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Schattenreich

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Lust



Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg an der Oper Köln | Foto (C) Bernd Uhlig

Bewertung:    



Der Zauber sinnlicher Wunder wird Quell unersättlichen Verlangens. Die Erfüllung brünstiger, phantastischer Ausschweifungen oder völlige, lebhaft gesteigerte Empfindung der unmittelbar gegenwärtigen Situation sind endlich. Ein Lechzen und Nachjagen nach angenehmen Empfindungen lässt die Sehnsucht nach Genuss skrupellos werden. Tannhäuser „trinkt in vollen Zügen Wonnen“. Doch die Ritter und Edelfrauen von der Wartburg verstört sein preisgegebener Erfahrungsschatz. Die christliche Sehnsucht nach Seligkeit ohne Gewissensbisse tritt in Konflikt mit der sinnlichen Genusssucht. Tannhäuser wird eine Passion erleiden und durchmessen, um in der Wartburggesellschaft ankommen zu können. Es stellt sich jedoch die Frage ob er den frommen Gesang der Pilger, der ihm auferlegt ist, als Auftrag und Botschaft annehmen wird.

Richard Wagners frühes Opernwerk Tannhäuser (1845) verknüpft die Sage vom Tannhäuser, der im Venusberg verweilte und dann zur Buße nach Rom zog, mit dem Sängerkrieg auf der Wartburg, wo Tannhäuser die Rolle des Heinrich von Ofterdingen vertritt. Die Fabel, dass Tannhäuser im Venusberg gewesen sei und danach Papst Urban gebeichtet habe, bildet den Ausgangspunkt für die Oper. Die Venus-Welt mit Assoziationen von Orgien von wildester Ausgelassenheit ist nicht vereinbar mit der höfisch-konventionellen Sphäre der Wartburggesellschaft. Als Symbole für diese ständige Auseinandersetzung im Tannhäuser steht in Patrick Hinmonths Inszenierung an der Kölner Oper in beinahe jeder Szene eine schweigenden Heilige Jungfrau Maria, gewandet in Weiß und Blau, der Göttin Venus, gewandet in Schwarz, gegenüber. Diese andauernde Bühnenpräsenz der beiden Damen wirkt einigermaßen unstimmig. Während Venus sich wiederholt Hörbarkeit verschafft, verharrt Maria schweigend und püppchenhaft lächelnd.

Dauerhaft präsent in einer Schlucht inmitten der Bühne sitzt auch das Orchester, da es im StaatenHaus – der aktuellen Ausweichstätte der Kölner Oper - keinen Orchestergraben gibt. Das dramatische Geschehen um Tannhäuser, seiner Liebe Elisabeth, Venus und die Wartburggesellschaft, präsentiert sich im Scheinwerferlicht vor, hinter und auf einer über das Orchester hinweggehenden Treppe. Die Kölner Inszenierung setzt auch mit einer modernen Plastikbestuhlung auf der Bühne vielfältige Akzente zur Jetztzeit. Zu den Anfangsklängen der Ouvertüre entkleiden sich im Bühnenhintergrund eine ganze Reihe junger Männer langsam und im Liegen mit Blick auf ihre ausgeklappten Laptops. Frauen mit rotfarbigen Perücken beobachten sie aus der Ferne und geistern während des gesamten Stückes regelmäßig als Sendbotinnen des Venusreiches umher.

Wagners romantische Oper gefällt unter der musikalischen Leitung François Xavier Roths insbesondere im zweiten Aufzug mit dicht aufspielendem Orchesterklang und einem gut aufgelegten, sich dynamisch steigernden, stimmgewaltigen Chor. Die Österreicherin Kristiane Kaiser sorgt mit feinnuanciertem, wohltemperiertem Sopran bei der Hallenarie und dem Gebet und einer auch gestisch und mimisch ausdrucksstarken Performance für Gänsehaut-Feeling. Glaubhaft verkörpert sie die Elisabeth, die mit ihrer selbstlosen Liebe ähnlich der Senta in Wagners Vorgänger-Opernwerk Der fliegende Holländer (1841) der Titelfigur Erlösung bringt. Miljenko Turk verharrt als Wolfram von Eschenbach beim Lied an den Abendstern anmutig in scheuer Ehrfurcht vor Elisabeth und gefällt nicht nur hier mit formschönem, lyrischem Bariton. Aufhorchen lässt auch María Isabel Segarra in ihrem Rollendebüt als junger Hirt. Die spanische Sopranistin singt mit berührender Intensität. Weit hinter den Erwartungen zurück bleibt leider jedoch der kanadische Tenor David Pomeroy, der die Titelpartien des Tannhäuser allzu schwerfällig und zuweilen etwas unsauber singt. Den Stolz und die Überheblichkeit der Titelfigur, die sich aufgrund ihrer Grenzerfahrung von den Minnesängern lossagt, verkörpert er oft impulsiv durch bloßes Lauterwerden, ohne je das erfahrene Glück im Venushügel im Ausdruck etwa durch Beweglichkeit und Timbre anklingen zu lassen.

Insgesamt lebt die Oper durch das sphärische perlende Zusammenspiel der Stimmen und Instrumente. Neben melodisch-harmonische Überlagerungen treten vielschichtige Überblendungen. Wenn sich der Chorgesang leise verliert, wird das Motiv orchestral oftmals noch einmal aufgenommen. Ein insgesamt vielschichtiger Opernabend, mit lange nachhallen, oft kostbar schönen Momenten, ganz im Sinne Tannhäusers: „Die Zeit, die hier ich weil‘, ich kann sie nicht ermessen.“ (Tannhäuser, 1. Aufzug, 2. Szene)



Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg an der Oper Köln | Foto (C) Bernd Uhlig

Ansgar Skoda - 12. Oktober 2017 (2)
ID 10311
TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG (Staatenhaus, 24.09.2017)
Musikalische Leitung: François-Xavier Roth
Inszenierung: Patrick Kinmonth
Bühne: Darko Petrovic
Kostüme: Annina von Pfuel
Licht: Andreas Grüter
Chorleitung: Andrew Ollivant
Dramaturgie: Georg Kehren
Besetzung:
Hermann, Landgraf von Thüringen … Karl-Heinz Lehner
Tannhäuser … David Pomeroy
Wolfram von Eschenbach … Miljenko Turk
Walther von der Vogelweide … Dino Lüthy
Biterolf … Lucas Singer
Heinrich der Schreiber … John Heuzenroeder
Reinmar von Zweter … Yorck Felix Speer
Elisabeth … Kristiane Kaiser
Venus … Dalia Schaechter
Ein junger Hirt … María Isabel Segarra
Extrachor und Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln war am 24. September 2017.
Weitere Termine: 14., 22., 28.10./ 01.11.2017


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper.koeln


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