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Konzertkritik

Russisches,

Sowjetisches



Das ist der Dirigent Andrey Boreyko. | Foto (C) Richard de Stoutz

Bewertung:    



Igor Strawinsky hatte, als er 26 Jahre jung gewesen war, auf seinen 1908 verstorbenen "Privtatlehrer" und väterlichen Freund Nikolai Rimski-Korsakow einen Trauergesang (Chant funèbre op. 5) geschrieben - ein knapp zwölfminütiges Orchesterstück in Großbesetzung. "Unglücklicherweise ist die Partitur dieses Werkes während der Revolution in Russland verlorengegangen, wie so vieles andere, das ich dort gelassen habe. Ich entsinne mich der Musik nicht mehr, aber sehr gut noch der Idee, die ihr zugrunde lag. Es war ein Trauerzug aller Soloinstrumente des Orchesters, von denen eines nach dem anderen seine Melodie wie einen Kranz auf das Grab des Meisters legte. Dieser Gesang hob sich ab von dem ersten Hintergrund eines Tremolo, dessen Gemurmel den schwankenden Bassstimmen eines Trauerchors glich." (Strawinski in seinen Erinnerungen, ca. 1930)

Dirigent Andrey Boreyko ließ das Stück jetzt auf die Notenpulte vom Konzerthausorchester Berlin legen. Vor ungefähr drei Jahren wurden es bei Renovierungsarbeiten im St. Petersburger Konservatorium zufälliger Weise wiederentdeckt - ja und seit gestern Abend hat es daher auch die Hörerohren am Gendarmenmarkt erreicht gehabt.

*

Tschaikowskys Erstes Klavierkonzert ist - was dann insbesondere den ersten Satz betrifft - so derart abgedroschen und bekannt, dass heutzutage wohl dann "nur noch" ausgefeilteste und abgehobenste Darreichungsarten groß interessieren. Pianistin Anna Vinnitskaya (seit geraumer Zeit im Weltstar-Modus) zählt zu diesen VirtuosInnen, die außer ihrem virtuosen Können auch eine gewisse zwingende Persönlichkeitsausstrahlung ganz im Dienste der Musik zu investieren in der Lage sind. Der buchstäbliche Funke springt bei ihr dann nicht nur über, sondern springt einen direkt will sagen umwegloser Weise an. Zum bloßen Hören tut sich hier, in diesem fast erotisch anmutenden Wechselspiel, ein aktivierter Sehsinn über das normale Maß hinaus mobilisieren. Vinnitskaya, dieser die vermeintliche Russische Seele aus dem schwarzen Kasten aussaugende Vamp am Flügel, wird und wurde nach Verklingen des bombastisch anmutenden Schlussakkords haltlos mit Ovationen überschüttet!

* *

Ganz im Zentrum des Konzerts stand Schostakowitschs großdimensionierte elfte Sinfonie Das Jahr 1905:

"Die aufgeladene Atmosphäre eines eisigen Januartags, an dem Soldaten des Zaren einen friedlichen Demonstrationsmarsch streikender Arbeiter auf dem Weg zum Winterpalast beschossen, das Massaker, die Trauer und die Hoffnung auf die bessere Zukunft sind aus den vier Sätzen eindrücklich herauszuhören." (Quelle: konzerthaus.de)

Gestaltererischerseits bleibt nachgerade anzumerken, dass gerade jenes winterliche Schneemotiv, was sich fast leitmotivisch durch das einstündige Opus - wo die Sätze ineinander übergehen - zieht, vom Anfang bis zum Schluss als "Ungefühltes" registrierbar schien. Doch ausgerechnet diese Stellen und Passagen sollten schon das stimmungsmäßig Depressive, Aussichtslose nicht allein der programmatisch dargestellten Situation, sondern auch ihres Schöpfers klanglich widerspiegeln... Konnte oder wollte der Boreyko das am Ende dem ihm vorstehenden Klangkörper nicht recht vermitteln?

Dennoch: großartiger Abend.



Petersburger Blutsonntag: Demonstranten flüchten panikartig vor den Soldaten im Vordergrund. Das Foto wurde erst 1925 nachgestellt. | Bildquelle: Wikipedia

Andre Sokolowski - 30. September 2017
ID 10289
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN (Konzerthaus Berlin, 29.09.2017)
Strawinsky: Chant funèbre (Grabgesang) für Orchester
Tschaikowsky: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23
Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 (Das Jahr 1905)
Anna Vinnitskaya, Klavier
Konzerthausorchester Berlin
Dirigent: Andrey Boreyko


Weitere Infos siehe auch: http://www.konzerthaus.de


http://www.andre-sokolowski.de

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