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Elbphilharmonie

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Ensemble Resonanz


Plakatmotiv für das Eröffnungskonzert des Kleinen Saales der neuen Elbphilharmonie in Hamburg mit dem Ensemble Resonanz | Bildquelle: ensembleresonanz.com

Bewertung:    



Der Weg allein ist ein Genuss, die lange Rolltreppe hinauf, dann wie ein Schneckengehäuse, auch dem Gehörgang nachempfunden, schwingt sich die Treppe in den Kleinen Saal, auch die Seele des Hauses genannt. Davor ist nichts gerade, manche mögen ihre Orientierung verlieren, doch genau darum geht es: Sitzt dieser Sinn nicht genau im Ohr?! Also nichts als Kurven, unerwartete Ecken, edle Wände, schräge Säulen - all das ist der Natur nachempfunden und verändert die Raumperspektive und damit die sinnliche Wahrnehmung.

Zu empfehlen ist, früh zu kommen, sich einzufühlen, vielleicht einen Sekt zu trinken. Das Foyer des Kleinen Saals ist gemütlich und offen zugleich. Dort befindet sich eine Bar und die Garderobe.

Mann/Frau ist gekommen im Anzug und Abendkleid, oder auch lässig schick bis gediegen.

Die Vorfreude steigt...

Es ist das Eröffnungskonzert des Kleinen Saales der neuen Elbphilharmonie Hamburg, und der wird an diesem Nachmittag bespielt vom Ensemble Resonanz. Mit Release hat Georg Friedrich Haas (*1953) ein neues Werk zu diesem Anlass geschrieben:

Schwirrende Bienen empfangen uns, es sitzen nur zwei Musiker auf der Bühne, doch der Sound erfüllt schon den ganzen Raum. Harfe und Klavier im völlig ungewohnten Klang. Es kommt von überall her, wie Wellen im Raum, Klänge des Universums, enthoben sensibilisieren sie alle Sinne. Ich rieche einen Raucher von irgendwoher.

Besser, ich schaue mir den Raum an. Holzpaneele an der Wand, die aussieht wie weiche Polster, sie ist geriffelt und hat einen warmen Holzton. Es ist ein Gefühl wie in einer wohligen Höhle zu sitzen. Über uns, einem Sternenhimmel gleich, die Scheinwerfer. Das Ganze ein eigener Kosmos.

Allein der Klang der Harfe lässt Leben erwachen. Rauschen, Sehnsuchtsklänge, Romantik im Hörsaal der Gefühle. Denn, ich fühle mich wie in einem Teich, ich zerfließe ohne mich zu wehren. Sirenen kommen herbei uns zu verzaubern. Da! Abermillionen von Mücken bevölkern das Wasser, eine körperliche Erfahrung, das Dritte Auge pulsiert. Es ist ein vielschichtiges Leben und Vibrieren im Raum. Die Töne machen einen schwindlig. Plötzlich erklingt die Melodie menschlichen Lebens. Ich lasse mich berühren, schließe die Augen.

Das Leben - ein langer unaufhaltsamer Fluss.

Neue Musiker kommen hinzu. Schrecksekunde. Der argentinische Dirigent und Komponist Emilio Pomàrico - eine unglaubliche Erscheinung - tritt auf, mit wallendem grauen Haar, klassischer Nase, mit sanften Handbewegungen und balinesischen Fingern leitet er fortan das Orchester, bringt die Musiker in wunderbare Höhen, ermöglicht Freude, Spiel und Eleganz. Jetzt hat man nicht nur Schmetterlinge im Bauch, man hat auch was zu gucken. Vollblutmusiker geben ihr Äußerstes.

Das String Orchestra. Ein Auf- und Abschwellen, plötzlich zupfen alle, auch klingt es zuweilen wie Maschinen, hohe und tiefste Töne, Katzengejammer, Paukenschläge. Es läuft einem eiskalt den Rücken herunter. Oh, ja, lasst uns Schlittschuhlaufen!

Da kommt die französische Sopranistin Sandrine Piau im langen silbernen Kleid, um mit uns genau das zu tun. Sie singt von Einsamkeit und Sehnsucht, von Euphorie und Liebe, und sie singt mit starkem Ausdruckswillen bis in die höchsten Töne. Wie kann doch ihr zarter Körper eine solche Kraft entwickeln? Wir kommen mit ihr in Bewegung, schwingen uns ein, ob wir wollen oder nicht. Resonanz im Schwebezustand!

Der Komponist Haas hat eine Geschichte erzählt, von der Utopie einer Freiheit. Vielleicht ist es nicht für jeden die gleiche, doch alle werden den Sound spüren, seine Vibration im unbekannten Raum. Das Grundrauschen befördert uns vielleicht in die Welt der Tiere, in Materie schlechthin, in schwingende Moleküle kleinster Ordnung. Unsere Kultur wird sehr vom Intellekt bestimmt, doch Zeit und Raum sind komplexer, größer, und vielleicht geht es darum, mit allem verbunden zu sein.



Eröffnung Kleiner Saal (C) Jann Wilken


*

Wahrlich, es ist eine Inbesitznahme der Elbphilharmonie. Musik und Architektur sind eins.

Der Raum ist offen, es gilt ihn gemeinsam zu entdecken. Er bietet die Möglichkeit musikalischer Erfahrung im weitesten Sinne. Bis zum Schluß hat man noch an der Akustik gearbeitet. Der Raum verzeiht nichts, Räuspern unterbricht die Stille, die doch bei klassischer Musik so wichtig ist.

Die Bühne ist nicht fest, Sitze sind variabel, auch lässt sich ein Ballsaal einrichten.

Der Wert dieser Kulturstätte ist nicht in Geld aufzuwiegen. Wie gut, dass es Utopisten gab, das ganze Verrückte in die Welt zu bringen. Es braucht Mut, um den Schritt in eine unbekannte Richtung zu gehen.

Allen Meckerern zum Trotz.

* *

Das Streichorchester [des Ensembles Modern] ist demokratisch organisiert und arbeitet ohne festen Dirigenten. Es zieht als Ensemble Residence in den Kleinen Saal.
Liane Kampeter - 17. Januar 2017
ID 9791
ENSEMBLE RESONANZ (Kleiner Saal, 16.01.2017)
Georg Friedrich Haas: Release (UA)
Alban Berg: Sieben frühe Lieder | Bearbeitung von Johannes Schöllhorn (UA)
Béla Bartók: Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta
Ensemble Resonanz
Sandrine Piau, Sopan
Schlagquartett Köln
Dirigent: Emilio Pomàrico
Eröffnungskonzert des Kleinen Saales der Elbphilharmonie Hamburg


Weitere Infos siehe auch: http://www.ensembleresonanz.com


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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