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Online-Filmpremiere

Über Zwang

und Freiheit



Die Tänzerin und Choreografin Yui Kawaguchi (als Beethoven?) in Force & Freedom von Nico and the Navigators | Screenshot der Filmpremiere v. 21.12.2020 auf arte CONCERT

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Wann gab es sowas je, dass die Kultur, so wie wir sie bis da "physisch" zu sehen oder zu erkennen glaubten, plötzlich unbetretbar war und wir also kein Kino, keine Galerie und kein Museum, keine Bücherei und keine Bibliothek, kein Opernhaus und keinen Konzertsaal oder kein Theater mehr von innen sehen konnten oder durften, ergo alles dicht gemacht wurde? Generationen vor uns, also Menschen, die dann heute 80 oder 90 oder älter sind, meinen die Frage dahingehend zu beantworten, dass sowas halt im Zweiten Weltkrieg gang und gäbe war.

Das Künstlerinnen-/ Künstlerleid im Zuge der nicht enden wollenden Corona-Pandemie ist ein globales also weltumspannendes, ja und ein positiver Schlussakkord, der alles das mit einem Schlage nivillierte, scheint in ungreifbarer Ferne, und so hofft und hofft und hofft man sich von einer Hoffnungsnachricht zu der anderen; ein Impfstoff, beispielsweise, könnte uns als "Herde" retten oder so...

*

Die Kunst- sowie Performerinnen- und Performertruppe Nico and the Navigators hatte [was das obige Problem betraf und nach wie vor betrifft] besonders großes Pech in diesem Jahr. Mit ihrem mit dem Kuss Quartett gemeinsam konzipierten Beethoven-Projekt unter dem Titel Force & Freedom wollten sie - anlässlich des 250. Geburtstages des Bonner Jubilars, der sich bekanntermaßen auch (weltweit!) im staatsverordneten Deaktionismus nach und nach verlieren sollte - ihr besonders Ihriges zum großen Ludwig beisteuern:


"Durch die Corona-Pandemie musste nicht nur die Uraufführung bei den Schwetzinger Festspielen für 2020 abgesagt werden, auch die gemeinsame Arbeit der Ensembles war auf absehbare Zeit undenkbar. Plötzlich wurden die Worte Zwang und Freiheit, die ursprünglich vor allem die Koordinaten im Leben Beethovens umreißen sollten, zur unmittelbaren Erfahrung für alle Beteiligten. Wie sollten sich Tänzer, Sänger, Musiker und Performer künftig auf engem Raum begegnen? Wie würde sich das Publikum in eine solche Situation einfügen?

Dass sich für fast alle freien Künstler im Laufe der Krise zudem jene wirtschaftlichen Zwänge verschärfen würden, unter denen einst auch ein Komponist wie Ludwig van Beethoven zu leiden hatte, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehbar.


[...]

So entstand – im digitalen Raum ein Krisen-Tagebuch, das sich am Ende zu einem Memory-Spiel als bleibende Erinnerung zusammenfügte. Dass diese virtuellen Begegnungen keinen vollwertigen Ersatz für den direkten künstlerischen Austausch bieten konnten, war allen Beteiligten natürlich schmerzlich bewusst. Aber ein Beispiel für Einsicht in die Notwendigkeit lieferte ausgerechnet Beethovens Streichquartett Opus 135. Im vierten Satz finden sich unter dem Titel Der schwer gefasste Entschluss dort zwei Motti, die einzelne Teile als Spiel zwischen Auflehnung und Ergebung kennzeichnen: Grave, ma non troppo tratto ('Muss es sein?') und Allegro ('Es muss sein!')."

(Quelle: navigators.de)


* *

Auf der Internetplattform von arte CONCERT konnte man gestern Abend am heimischen Rechner der Filmpremiere von Force & Freedom beiwohnen. Ich stülpte mir hierzu auch meine Hifi-Kopfhörer über die Ohren. Und zu sehen und zu hören war für mich dann das hier:

Das Kuss Quartett mit Jana Kuss, Oliver Wille, William Coleman und Mikayel Hakhnazaryan spielt Beethovens gesamtes Opus 135 [hinsichtlich der Streichquartette war/ bin ich seit letztem Wochenende ziemlich auf dem Laufenden, denn die Berliner Philharmoniker streamten auf ihrer DIGITAL CONCERT HALL den gesamten Spätwerkfundus dieser Art, aber ich kannte/ kenne ihn auch so recht gut], und Yui Kawaguchi performt hierzu den Maestro und tut die vier Sätze, die die Mitglieder des Kuss Quartetts teilweise auch im Fortbewegen musizieren, assoziationsgeladen mit noch andern choreografischen und tänzerischen Subideen anreichern; im vierten Satz bepudert sie die ausführenden Musiker an ihren Hosenbeinen, und das sieht schon lustig aus, obgleich ich nicht herauskriege, was sie mir damit sagen will.




Ted Schmitz mit drei Beethoven-Liedern in Force & Freedom von Nico and the Navigators | Screenshot der Filmpremiere v. 21.12.2020 auf arte CONCERT


Dann gibt es einen Lieder-Block, in dem der amerikanische Tenor Ted Schmitz Der Kuss op. 128, Resignation WaO 149 und Neue Liebe, neues Leben WaO 127 singt und von Tobias Weber (Gitarre) begleitet wird. Auch plaudert er mit sich über "Ich war bei Chloen ganz allein" und über Kuss und Küssen - die Pointe seiner Plauderei kommt allerdings bei mir nicht an, er plaudert nämlich ausschließlich auf Englisch, und das Englische ist leider nicht mit deutschen Untertiteln angereichert.

Zwischen zweitem und drittem Liedvortrag wird das Allegro molto aus dem 9. Streichquartett op. 59,3 intermissioniert - das ist dann übrigens, falls sich noch wer an Reich-Ranickis Literarisches Quartett (also das legendäre Original, nicht das aktuelle Gefasel) erinnert, dessen damalige Erkennungsmusik gewesen.

Nach dem Lieder-Block folgt Opus 132 mit dem mysteriösen "Heiligen Dankgesang" (also dem dritten Satz dieses Quartetts).

Die Bühne von Oliver Proske zeigt übrigens eine als Wippe oder Brücke (je nachdem) genutzte blaue Halbmondsichel, die unsern Performerinnen und Performern, aber auch den Mitgliedern des Kuss Quartetts diverse Liege-, Sitz- und Aufstellmöglichkeiten bietet.

Als die Große Fuge op. 133 dargeboten wird, erscheint die Szenerie mit ihr auf der hinter der blauen Halbmondsichel aufgebauten LED-Bildwand in zehn- bzw. hundert- oder tausendfacher Multiplikation nach hinten hin in das Unendliche gestreut - sieht großartig aus; und das ist sogleich mein Lieblingsbild in dieser eigentlich mit Beethoven als Jubilargestalt und Projektionsfläche beliebig-uneindeutig spielenden Gesamtperformance.




Beethovens Große Fuge mit dem Kuss Quartett in Force & Freedom von Nico and the Navigators | Screenshot der Filmpremiere v. 21.12.2020 auf arte CONCERT

Andre Sokolowski - 22. Dezember 2020
ID 12667
FORCE & FREEDOM (Radialsystem V, 17.12.2020)
BEETHOVEN ZWISCHEN ZWANG UND FREIHEIT

Künstlerische Leitung: Nicola Hümpel
Bühne: Oliver Proske
Dramaturgie: Andreas Hillger
Kostüme: Nicola Hümpel und Anna Lechner
Künstlerische Mitarbeit: Alexander Piasente
Lichtdesign: Andreas Fuchs
Live Video Editing: Hendrik Fritze und Sophie Krause
Bühnenbild-Assistenz: Sonja Winkler
Produktion: Raphael Reher und Leonie Schirra
Filmregie: Nicola Hümpel und Myriam Hoyer
Schnitt: Arno Scholwin
Besetzung:
Kuss Quartett
Jana Kuss und Oliver Wille, Violine
William Coleman, Viola
Mikayel Hakhnazaryan, Violoncello

Tobias Weber, Gitarre und musikalische Adaptionen
Yui Kawaguchi, Tanz und Choreografie
Ted Schmitz, Tenor und Performer
Patric Schott, Performer
Nico and the Navigators
Uraufführung: 26. Februar 2021
Weitere Termine: 27. + 28.02.2021
Filmpremiere auf arte CONCERT am 21. Dezember 2020


http://www.navigators.de/

https://www.kussquartet.com/


http://www.andre-sokolowski.de

BEETHOVEN 250

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