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Erzwungene

Opferbereitschaft


LUCIA DI LAMMERMOOR
an der Oper Bonn


Lucia di Lammermoor an der Oper Bonn | (C) Thilo Beu

Bewertung:    



Ihr Weg scheint vorgezeichnet und alles arrangiert. Willenlos soll sie sich in ihr Schicksal ergeben. Doch Lucia di Lammermoor vertraut ihren Gefühlen und sieht einen anderen Weg hin zu ihrem Lebensglück. Den von ihr beschrittenen Lebenspfad säumen jedoch bald so viele Hindernisse, dass er unbegehbar scheint. Lucia muss erkennen, dass ihre nächsten Anverwandten sie behindern. Sie verzweifelt mehr und mehr, bis sie in Apathie zu versinken droht. Ihr Verderben scheint ohne Ausweg. Es ist eine schaurige Geschichte über Hochmut, Intrigen, Fehden, arrangierte Ehen und gesellschaftlich nicht anerkannte Liebe, die Walter Scotts The Bride of Lammermoor (1819) erzählt. Opernkomponist Gaetano Donizetti und Librettist Salvatore Cammarone italienisierten den historischen Roman aus den Hochmooren Schottlands für ihre Lucia di Lammermoor (1835). Sie schufen eine der heute prominentesten Belcanto-Opern mit formschönen Melodiebögen und Ziergesang. Im Bonner Opernhaus zeigt der Amerikaner David Alden die Oper nun in seiner erstmals 2008 für die Londoner English National Opera inszenierten Fassung mit packenden Bildern, die die Geschichte gleich zu Beginn in ein düsteres Licht tauchen.

Der Bühnenraum ist requisitenarm und nüchtern-farblos gestaltet. Bewegliche Wände eröffnen jedoch regelmäßig neue Raumeindrücke. Lucia sitzt im püppchenhaften Kleid vor einem riesigen Vorhang. Wenige Requisiten wie ein Teddybär oder andere Kinderspielzeuge verweisen auf ihr junges Alter und ihre mögliche Naivität. Ein Gitterbett im Bühnenzentrum deutet ihre Gefangenschaft an. Lucia wird von ihrem sie vereinnahmenden Bruder Enrico oder dessen Diener Normanno bevormundet und nicht für voll genommen. Immer wieder wird ihre Fremdbestimmtheit überdeutlich, wenn etwa Enrico oder Normanno sie wie ein Gepäckstück hochheben, wegtragen und woanders im Raum platzieren oder sie sogar an ihr Bett fesseln. Chor und Statisterie - gewichtig in dunkle, biedermeierliche und viktorianische Kostüme samt Frack und Zylinder gehüllt - beobachten das Geschehen um Lucia; dieses oft mit kraftvoll glühendem Gesang gutheißend oder kommentierend. Sie lugen mal von hinten durch die Fenster hervor, stehen mal im Raum verteilt auf der Bühne oder postieren sich eng nebeneinander an der Bühnenrampe. Oft sind jedoch auch die handlungstragendenden Figuren alleine. Dann verstärken Lichteffekte, wie schaukelndes Dämmerlicht und Schatten an der hellen Bühnenwand, eine bedrückende Stimmung.

Die russische Sopranistin Julia Novikova spielt die Titelfigur mit mädchenhafter, emotionaler Subtilität. Sie verfügt über eine bewegliche Stimme und nuancenreiche vokale Fertigkeit. Ihr formschöner Koloraturgesang könnte jedoch noch voluminöser schillern und wurde manchmal vom dicht aufspielenden Beethoven Orchester Bonn zu sehr übertönt. Ivan Krutikov gibt als Lucias übergriffiger Bruder Enrico eine intensive Performance und singt seine Baritonpartien wohltimbriert und effektvoll strahlend. Der chilenische Tenor Felipe Rojas Velozo vermag insbesondere als sehn- und eifersüchtiger Liebhaber Lucias (wie bereits als stürmischer Liebhaber Rodolfo in der Bonner La Bohème ) im intimen Duett schwerlich zu überzeugen, da nicht nur seine lyrische strahlende Stimme wenig Einfühlsamkeit verrät, wenn sie im nächsten Moment brüchig etwas knödelt. Martin Tzonev überzeugt hingegen als streng religiöser Erzieher Raimondo mit gut phrasierten und soliden Bassbariton. Auch Christian Georg als Arturo und Johannes Mertes als Normanno liefern überzeugende Performances mit sicherem und dramatischem Tenor. Eine stimmige Interpretation bietet auch Susanne Blattert in der Rolle der Dienerin Alisa, von der man gerne mehr gehört hätte. Leider können auch die farbenfrohe Instrumentierung und das facettenreiche Bühnenbild die Inszenierung nicht über das solide Mittelmaß erheben, da sich Spannungsmomente insbesondere gegen Ende zerdehnen und in die Länge ziehen und die Handlung schlussendlich mit vielen Soli ein wenig zu zerfasern droht.



Lucia di Lammermoor an der Oper Bonn | (C) Thilo Beu

Ansgar Skoda - 21. November 2016
ID 9697
LUCIA DI LAMMERMOOR (Bonner Opernhaus, 18.11.2016)
Musikalische Leitung: Jacques Lacombe
Inszenierung: David Alden
Szenische Einstudierung: Ian Rutherford
Licht: Adam Silverman
Bühne: Charles Edwards
Kostüme: Brigitte Reiffenstuel
Choreographie: Maxine Braham
Choreinstudierung: Marco Medved
Besetzung:
Enrico … Ivan Krutikov
Lucia … Julia Novikova
Edgardo … Felipe Rojas Velozo
Arturo … Christian Georg
Raimondo … Martin Tzonev
Alisa … Susanne Blattert
Normanno … Johannes Mertes
Chor und Statisterie des Theaters Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere an der Oper Bonn: 30. Oktober 2016
Weitere Termine: 2., 10. + 28. 12. 2016 / 15. + 20. 1. 2017
Ko-Produktion mit der English National Opera, London


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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