenten Felix Krieger gegründet, um in Berlin Opern zu präsentieren, die abseits des gängigen Repertoires stehen (das immer drastischer schrumpft) und hier entweder noch nie oder seit vielen Jahrzehnten nicht mehr präsent waren. Dieses allen neoliberalen Marktgeboten glücklich zuwiderlaufende Konzept im Dienste von Kunst und Kultur bringt seither der Hauptstadt einen Opern-Schatz nach dem anderen in vitalen, hervorragenden Einstudierungen zum Geschenk. Das sicher verwöhnte Publikum der Hauptstadt hat allen Grund, jede weitere Gabe, die ihm Felix Krieger bereitet, mit Kusshand willkommen zu heißen. Auch dieses Mal gelang ihm ein fulminanter Treffer, als er mit seiner Schar – coronabedingt – nach einer chorlosen Meister-Oper suchte.



Alasdair Kent (als Pepé), Elbenita Kajtazi (als Rita) und Pablo Ruiz (als Gasparo) in in Donizettis Deux hommes et une femme | © Berliner Operngruppe


Donizettis einaktige Opéra comique Deux hommes et une femme entstand im Herbst 1839 in kürzester Zeit gemeinsam mit dem Librettisten Gustave Vaëz in Paris und ist das einzige erst nach dem Tode des Komponisten (1860 an der Opéra Comique) uraufgeführte Werk. Diese von Donizetti so bezeichnete „Farsetta“ (Farce) ist ein kleines musikalisches Meisterwerk mit einer Fülle an wunderbaren Einfällen und herrlichen Melodien. Die Duette und Terzette der drei Charaktere sind kunstvoll durch gesprochene Dialoge (hier in eigener Übersetzung auf Deutsch) zu acht Nummern verflochten. Die Handlung der Oper steht noch in Tradition der commedia dell‘arte, doch die charmant-leuchtende Musik verweist bereits genial auf das zukünftige Offenbach-Universum.


„Ein Sopran, ein Tenor und ein Bariton: diese Konstellation kennt der Opernfan nur zu gut. Denn in zahlreichen Opern werben beide Herren um eine Dame, und am Ende bekommt sie dann zumeist der Tenor. Aber siehe da: Im Falle von Donizettis köstlicher Opéra comique Deux hommes et une femme sind die Vorzeichen einmal genau umgekehrt: Hier wollen beide Herren um jeden Preis die Dame loswerden! Pépé (Tenor) wird nämlich von seiner Gattin Rita (Sopran) geschlagen, und als ihr verstorben geglaubter erster Ehemann Gasparo (Bariton) plötzlich wieder auftaucht, scheint dies Pépés große Chance zu sein, aus seiner nunmehr ja ungültigen Ehe herauszukommen. Zu dumm nur, dass Gasparo keineswegs die Gattin zurückhaben will, sondern nur gekommen ist, weil er seinerseits Rita für tot hielt und den Totenschein benötigt, um erneut heiraten zu können. Rita ihrerseits hat noch gut in Erinnerung, dass es in dieser Ehe sie war, die geschlagen wurde…“ (Meike Lieser)


Nun, am Ende geht alles, trotz Konfrontationen und Duellen, vorerst gut aus: der Tenor kriegt den Sopran, der Bariton eilt davon... Vielleicht wäre auch eine ganz andere Konstellation möglich gewesen, aber die Männerehre ist zumindest einigermaßen repariert...

Das Tempo der Entstehung ist dieser Geschichte durchaus anzumerken, manche Unlogik will geschickt überspielt werden, doch gelang das in der Berliner Aufführung nicht zuletzt durch munterste Spielfreude. Felix Krieger hat nicht nur ein glückliches Händchen bei der Suche seines Repertoires, sondern genauso beim Auswählen der Akteure! Es waren auch in diesem Jahr wieder junge Sänger von internationalem Renommee zu erleben, womit wahrlich nicht genug gesagt ist: alle drei boten überragende Qualitäten und fesselten das Publikum von der ersten bis zur letzten Minute mit der Schönheit ihres Gesangs und echtem Theaterspaß

Die junge Sopranistin Elbenita Kajtazi aus dem Kosovo betörte und bezauberte in der Partie der Rita mit ihrer wunderbaren Stimme, deren in allen Lagen ebenso klares, wie sinnliches Timbre einen schon Momente vor ihrem Auftritt in Bann schlug. Mit überbordendem Witz und Temperament verkörperte sie ihre Rolle rundum überzeugend und dennoch sympathisch! In ihrer Arie blieb sie keiner Farbe etwas schuldig, man lauschte ihr mit Hochgenuss. So ist keineswegs verwunderlich, dass Kajtazi an großen Häusern wie in Dresden, bei den Salzburger Festspielen und als Preisträgerin vieler Wettbewerbe singt, und man hofft, sie, wie ihre Partner, noch oft zu erleben!

In der Partie ihres zweiten Ehemanns Pépé begeisterte der britisch-australische Tenor Alasdair Kent dank strahlend vokalem Klang und echter Belcanto-Kunst, auch er spielte seine Figur bei vollem komödiantischen Einsatz. Donizetti fordert in der Tat einen erstklassigen Sänger, der den exorbitanten Schwierigkeiten mit Leichtigkeit beizukommen vermag. Das gelang Kent mühelos und – mit viel jugendlichem Charme.

Auch die Partie des totgeglaubten ersten Ehemanns, Gasparo, wurde hervorragend verkörpert: der spanische Bariton Pablo Ruiz vollendete das Trio bravourös und kraftvoll! Als dem „Böseren“ obliegt ihm die bekannteste Arie des Werkes (obwohl jede Nummer der geistfunkelnden Partitur eine Kostbarkeit ist), die er mit seiner warm und volltönenden Stimme splendid präsentierte! Wie sein tenoraler Rivale tritt Ruiz längst in den großen Musikzentren Europas auf.

Insgesamt erfreute das darstellerische Zusammenspiel der Drei in der als „halb-szenisch“ deklarierten Aufführung. Doch wer Ljubimows berühmte Inszenierung des Don Giovanni aus den Achtziger Jahren zufällig noch in Erinnerung hat, wo die Protagonisten vor dem Orchester auf der Bühne agierten, konnte wertschätzen, wie durchinszeniert die Vorgänge waren und das Ganze sehr wohl eine veritable Personenregie bot. Von der Spielweise der commedia dell‘arte angeregt, gelang es dem Schweizer Regisseur Lorenzo Fioroni souverän, jede Gefahr von Karikaturen zu bannen und dabei dramatische Komik zwischen den Figuren zu halten. Katharina Gault hatte sich davon zu in ihren lustigen Masken und Kostümen inspirieren lassen, sowie mit bunten Lampenketten, Sonnenschirmen und Gasthaus-Tischchen für die ausreichend optische Illusion gesorgt.

Zum einzigen Einwand wird man durch die deutschen Dialoge bewegt: so brillant die Protagonisten sangen, so wenig idiomatisch (oder stets verständlich) war ihr Deutsch. Bei all der Spielfreude (und bewundernswerten Gesangskunst) dieser Drei, es leiden die nur gesprochenen Szenen bei Sängern für gewöhnlich darunter, dass sie keine Schauspieler sind (vice versa). Wie auch immer, die urkomische Musik-Farsa zündete „wie ein Feuerwerk“ – und diese vielleicht etwas abgegriffen wirkende Formulierung hatte an diesem Abend unfraglich ihre ganz zutreffende Berechtigung. Spiel, Gesang und Musik ließen in ansonsten perfekter Wechselwirkung das hübsche, kleine Werk über die Bühne des Konzerthauses wirbeln!

Von Neuem führte Maestro Felix Krieger das Orchester der Berliner Operngruppe mit Schwung und Leidenschaft zu hinreißender Musizierlust. Das glänzende Sänger-Trio im Rücken, hatte er gleichwohl alles stets im Griff. Wiederum ein echtes Kultur-„Highlight“! Wer sich nach Tonträgern oder im Internet umschaut, findet eine Reihe verschiedener TV-Mitschnitte und CD-Einspielungen der Rita (ital.) oder neuerdings auch der französischen Urfassung von „Deux hommes et une femme“, doch es ist in der Tat keine Übertreibung, wenn die erlebte Aufführung in gesanglich-musikalischer (wie auch szenischer) Hinsicht als überragend zu werten wäre. Wir hoffen auf einen Life-Mitschnitt! Das Publikum des Berliner Abends jedenfalls war von Anfang an begeistert und feierte Sänger-Trio, Orchester und Dirigent entsprechend – auch das Regieteam! Im leider (situationsbedingt) nur spärlich besuchten Konzerthaus Berlin wurde ihnen allen mit langen, begeisterten Ovationen von Herzen gedankt!



Schlussapplaus nach Donizettis Deux hommes et une femme mit der Berliner Operngruppe - im Konzerthaus Berlin am 1. September 2021 | Foto (C) Lars Jolig

o. b. - 4. September 2021
ID 13120
BERLINER OPERNGRUPPE (Konzerthaus Berlin, 01.09.2021)
Gaetano Donizetti: Deux hommes et une femme
Musikalische Leitung: Felix Krieger
Szenische Einrichtung: Lorenzo Fioroni
Besetzung :
Rita ... Elbenita Kajtazi
Pepé ... Alasdair Kent
Gasparo ... Pablo Ruiz
Orchester der Berliner Operngruppe
Deutsche Erstaufführung der französischen Fassung von RITA in der neuen kritischen Edition von Paolo Rossini / Francesco Bellotto. Libretto: Gustave Vaëz


Weitere Infos siehe auch: https://www.berlineroperngruppe.de/


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