Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Klavierabend

In einer Stunde

und 33 Stücken

vom Walzer weg

zum Menuett



Das ist Igor Levit. | Foto (C) Felix Broede

Bewertung:    



Igor Levit, der neue Popstar unter den jungen Pianisten, hat gerade einen CD-Sampler mit drei unterschiedlich-weltberühmten Variationszyklen von Bach, Beethoven, Rzewski vorgelegt. Mit selbigen drei Werken lud ihn jetzt die Stiftung der Berliner Philharmoniker in ihren Kammermusiksaal. Levits zwei Konzerte fanden kurz hintereinander statt; ich hatte mir den "Mittelteil", Beethovens Diabelli-Variationen, gestern Abend live gegönnt - dem freilich noch viel wichtigeren (sicher hochspektakulären) Schluss seiner Konzerte, nämlich The People United Will Never Be Defeated! von Frederic Rzewski (36 Variationen auf "El pueblo unido jamás será vencido!" von Sergio Ortega [nach dem 1975er Militärputsch in Chile wurde dieses Lied mit der Gruppe Quilapayún in Ostdeutschland, wo viele Chilenen lebensrettendes Exil gefunden hatten, herauf und herunter gespielt; ich bin mit diesem quasi groß geworden]) blieb ich aus Erschöpfungsgründen fern, was sicherlich ein kardinaler Fehler war...

Aber die sog. 33 Veränderungen über einer Walzer von Diabelli sind dann sicher auch nicht übel:


*

Der Musikverleger "Diabelli hatte im Frühjahr 1819 einen kleinen Walzer aus der eigenen Feder an alle ihm bekannten Komponisten und Virtuosen im österreichischen Kaiserreich geschickt, verbunden mit der Bitte, eine Variation auf dieses Thema zu verfassen. Geplant war ein Sammelband, der von den weitreichenden Verbindungen des noch jungen Verlagsunternehmens zeugen sollte. Im Gegensatz zur Vielzahl der übrigen Musiker, die sich anstandslos beteiligten (unter ihnen damalige Stars wie Moscheles, Kalkbrenner und Hummel, aber auch noch unbekannte Nachwuchstalente wie Schubert und Liszt), antwortete Beethoven äußerst verspätet, dann aber mit der überwältigenden Zahl von 33 Variationen.

(...)

Karikatur, Persiflage und Scherz gehören zu den Essenzen der Diabelli-Variationen. Besonders in der zweiten Hälfte des Werks reicht diese Ebene weit über das ursprüngliche Material hinaus. Hier nimmt Beethoven einerseits den damals populären Etüdenstil etwa von Johann Baptist Cramer oder Carl Czerny aufs Korn, andererseits spielt er auch auf »seriösere« Musik an. Deutlich wird das etwa in der Hommage an die Arie »Notte e giorno faticar« aus Mozarts Don Giovanni in der 22. Variation.

(...)

Am Ende durchdringen sich die Allusionen immer mehr, gewinnen an Tiefgründigkeit und Subtilität. (...) Mit der 33. Variation schließt sich der Kreis zum Originalthema. Das Tempo di Menuetto erinnert nicht zuletzt durch seinen Dreivierteltakt ein letztes Mal entfernt an die Walzerform, im fast improvisiert wirkenden Reichtum dieses Schlusses liegt indes auch etwas Neues. Diabellis Walzer ist ein anderes, Beethovens eigenes Werk geworden."

(Felix Werthschulte, Das Große im Kleinen; Quelle: berliner-philharmoniker.de)

*

Und was macht Igor aus dem Einstünder?

Man sieht ihn vollkommen in sich verschlossen, konzentriert. Er scheint die Aufeinanderfolge aller Einzelnummern nach etwaiger Komplexheit geistig durchzuforsten - und sehr bald stellt er (für sich) wohlweißlich fest, dass es dem Zyklus gar womöglich an "Zusammenheitsgefühl" gewissermaßen mangelt, das will sagen, dass - ist diese Einsicht erst mal da und wird sie pianistisch-autonom von Einzelstück zu Einzelstück mit konsequenter Fingerkunst und -fertigkeit auf spielerische Art bewältigt - er ganz frei sein kann mit Allem, was da "einzeln kommt", so frei wie möglich umzugehen.

Von arg früher sind mir einerseits die Professoren-Aufnahme mit Amadeus Webersinke (1920-2005), zum Anderen die kenntnisreiche Einspielung mit Alfred Brendel (85) in Erinnerung - Levit geht da, wenn ich das so vergleiche, einen völlig anderen und holprigen und dennoch hochpräzisen und von altem Asphalt wiederum befreiten also erdbelass'nen Weg.

Sehr luftig, sehr erstaunt, sehr gute Laune.

Andre Sokolowski - 21. Juni 2017
ID 10100
KLAVIERABEND MIT IGOR LEVIT II (KMS der Philharmonie Berlin, 20.06.2017)
Ludwig van Beethoven: Diabelli-Variationen op. 120
Frederic Rzewski: 36 Variations on The People United Will Never Be Defeated!
Igor Levit, Klavier


Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-philharmoniker.de


http://www.andre-sokolowski.de

Rosinenpicken



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:





MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BAYREUTHER FESTSPIELE

CASTORFOPERN

CD / DVD

INTERVIEWS

KONZERTKRITIKEN

LEUTE MIT MUSIK

LIVE-STREAMS |
ONLINE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)