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Opern- und Ballettkritik

Tränen

und

Träume


LUISA FERNANDA / SCHWANENSEE /
LA BOHÈME
am Theater Nordhausen


Luisa Fernanda am Theater Nordhausen | Foto (C) Roland Obst

Bewertung:    



Man sieht die Fragezeichen kreisen. Egal, ob man in der Pension ins Gespräch kommt, am Tresen in den Rolandstuben oder an der Kasse des Kunsthauses Meyenburg: Dass ein Berliner ein Wochenende in ihre Heimat kommt, um ins Theater zu gehen, wird von den Nordhäusern mit ungläubigen Blicken quittiert. Dabei steht es doch eigentlich mir zu, baff zu sein. Wo, an welchem Haus läuft denn bitteschön von Freitagabend bis Sonntagnachmittag eine zu Recht ausverkaufte Repertoirevorstellung eines Opernklassikers, ein abendfüllendes Handlungsballett und eine spanische Zarzuela, wohlgemerkt szenisch? Wenn das die Anreise nicht wert ist, was dann? Der seit Spielzeitbeginn neu amtierende Intendant Daniel Klajner hat nicht einfach nur einen tollen Start hingelegt: Sein Haus steht exemplarisch für die Vitalität und Notwendigkeit der Institution Stadttheater!

* * *

Luisa Fernanda:

An diesem Abend träumt man davon, Dirigent zu sein. Einmal am rasselnden Zirkusrad drehen wie in der Ouvertüre, einmal den Schlagzeuger zu einem derart mitreißenden Geklapper der Kastagnetten verführen, das Tamburin lebensfroh wirbeln, die Holzbläser lasziv räkeln lassen - das wär‘s doch mal. Es muss jedenfalls eine Freude sein, vielleicht sogar ein Rausch, diese Musik zu dirigieren. Und Michael Helmrath frönt dieser Freude auf offensive, ansteckend lustvolle Weise.

Apropos ansteckend. Dass Luisa Fernanda hier ihre deutschsprachige Erstaufführung erlebt, ist dem Regisseur Alfonso Romero Mora zu verdanken, der diese Zarzuela zunächst vorschlug und anschließend ein ganzes Theater mit dem spanischen Folklore-Virus infizierte. Ob Manos Kia als herrlich viriler Vidal Hernando, die geläufig koloraturgurgelige Zinzi Frohwein als Herzogin Carolina, der mit einem sonnigen Tenor ausgestattete Angelos Samartzis als Javier Moreno, die sich dramatisch ins Zeug werfende Sabine Noack in der Titelrolle und auch die anderen Sänger, Schauspieler, Chormitglieder und Tänzer: Sie alle ziehen am gleichen Strang und formen ein Ensemble wie aus einem Guss, dessen hohe Qualität staunen lässt.




Schwanensee:

Tschaikowskys Ballett-Dauerbrenner mit nur 12 Tänzern? Geht das gut? Und wie! Sogar mehr als das. Choreograph Ivan Alboresi gewinnt dem bekannten Stoff völlig neue Seiten ab, indem er die Zerrissenheit Siegfrieds um eine Ebene erweitert und ihn in zwei Persönlichkeiten spaltet – in siegFRIED und SIEGfried. Der Fluch, der auf dem weißen Schwan lastet, spielt hier keine Rolle mehr. Auch Rotbart und Königin fehlen. Und Alboresi hat alle Nummern gestrichen, die aus dramaturgischer Sicht entbehrlich sind, etwa die verschiedenen Landestänze im dritten Akt und den Tanz der vier kleinen Schwäne. Übrig blieb ein herausgeschälter Kern, der allein die Psyche Siegfrieds im Sinn hat. Alboresi hat dafür geniale Bewegungen kreiert. Da verlieren Füße den Halt am Boden, rinnt Händen das Glück durch die Finger, zucken Arme wie im Zeitraffer: ein sich verloren fühlendes Straucheln des ganzen Körpers.



Schwanensee am Theater Nordhausen | Foto (C) Tilmann Graner


Das tänzerische Niveau ist beachtlich: Ayako Kikuchi lädt die Odile mit verführerischer Exotik auf; David Nigro ist ein wunderbar seelenwunder siegFRIED; András Dobi tanzt einen technisch hochsauberen, energischen SIEGfried, und Konstanina Chatzistavrou greift einem als zutiefst zärtliche, ausdrucksstarke Odette regelrecht ans Herz. Großartigster Höhepunkt: Der Pas de deux von Chatzistavrou und Nigro im zweiten Akt, umrahmt von der gesamten Kompagnie in weißen Tutus.



La Bohème:

Natürlich bürstet Anette Leistenschneider, Operndirektorin und Regisseurin des Stücks, Puccinis Rührseligkeitsschinken nicht gegen den Strich. Aber das Personenspiel ist überaus lebendig, und ihr sind kleine, feine, ja, fast beiläufig erscheinende Ideen gekommen, die überzeugen. Etwa, wenn Rudolfo (kraftvoll leuchtend: Angelos Samartzis) für Mimis heiße Stirn (von hoher Virtuosität: Zinzi Frohwein) extra Schnee vom Dach holt. Oder dass der Tod - genauer: der Totenkopf - in jeder Szene gegenwärtig ist: mal als Kerzenhalter oder Bild, dann wiederum als Torbogen-Schlund. Und wenn am Ende langsam der Schnee aus dem Schnürboden rieselt und Musetta (exzellent: Leonor Amaral) einen Schleier über die gestorbene Mimi zieht, stellt man erstaunt fest, dass ein wenig Kitsch und Tränendrüse eben doch sein dürfen.



La Bohème am Theater Nordhausen | Foto (C) Roland Obst


Das Loh-Orchester Sondershausen spielt unter dem Dirigat von Henning Ehlert einen temporeichen, jugendlich frischen Puccini auf. Außerdem zeigen die drei Produktionen, wie gut die Werkstätten in Schuss sein müssen. Ob Kostüme, Kulissen oder Requisiten: alles in fabelhafter Machart!

Heiko Schon - 22. November 2016
ID 9699
LUISA FERNANDA (18.11.2016)
Musikalische Leitung: Michael Helmrath
Regie: Alfonso Romero Mora
Bühne: Ricardo Sánchez Cuerda
Kostüme: Gabriela Salaverri
Choreinstudierung: Markus Popp
Choreographie: Ivan Alboresi
Besetzung:
Luisa Fernanda … Sabine Noack
Vidal Hernando … Manos Kia
Herzogin Carolina … Zinzi Frohwein
Javier Moreno … Angelos Samartzis
Ballett TN LOS!
Opernchor der Theaters Nordhausen
Loh-Orchester Sondershausen
Premiere war am 18. November 2016
Weitere Termine: 23. 11. / 16., 17. 12. 2016 // 22. 1. / 5. 2. / 8. 3. 2017

SCHWANENSEE (19.11.2016)
Musikalische Leitung: Henning Ehlert
Choreographie: Ivan Alboresi
Bühne und Video: Ronald Winter
Kostüme: Anja Schulz-Hentrich
Besetzung:
siegFRIED … David Nigro
SIEGfried … András Dobi
Odette … Konstantina Chatzistavrou
Odile … Ayako Kikuchi
Gesellschaft und Schwäne … Giulia Maria Damiano, Gabriela Finardi, Martina Pedrini, Johanna Schnetz, Samuël Dorn, Joshua Raymond Lowe, Andrea Schuler und Rosario Vestaglio
Loh-Orchester Sondershausen
Premiere war am 7. Oktober 2016
Weitere Termine: 14., 19., 20., 21., 26. 12. 2016

LA BOHÈME (20.11.2016)
Musikalische Leitung: Johannes Pell
Inszenierung: Anette Leistenschneider
Bühne: Wolfgang Kurima Rauschning
Kostüme: Elisabeth Stolze-Bley
Chor-/Kinderchoreinstudierung: Markus Popp, Lena von Billerbeck (Herdergymnasium)
Besetzung:
Rodolfo … Angelos Samartzis
Schaunard … Chao Deng
Marcello … Manos Kia
Colline … Thomas Kohl
Mimi … Zinzi Frohwein
Musetta … Leonor Amaral
Mitglieder des jungen Zirkus Zappelini
Opernchor, Extrachor, Kinderchor und Statisterie des Theater Nordhausen
Loh-Orchester Sondershausen
Premiere war am 16. September 2016
Weiterer Termin: 23. 12. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-nordhausen.de


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