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Opernkritik

Lucretia am

Wasserbassin



Judith Thielsen (als Lucretia) im Kölner StaatenHaus | Foto (C) Klaus Lefebvre

Bewertung:    



Das Interim der Kölner Oper dauert bekanntermaßen nun doch länger als ursprünglich geplant, und so hat man im StaatenHaus direkt neben dem Theater am Tanzbrunnen eine neue vorläufige Heimat gefunden. Anders als bei der Aufführung von Stockhausens Sonntag aus Licht (2011) bespielt man jetzt allerdings nicht den ganzen Raum, sondern hat kleine Bühnenräume in die Weite des StaatenHauses hineingebaut. Dennoch ist die Bühne in Saal 3, auf der Brittens The Rape of Lucretia in einer Inszenierung von Kim Anne Schuhmacher gezeigt wird, alles andere als eine Guckkastenbühne. Das birgt, wie immer, Chancen und Risiken. Die Chance ist, dass die Zuschauer, auf zwei Tribünen leicht schräg zur Bühne sitzend, näher als sonst ans Geschehen heranrücken. Denn es gibt keinen trennenden Graben, das Orchester ist vielmehr zwischen den Tribünen platziert. Das Risiko ist, dass sich die Sänger in der Weite des Raumes verlieren, Mühe haben, den Kontakt zum Dirigenten zu halten, und – auf szenischer Ebene – das Geschehen nicht ausreichend fokussiert wird.

Eines gleich vorweg: Musikalisch ist die Aufführung ein Genuss, die durchweg sehr jungen Sänger – bis auf wenige Ausnahmen Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Oper Köln – machen ihre Sache sehr gut, sind szenisch und musikalisch präsent und trotz der teilweise schwierigen räumlichen Situation stets auf dem Punkt. Rainer Mühlbach ist ein souveräner und ruhiger Leiter des sehr klein besetzten Orchesters und der Sänger. Szenisch gilt es, ein paar Abstriche zu machen. Zunächst einmal verengt das Bühnenbild von Tobias Flemming den Spielraum. Der Zuschauer blickt auf ein großes Wasserbecken, in dessen Mitte auf einer Art Insel eine Harfe thront. Gespielt wird überwiegend auf dem Sandstrand vor den beiden Zuschauertribünen. Der Male Chorus und der Female Chorus wirken wie Figuren aus einer Zirkuswelt, stark geschminkt, er in einer Art Direktorenkostüm, sie mit einer Bandage, an der man sie wie ein Hündchen halten kann. Diese beiden geben den Raum vor, geleiten Figuren auf die Spielfläche oder frieren sie mitten im Spiel ein – allerdings nur zu Beginn, danach verlieren sie mehr und mehr an Bedeutung, und die Handlung um die tugendhafte Römerin Lucretia, die von Prinz Tarquinius vergewaltigt wird, rollt zunehmend ohne ihr Zutun ab.

Im Zentrum stehen im ersten Akt Harfe und Harfenistin. Von außen schmachten sie die Männer an und es entsteht der Eindruck, die Harfe stehe für Lucretia. Diese tritt kurz darauf selbst auf, zusammen mit ihrer Dienerin und ihrer Amme. Auffällig sind die Glatze der Amme und die Haarmengen, die büschelweise überall herumliegen. Am Ende werden auch Lucretia die Haare ausfallen, als Zeichen ihrer gefallenen Weiblichkeit.

Selten gelingen dem Regieteam so klare und zugleich berührende Bilder. Das Ganze wirkt szenisch etwas hilflos, und es gelingt der Regie nicht, einen Fokus zu setzen, der auf dieser Bühne allerdings nötig wäre, gerade bei einer so zerbrechlich-bröseligen Partitur wie der Brittens. Im Fokus steht allerhöchstens die Harfe, die im zweiten Teil auch noch in eine Plastikfolie eingepackt wird, um nicht darunter zu leiden, dass der Großteil der Handlung ins Wasser verlegt wird. Das ist szenisch unbefriedigend, zumal die Sänger zwar große Spielfreude zeigen, man sich aber nicht des Eindrucks erwehren kann, dass alle szenische Aktion richtungs- und belanglos bleibt.

Ein weiteres Problem ist die offene Bühne: Um Spieler und Requisiten auf die Bühne zu bekommen, bewegen sich zwei bis drei Menschen unter einem schwarzen Stoff durch den Sand, aus denen sich die Spieler dann bei ihrem ersten Auftritt hervorschälen. Das erweckt Assoziationen an Burkas, die aber ins Leere laufen, und wirkt etwas überambitioniert. Wie überzeugend dagegen der erste Auftritt des Male Chorus zu Beginn des Stückes durch den Vorhang, der ganz weit hinten den Raum beschließt. Einfach, aber wirkungsvoll und zudem gut ausgeleuchtet. Auch in vielem anderen gibt es eher ein Zuviel: Neben dem See liegt ein Boot, mit dem Prinz Tarquinius gewissermaßen nach Rom zurückreitet, indem er es ein paar Meter hinter sich herzieht. An anderer Stelle wird aus dem See ein Stoff emporgezogen, der ein Zelt formt, in dem Lucretia und Prinz Tarquinius verschwinden. Das Ganze findet gewöhnlich eben hinter der Bühne statt.

Die Vergewaltigung der Lucretia hatte übrigens historisch in Rom den Sturz der herrschenden Etrusker zur Folge und markiert damit den Übergang von der Monarchie zur römischen Republik. Davon ist an diesem Abend szenisch leider wenig zu spüren.



The Rape of Lucretia an der Oper Köln | Foto (C) Klaus Lefebvre

Karoline Bendig - 30. Januar 2016
ID 9106
THE RAPE OF LUCRETIA (StaatenHaus, 27.01.2016)
Musikalische Leitung: Rainer Mühlbach
Inszenierung: Kai Anne Schuhmacher 
Bühne: Tobias Flemming
Kostüme: Valerie Hirschmann
Licht: Nicol Hungsberg
Dramaturgie: Georg Kehren
Mit: Keith Bernard Stonum (Male Chorus), Justyna Samborska (Female Chorus), Matthias Hoffmann (Collatinus), Christian Miedl (Junius), In Sik Choi (Prinz Tarquinius), Judith Thielsen (Lucretia), Gabriella Sborgi (Bianca) und Dongmin Lee (Lucia)
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln war am 17. Januar 2016
Weitere Termine: 31. 1. / 3. 2. 2016


Weitere Infos siehe auch: http://www.operkoeln.com


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