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Opernkritik

Feindesliebe

bis zum Tode



(C) Oper Stuttgart

Bewertung:    



Salome von Richard Strauss fesselt an der Oper Stuttgart in der Inszenierung des Russen Kirill Serebrennikov von der ersten Minute an. Die Omnipräsenz von Gewalt vermittelt sich bereits in der ersten Szene, wenn CNN-Nachrichtenbilder von Bombardierungen des IS auf eine Großbildleinwand oberhalb der Bühne projiziert werden. Eine Vielzahl kleinerer Monitore gibt Überwachungskamerabilder wieder (Video: Ilya Shagalov) und zeugt so von der heimischen Angst vor möglichen Angriffen. Ein vielköpfiges Ensemble tummelt sich gesanglich und choreographisch von Anfang an sehr präsent auf den weißen Ledersofas und nüchternen Metallstühlen in der lieblos-kalt ausgestatteten Szenerie der Jetztzeit (Bühne: Pierre Jorge Gonzalez). Die familiäre Grundkonstellation um die Hauptfiguren Salome (Simone Schneider), ihren Stiefvater Herodes (Matthias Kling) und ihre Mutter Herodias (Claudia Mahnke) wird von eisiger Angespanntheit beherrscht, was sich mimisch und gestisch durch ein Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz niederschlägt, wenn sich etwa Herodes und Herodias scheinbar gewohnheitsmäßig nicht verstehen, gleichzeitig jedoch gemeinsam die Abendgesellschaft im Salon begrüßen.



Matthias Klink (Herodes), Simone Schneider (Salome) und Claudia Mahnke (Herodias) | © A. T. Schaefer


Das 1905 nach dem gleichnamigen Schauspiel von Oscar Wilde als Einakter entstandene Musikdrama Salome beruht auf dem biblischen Mythos von der Geschichte des Todes vom Bußprediger Johannes der Täufer, dessen Kopf der Legende nach Salome, Stieftochter des Königs von Galiläa, als Belohnung für einen Tanz gefordert haben soll.

Simone Schneider spielt die Figur der Salome als bockigen Teenager in Springerstiefeln, Leggins und schwarzem Kapuzenpullover. Während sie die Zudringlichkeit ihres Stiefvaters und die mondän-dekadente Erhabenheit ihrer Mutter zunehmend nerven, beginnt sie sich für den Geisel im Keller zu interessieren; den eingekerkerten, jungen Araber und Propheten Johannes. In der Stuttgarter Oper spielt der Schauspieler Yasin El Harrouk seinen jugendlichen, bis zum Tode gequälten Körper, während Iain Paterson seine Stimme mit geradlinig-machtvollem Heldenbariton singt. Johannes erweist sich im Zwiegespräch mit Salome als fanatischer Frauenfeind, wenn er sie beschimpft und verflucht. Doch Salome findet nur noch mehr Gefallen an ihm, als Bedienstete auf ihr Geheiß seinen Körper vor ihren Augen entblößen. Kann sie aber ihn liebkosen, ohne den feindlichen Tiraden seines Geistes Beachtung zu schenken? Ihr Stiefvater gewährt ihr für einen Tanz jedweden Wunsch.



Simone Schneider als Salome | © A.T. Schaefer


Das ungarische Regieduo Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka setzte jüngst in ihrer dezenteren Umsetzung der Strauss-Vorlage an der Oper Bonn in der Schlüsselszene von Salomes Tanz ein Double für die Titelfigur ein, während letztere sich effektvoll auf den Bühnenrand zurückzog. Die Regisseurinnen ließen erst gegen Ende der Tanzdarbietung die eigentliche Protagonistin in die Festgesellschaft treten und diese bannen, indem sie sie in einer Phantasievision ermordete. Auch bei Serebrennikov tanzt die Titelfigur während des langen Instrumentalsolos von Salomes Tanz nicht, und es werden hingegen geheime Träume in Szene gesetzt, hier jedoch die sadistischen Größenphantasien von Herodes. Nur Slips oder Dessous tragend versammeln sich nun sämtliche Hausangestellte einschließlich des Sicherheitspersonals um Herodes und huldigen ihm zärtlich-hingebungsvoll. Auch Herodias ordnet sich ihrem Gatten widerstandslos in dieser Sequenz unter und gibt klein bei, als Herodes versucht sie mit Hilfe eines Kissens zu ersticken beziehungsweise zu erdrosseln. Doch noch ist nicht aller Tage Abend, und bald erweist sich der Traum als eine Wunschvision für Herodes. Während er erkennen muss, welche Ungeheuerlichkeit sich Salome da eigentlich wünscht, triumphiert Herodias begeistert. Denn Johannes, über den Salome nun das Todesurteil spricht, hat sie und ihr Geschlecht mehrfach zutiefst beleidigt.

Es sind vor allem die assoziativen Bilder und Schauwerte, die in Erinnerung bleiben in dieser durchweg pointierten, verspielt-detailfreudig und mit Verweisen auf islamistischen Terror verstörend-provokanten Inszenierung. Verzweifelte Zwischentöne, die das sexuelle Begehren und verdrängte Ängste etwa von Salome oder Johannes modellieren, scheinen dem großen Trotz dieser zentralen Figuren untergeordnet und deuten sich meist nur leise an – oftmals spannungsvoll im expressiven Pulsieren der Musik (Musikalische Leitung: Roland Kluttig). Das Ensemble weiß schlussendlich in der kurzweiligen Vorführung auch gesanglich formvollendet, klang- und höhensicher zu beeindrucken.



Mitglieder der Statisterie, Matthias Klink (Herodes) | © A.T. Schaefer


Ansgar Skoda - 15. Januar 2016
ID 9075
SALOME (Oper Stuttgart, 11.01.2016)
Musikalische Leitung: Roland Kluttig
Regie und Kostüme: Kirill Serebrennikov
Bühne: Pierre Jorge Gonzalez
Video: Ilya Shagalov
Licht: Reinhard Traub
Dramaturgie: Ann-Christine Mecke
Besetzung:
Herodes … Matthias Klink
Herodias … Claudia Mahnke
Salome … Simone Schneider
Jochanaans Stimme … Iain Paterson
Jochanaans Körper … Yasin El Harrouk
Narraboth … Gergely Németi
Ein Page … Idunnu Münch
1. Jude … Torsten Hofmann
2. Jude … Heinz Göhrig
3. Jude … Ian José Ramirez
4. Jude … Daniel Kluge
5. Jude … Eric Ander
1. Nazarener … Shigeo Ishino
2. Nazarener … Dominic Große
1. Soldat … David Steffens
2. Soldat … Guillaume Antoine
Ein Kappadozier … Simon Stricker
Ein Sklave … Esther Dierkes
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 22. November 2015
Weitere Termine: 17., 21. + 30. 1. 20216


Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-stuttgart.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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