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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Grauer

Krampf



Die neue La traviata mit Sonya Yoncheva an der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Bernd Uhlig

Bewertung:    



1994, und vor über 20 Jahren also, inszenierte Dieter Dorn das letzte (das will sagen: einzig-eine) Mal an der Berliner Staatsoper - Straussens Elektra hatte er da ganz archaisch auf das Hochgeniale hingekriegt; wir lobten seiner Zeit (obgleich wir diese Produktion erst viel, viel Jahre später mehrmals sahen) die Personenführungen und nannten diese souverän wie ausgereift. Das war und ist dann auch sein Markenzeichen; Dorn kommt schließlich aus dem Sprechtheater, und er prägte jahrelang - nicht nur als Intendant - die Münchner Kammerspiele, die zu den berühmtesten Theaterbühnen hierzulande zählten und noch immer zählen.

Mittlerweile ist er 80 Jahre jung und damit sogar "etwas älter" noch als Jürgen Flimm, der ihn jetzt wieder hierher holte, dass er La traviata stemmte - Daniel Barenboim (der damals die Elektra dirigierte) wird da sicher nichts dagegen eingewandt haben, ja und so kam jetzt dieser megareife als wie altersweise Streich in Grau zustande:


"Dieter Dorn erzählt die tragische Liebesgeschichte um die Kurtisane Violetta Valéry ganz aus der Perspektive der Hauptfigur, deren Lebenserinnerungen in den letzten Sekunden vor ihrem Tod noch einmal schemenhaft aufblitzen und an ihrem inneren Auge vorüberziehen." (Quelle: staatsoper-berlin.de)


WIR sahen das als Krampf.

Ein sog. Totenkopf, den Martin Gruber aus acht TänzerInnen auf die trostlos leere und um einen Schuhabsatzbreit anbehob'ne Drehbühne (von Bühnenbildnerin Joanna Piestrzyńska) installierte, wird dann ab und zu - und immer dann, wenn es womöglich textlich passte - hinter dem zerbroch'nen Spiegel, der die Ausstattung im Ganzen dominierte, sichtbar. Etwas später, also nach dem jeweiligen Totenkopfgetue, sorgen sich dann sechs der TänzerInnen, namentlich die Frauen, permanent um Sonya Yoncheva (als Violetta); sie umkreisen sie in Zeitlupe oder tragen die Stühle, die gerade nicht gebraucht werden, hinweg. Das sieht total bescheuert aus und lenkt das eigentlich auf unsre lungenkranke Hauptfigur geeicht sein sollende Konzentrationsvermögen unaufhörlich dorthin:

Diese sechs Dubletten Violettas sind, trotz ihrer engen Ganzkörpertrikots, zwar schon als weiblich zu erkennen, aber ihr Gesichtslossein lässt keinerlei Empfindungen (egal in welche Richtung, also weder sexuell noch "rein gefühlsmäßig") in Folge zu. Das gab und gibt dann auch die generelle Richtung vor, die diese La traviata ausmacht(e).

Wann hat man jemals eine derart unbeteiligt-kalte Sicht der Dinge konstatieren müssen wie an diesem Abend?! Es gibt keine Worte, die das Alles irgendwie (zugunsten Dorns) relativieren könnten. Es ist schlicht und einfach: grauenhaft! ja, grauenhaft gemacht!!


* * *

Gewiss auch:

Bei der Staatskapelle Berlin ist La traviata stets dann gut und bestens aufgehoben. Und selbst wenn der Eine oder Andere das ziemlich Abgedroschene und Abgenudelte des Werks vielleicht kaummehr noch hören kann und will - weil diese Oper halt dann wirklich ziemlich abgedroschen und auch abgenudelt ist - ; der Barenboim kitzelt dann aus ihr Stellen raus, die man in dieser Art und Weise vorher nie gehört hat. Doch das macht der Maestro meistens oder immer so bei Werken, die er neu heraus bringt also auch neu inszenieren lässt.

Außer der fulminanten Hauptakteurin (die sich allerdings dann in der großen Arie aus dem Ersten Aufzug, wo's zum Ende noch ein Stückchen weiter hoch hinauf gegangen wäre, taktisch schonte, was uns Hörer arg enttäuschte) fiel dann lediglich noch der Simone Piazzola (als Giorgio Germont) recht positiv aus dem Gesamtrahmen. Die anderen bedienten relativ gedieg'nes Stadttheatermittelmaß.

Der Chor der Deutschen Staatsoper Berlin (Choreinstudierung: Martin Wright) klingt homogen und expressiv - die Leute stehen allerdings die meiste Zeit nur unagil herum; bei szenisch Aktivierterem wirkt Vorgespieltes mehr geziert als "echt".

Gespaltener Premierenapplaus, viele Buhs für'n Dorn.




La traviata an der Staatsoper im Schiller Theater | Foto (C) Bernd Uhlig

Andre Sokolowski - 20. Dezember 2015
ID 9048
LA TRAVIATA (Staatsoper im Schiller Theater, 19.12.2015)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Dieter Dorn
Regiemitarbeit: Christiane Zaunmair
Bühnenbild: Joanna Piestrzyńska
Kostüme: Moidele Bickel
Mitarbeit Kostüme: Dorothée Uhrmacher
Choreografie: Martin Gruber
Licht: Tobias Löffler
Dramaturgie: Hans-Joachim Ruckhäberle und Katharina Winkler
Besetzung:
Violetta Valéry ... Sonya Yoncheva
Flora Bervoix ... Cristina Damian
Annina ... Katharina Kammerloher
Alfredo Germont ... Abdellah Lasri
Giorgio Germont... Simone Piazzola
Gastone ... Florian Hoffmann
Baron Douphal ... Dominic Barberi
Marchese d'Obigny ... Grigory Shkarupa
Dottor Grenvil ... Jan Martiník
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 19. Dezember 2015
Weitere Termine: 22., 25., 27. + 31. 12. 2015


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de

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