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Besprechung


Das Rheingold

Nationaltheater Mannheim



Foto (c) Hans Jörg Michel

Von Poesie bis Politik

Achim Freyer und Dan Ettinger starten am Nationaltheater Mannheim einen neuen „Ring“ - natürlich mit „Rheingold“

Wurden Sie schon einmal gefragt, warum Sie die Oper lieben? Oder anders: Können Sie sich vorstellen, dass jemand die Oper nicht liebt? Im Gespräch mit Waltraud Meier äußerte selbst Loriot einmal diesbezüglich seine Zweifel: Sicher kenne er solche Leute, die genau jenes von sich behaupten, aber so richtig glauben könne er denen das nicht. Vermutlich hatten wir alle einen Großvater, der aus dem dicken Märchenbuch vorlas und dadurch im Steppke den Grundstein dafür legte, dass dieser sich später ein mehrstündiges, dramatisches Bühnenwerk reinzieht. Und das nicht nur freiwillig, nein, sogar mit Begeisterung. Achim Freyer wirkt in seinen Inszenierungen immer so, als hätte er diesen kleinen Knirps in sich bewahrt. Er ist nämlich einer, der noch an die Magie des Theaters glaubt. An Farbe, Schminke und Kostüm, an Nebel, Licht und Schatten, an Poesie - aber wie. Und weil Freyers „Großvater“ Bertolt Brecht heißt, kommt dieser Zauber stets als episches Theater daher, als malerisches Zerrbild, welches metaphorisch doch nur für nackten Realismus steht.



Foto (c) Hans Jörg Michel

Das ist sie also, die Handschrift Achim Freyers, die nun auch den neuen Mannheimer „Ring“ prägen wird - so viel kann nach dem „Rheingold“ schon gesagt werden. Sollte man nun alles ausplaudern? Das Theater lebt doch von der Fantasie, dem überraschenden Moment. Langeweile kommt die ganzen 2 Stunden 40 jedenfalls nicht auf: Die Rheintöchter - drei Damen, die für Kunst, Erotik und Natur stehen - bekommen von einem kleinwüchsigen Alberich-Diktator das Bühnenlicht ausgeknipst, Wotan steht mit seinem Auge hier ganz wunderbar für einen Überwachungsstaat und Freia als personifizierte Umwelt ist sowohl bei den Riesen als auch bei den Göttern lediglich ein Zertifikat, aus dem Kapital geschlagen werden kann. Freyer schafft verblüffende Übergänge, setzt mit Obermaschinerie, Unter-, Hinter- und Drehbühne alles in Gang, was ihm zur Verfügung steht: Der Abend strotzt nur so vor Kreativität und bleibt dennoch verdammt dicht an der Vorlage. So und jetzt ist wirklich genug verraten.

Mit dieser (generell textdeutlichen) Besetzung kann sich Mannheim hören und sehen lassen: Thomas Jesatko singt einen beweglichen, eher lyrisch angelegten, erst gegen Ende etwas einknickenden Wotan, Karsten Mewes setzt mit seiner schieren Lust am Nachtalben-Dasein sogar noch eins drauf und Simone Schröder - schon Erda im Dorst-„Ring“ - verzückt mit virtuosem Alt. Nicht ganz auf diesem Niveau agieren Fricka (zur Schärfe neigend: Edna Prochnik), Fasolt (schlecht vorbereitet: Hans-Peter Scheidegger; gut vorbereitet: Souffleuse) und die Rheintöchter (inhomogen und leider ziemlich schrill: Katharina Göres, Anne-Theresa Møller und Andrea Szántó). Souverän dagegen: Freia (schimmernd: Iris Kupke), Froh (leichtfüßig: Juhan Tralla), Donner (prägnant: Thomas Berau) und Fafner (unauffällig: In-Sung Sim). Das so oft besprochene Tenor-Problem scheint am Nationaltheater nicht zu existieren: Jürgen Müller als triumphierender, alle Nuancen auskostender Loge und Uwe Eikötter als klangschöner Jammerlappen Mime gehören aufgrund ihrer dargebotenen Leistungen fraglos auf den Grünen Hügel.



Foto (c) Hans Jörg Michel

Als Dan Ettinger noch Lehrling bei Daniel Barenboim war, hatte man Angst, dass er sich bei bis zu acht, völlig verschiedenen Produktionen pro Spielzeit verheizen lässt. Nun ist ehrlicherweise einzugestehen: Er hat sich in Berlin ein großes Repertoire aneignen dürfen - und es hat ihm nicht geschadet. Im Grunde muss man nach „Lohengrin“ und diesem „Rheingold“ sagen: So gut wie am Pult des NTM-Orchesters ist er in Berlin nicht gewesen. Und noch etwas ist festzustellen: In Gestik, Tempi und Modulation erinnert Ettinger doch sehr an seinen Mentor. Auch, dass der Klangapparat nach der Vorstellung auf der Bühne auftaucht, hat er sich von Barenboim abgeguckt. Ettingers Dirigat geht Hand in Hand mit Freyers Regie und es sind einige bemerkenswerte Details herauszuhören: Das Schlagwerk beim Auftritt der Riesen, der Einsatz der sechs (!) Harfen beim Bezug von Walhall, die sich empor schraubenden Streicher nach Alberichs Fluch, das präsente, sehr markige Blech. Der Jubel ist groß, der Auftakt gelungen!

Nationaltheater Mannheim
Neuinszenierung
rezensierte Vorstellung: 30.10.2011
Premiere war am: 28.10.2011
weitere Vorstellungen: 01.11.2011, 18.00 Uhr, 20.12.2011, 19.30 Uhr, 06.01.2012, 19.30 Uhr

Musikalische Leitung: Dan Ettinger
Inszenierung, Bühne, Kostüme, Lichtkonzeption: Achim Freyer
Licht: Ralph Schanz
Dramaturgie: Regine Elzenheimer
Mitarbeit Regie: Sebastian Bauer
Mitarbeit Bühne, Kostüme: Petra Weikert
Mitarbeit konzeptionelle Vorbereitung: Tilman Hecker

Wotan: Thomas Jesatko
Donner: Thomas Berau
Froh: Juhan Tralla
Loge: Jürgen Müller
Alberich: Karsten Mewes
Fasolt: Hans-Peter Scheidegger
Fafner: In-Sung Sim
Fricka: Edna Prochnik
Freia: Iris Kupke
Erda: Simone Schröder
Woglinde: Katharina Göres
Wellgunde: Anne-Theresa Møller
Floßhilde: Andrea Szántó

Orchester: Nationaltheater Mannheim
Statisterie: Nationaltheater Mannheim


Heiko Schon, red, 1. November 2011
ID 00000005459
Weitere Infos siehe auch:
http://www.nationaltheater-mannheim.de/de/oper/stueck_details.php?SID=1073



E-Mail an den Rezensenten Heiko Schon



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