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Münchner Opernfestspiele 2014

Der Name der Rose

LA FORZA DEL DESTINO / DER ROSENKAVALIER


La forza del destino mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros - Foto (C) Wilfried Hösl

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In den ersten drei Stunden erinnert der neue Verdi aus dieser Spielzeit (La forza del destino) ungemein an seinen Vorgänger vom letzten Jahr (Il trovatore): Während im Graben nicht viel mehr passiert als Dienst nach Vorschrift, läuft auf der Bühne so ziemlich alles ins Leere. Den Münchnern scheint das aber wuaschd zu sein, sind sie doch sowieso der Sänger wegen gekommen. Und diese sind auch allesamt famos, doch dazu später.

Martin Kušej, Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels, inszenierte schon das dritte Mal bei seinem Nachbarn Nikolaus Bachler. Macbeth und Rusalka waren damals im Vorfeld als Skandal gehandelt worden (der dann aber in beiden Fällen ausblieb). Diesmal hat sich Kušej das provokante Tamtam geklemmt. Dafür lautet jetzt die Parole: Nur nichts falsch machen! Oder anders: Wenn's in einem bayerischen Theater um Religion geht, dann bleibt man lieber kreuzbrav. Und so werden in klobigen Kulissen (Bühne: Martin Zehetgruber) lediglich nebulöse Andeutungen gemacht, haben sich Chor und Statisterie in orientierungsloser Hektik zu üben, servieren Harteros & Co. Schöngesang vor Holzpaneele. Dass man die heißen Forza-Eisen Krieg und Kirche sehr wohl mit Tiefgang behandeln kann, hat nicht nur ein Hans Neuenfels in Berlin gezeigt.

Aber diese Besetzung!!! Die reißt das Ruder tatsächlich herum. Zum Finale furioso im vierten Akt liefern sich der nobel-virile Bariton Ludovic Tézier und der tenorale Teufelskerl Jonas Kaufmann ein packendes Duell um die Sängerkrone, kurz darauf räumt Anja Harteros mit einem spektakulären "Pace, pace" gnadenlos ab. Ihre fragil-gläserne, zärtliche, ja, ophelienhafte Leonora überstrahlt sie alle. Dafür gehts musikalisch ein bisschen zu wie auf dem Rangierbahnhof. Die Ouvertüre - ein immer wieder gern genommener Lückenfüller im Konzert - rumpelt sich dem Ziel entgegen und wird dort vom Publikum mit Ignoranz empfangen. Auch danach leistet sich der Klangkörper einige unschöne Wackler und grobe Schnitzer. Asher Fisch liebt Verdi gerne laut und langsam. Eine Kombination, die ich persönlich noch nie gemocht habe.

*

Tags darauf steht mit Constantin Trinks ein Dirigent am Pult, der zur Musik wirklich was zu sagen hat. Dieser packt den Rosenkavalier am Schlafittchen, bläht die Backen und pustet ihm seine wienerische Walzerglückseligkeit von der Visage. Nehmen wir das Vorspiel (und berücksichtigen dabei die Doppeldeutigkeit des Wortes): Begleitet von rasiermesserscharfen Violinen und einem überaus vorlauten Blech, treiben Bichette und ihr Quinquin atemlos durch die Nacht. Im zweiten Aufzug gelingt Trinks eine ganze Reihe solch grandioser Details. Im Sauseschritt werden die Leuchtpunkte der Partitur angepeilt, um sie dann, im wirklich allerletzten Moment, doch noch in vollster Breite auszukosten. Wie Trinks einzelne Motive vorbereitet und einen Zustand des Schwebens herbeizaubern kann, wie er das Tempo erst herausnimmt und gleich wieder anzieht, ist ausgesprochen raffiniert, wenn nicht sogar genial. Unter seiner Leitung spielt das Bayerische Staatsorchester einen gründlich entstaubten, hochexpressiven Strauss auf.

Wenn hier einer Zucker serviert bekommt, dann der Bühnenaffe: Yosep Kang (Sänger) schenkt uns mit seiner tenoralen Riesenträne im Knopfloch einen herzergreifenden Augenblick; Peter Rose ist ein glaubwürdiger Ochs, der stimmlich in die Vollen greift und mit ordentlich Chuzpe grantelt und sabbert, johlt und jammert; Golda Schultz brilliert als lyrisch versierte Sophie; Soile Isokoski trifft mit ihrem edel timbrierten, herrlich phrasierenden Sopran den nötigen Trübsinnigkeitstonfall der Marschallin, und Alice Coote spielt nicht nur einen hitzköpfigen Octavian, sondern singt ihn auch so, mit herb-jugendlichem Mezzo.

Die vielen Jahre konnten der Inszenierung von Otto Schenk und der Ausstattung von Jürgen Rose nichts anhaben - im Gegenteil. Wenn wir in das Bühnen-, nun ja, -Gemälde des ersten Aktes blicken und die Fürstin Werdenberg die Zeit beschreibt, die an den Sachen doch nichts ändert, dann funktioniert dieser Abend heute vor allem als Erinnerung an die Oper, wie sie früher einmal war. Spätestens wenn die berühmteste Blumenübergabe der Operngeschichte stattfindet, hat uns der alte Theaterhase Schenk sowieso alle im Sack.

Zeitlos schön!



Der Rosenkavalier an der Bayerischen Staatsoper - Foto (C) Wilfried Hösl



Heiko Schon - 1. August 2014
ID 7981
LA FORZA DEL DESTINO (Nationaltheater München, 25.07.2014)
Musikalische Leitung: Asher Fisch
Inszenierung: Martin Kušej
Bühne: Martin Zehetgruber
Kostüme: Heidi Hackl
Besetzung:
Il Marchese di Calatrava / Padre Guardiano … Vitalij Kowaljow
Donna Leonora … Anja Harteros
Don Carlo di Vargas … Ludovic Tézier
Don Alvaro … Jonas Kaufmann
Preziosilla … Nadia Krasteva
Fra Melitone … Renato Girolami
Bayerisches Staatsorchester
Chor, Extrachor, Statisterie und Kinderstatisterie der Bayerischen Staatsoper
Choreinstudierung: Sören Eckhoff
Premiere war am 22. Dezember 2013
Weitere Termine: 4., 7., 10. 5. 2015

DER ROSENKAVALIER (Nationaltheater München, 26.07.2014)
Musikalische Leitung: Constantin Trinks
Inszenierung: Otto Schenk
Bühne und Kostüme: Jürgen Rose
Besetzung:
Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg … Soile Isokoski
Der Baron Ochs auf Lerchenau … Peter Rose
Octavian … Alice Coote
Herr von Faninal … Martin Gantner
Sophie … Golda Schultz
Bayerisches Staatsorchester
Chor, Statisterie und Kinderstatisterie der Bayerischen Staatsoper
Choreinstudierung: Sören Eckhoff
Premiere war am 20. April 1972


Weitere Infos siehe auch: http://www.bayerische.staatsoper.de


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