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Konzertkritik

Sommernachts-

stimmung

Glanzvolle Improvisationskunst mit Rufus Wainwright als Opernsänger


Mezzosporanistin Angelika Kirchschlager, Pianistin Sarah Tysman und Popstar Rufus Wainwright bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen | Foto (C) Ansgar Skoda

Bewertung:    



Laue, lange Sommerabende inspirierten so manchen Künstler zu findigen Abenteuern. Lustvolle Verwicklungen nach der flirrenden Hitze des Tages behandelte so schon William Shakespeares Komödie Ein Sommernachtstraum von 1605. Im Zauber der Sommernacht können Rollen getauscht, neue Allianzen gebildet werden – dies finden auch die Mezzosporanistin Angelika Kirchschlager und der Singer-Songwriter Rufus Wainwright. Sie verabredeten sich am letzten Sonntag - im Theatersaal des Forums am Schlosspark im Rahmen der Ludwigsburger Schlossfestspiele - , um ihre Rollen und das Repertoire für einen Abend lang zu tauschen. Die vielfach ausgezeichnete Lied- und Opernsängerin Kirchschlager interpretiert sämtliche Songs von Wainwrights Album All Days are Nights: Songs for Lulu (2010) ausdrucksstark und mit persönlicher Färbung. Wainwright singt im Anschluss mit pointierter, beweglicher Stimmführung Lieder der Romantik des klassischen Komponisten Hector Berlioz (1803-1869), die zu Kirchschlagers Repertoire gehören.

Das einmalige Konzerterlebnis der gut aufgelegten Künstler wird zu einer Tour de Force, in denen sich markante Stimmen mit völlig neuen Kompositionen Gehör verschaffen und den Gehörgängen schmeicheln. Zur Unterhaltung trägt eine Stimmung von Improvisiertheit bei. Um den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, wurde das Publikum zu Konzertbeginn gebeten, zwischen den Stücken nicht zu klatschen. Dennoch waren Applause unvermeidlich, als sowohl Kirchschlager als auch später Wainwright einmal inmitten ihren Performances innehalten, um diese von Neuen zu beginnen, weil sie noch nicht zufrieden waren. Die zwölf Songs aus All Days are Nights gehören zu den intimsten Werken Wainwrights, da sie nur mit einer Klavierbegleitung auskommen. Üblicherweise arbeitet die kanadisch-US-amerikanische Pop-Ikone mit einer dichten Orchestrierung verschiedener Instrumente. Einführend erzählt Wainwright vor Kirchschlagers Auftritt, er habe die Songs in einer schwierigen Lebensphase komponiert, als er seiner krebskranken Mutter – der kanadischen Sängerin Kate McGarrigle – in ihrer letzten Lebensphase beistand. Seine Mutter starb noch vor Werkvollendung, und der Popvirtuose leistet mit seinem sechsten Studioalbum so auch Trauerarbeit.

Trost in seiner Phase des Lebensumbruchs fand Wainwright in Sonetten Shakespeares oder in der Figur der Lulu, eine schillernde Femme fatale aus Tragödien des Dramatikers Frank Wedekind. Wainwright widmete sein Album eben dieser Figur, und er vertonte in seinem Songzyklus drei Sonette Shakespeares. Außerdem enthält das Album ein persönliches Lied über seine Schwester Martha und die Schlussarie "Les feux d'artifice t'appellent" aus seiner Oper Prima Donna (2009). Noch vor Kirchschlager haben andere Opernsängerinnen, wie die Sopranistinnen Wallis Giunta oder Janis Kelly, Wainwrights Songzyklus zur Aufführung gebracht. Kirchschlager tut dies – begleitet von der Pianistin Sarah Tysman – einfühlend und bewegend. Sie läuft bei ihren Interpretationen der Shakespeare-Sonette 10, 20 und 43 sowie bei "What would I do Ever Do with a Rose" zu wahren Höhenflügen auf. Leider sind die vielschichtigen Songtexte trotz nuancierter Stimmführung oft nicht verständlich, und im begleitenden Programmheft sucht man Songtexte oder Infos über Hintergründe vergeblich.

Wonnevolle Schauer lösen nach der Pause dann Wainwrights kraftvoll-nuancierten Interpretationen von Klageliedern Hector Berlioz’ aus. Kaum ein anderer Künstler vermag so lustvoll Melodien von Trennung, Liebesverlust und Tod in die Länge zu dehnen wie Wainwright, der seinen warmen und bewegten Gesang gestisch durch theatralische Arm- und Handbewegungen unterstreicht. Auch er wird am Klavier von der Pianistin Tysman begleitet, bevor er sich bei der Performance seines Songs "The Art Teacher" aus seinem vierten Album Want Two (2004) selbst begleitet - leider der einzige seiner Songs, den er an diesem Abend selbst performt. Zu Konzerthöhepunkten werden gegen Ende die Werke anderer Komponisten, wenn Wainwright und Kirchschlager zusammen die Zuhälterballade von Kurt Weill aus der Dreigroschenoper singen und später ein ungewöhnliches Duett-Medley wagen – Wainwright stimmt den durch Edith Piaf berühmt gewordenen Chanson "Non, je ne regrette rien" an, während Kirchschlager "Lascia ch’io pianga" aus Händels Rinaldo hinein singt. Zum Ende hin wird es dann leider ein bisschen arg gefühlvoll, wenn sich die Künstler für das Gemeinschaftsprojekt überschwänglich gegenseitig bedanken und Wainwright seine im Publikum sitzenden Schwiegereltern Helga und Bernd grüßt – er ist seit 2012 mit dem Berliner Theaterproduzenten Jörn Weisbrodt verheiratet. Zuletzt singen Kirchschlager und Wainwright gemeinsam die Balladen "Hallelujah" (1984) und - mit Blick auf den dem Ludwigsburger Schloss nahegelegenen Rosengarten - den Klassiker "The Rose" (1979). Wahrlich exquisit.



Sarah Tysman, Angelika Kirchschlager und Rufus Wainwright | Foto (C) Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 17. Juni 2015
ID 8706
Weitere Infos siehe auch: http://www.schlossfestspiele.de/


Post an Ansgar Skoda

http://www.ansgar-skoda.de



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