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Premierenkritik

ORIGINALE

von Karlheinz Stockhausen


Stockhausens Originale an der Staatsoper im Schiller Theater - Foto (C) Vincent Stefan

Bewertung:    



"Der Komponist Karlheinz Stockhausen realisiert dieses Schlüsselwerk für die Fluxus- und Happeningbewegung u.a. mit den mitwirkenden Originalen David Tudor (Piano und Schlagzeug), Nam June Paik (Aktionen), Mary Bauermeister (Malerin) und Wolfgang Ramsbott (Kameramann). 18 Szenen mit 7 selbständigen Strukturen werden in beliebiger Reihenfolge und bis zu 3 Strukturen gleichzeitig aufgeführt. Das Stück verbindet 'selbständige Momente nach Maßgabe von Intensität, Dauer, Dichte, Erneuerungsgrad, Wirkungsreichweite, Gleichzeitigkeit, Reihenfolge.' Die Musik bezeichnet Stockhausen als 'Kontakte für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug' und der Regisseur Caspari interpretiert die Partitur als Vorlage und Zeitablauf für 'assoziative Spontanaktivitäten'. Paik wirft Mehl, Zucker und Reis ins Publikum, woraufhin das Kölner Kulturamt dem Theater die Zuschüsse streicht."
(Quelle: medienkunstnetz.de)

* * *

INFEKTION!, das Festival für Neues Musiktheater im Schiller-Theater widmet sich in diesem Jahr der Kunstgattung Fluxus.

John Cage, Joseph Beuys, Yoko Ono und viele andere versuchten Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die tradierten (bürgerlichen) Vorstellungen von Kunst aufzulösen und neu zu denken.

Karlheinz Stockhausens Originale ist ein Schlüsselwerk, vielleicht auch das Werk der Bewegung. 1961 wurde es unter den Protesten des Establishments in Köln uraufgeführt. 1964 startete eine zweite Reihe von Aufführungen in New York. Jetzt kamen die Proteste von der anderen Seite: George Maciunas und andere Fluxus-Vertreter demonstrierten unter dem Namen "Action Against Cultural Imperialism" gegen Stockhausen, den sie als "patrizistischen Theoristen" bezeichneten und die Aufführungen u.a. durch den Einsatz von Stinkbomben sabotierten.

*

50 Jahre später bringt jetzt der junge österreichische Regisseur Georg Schütky das Werk wieder auf die Bühne. In die Werkstatt des Schiller Theaters ist mittig ein riesiges Podest installiert. Zu Beginn agieren dort die 31 Akteure, das Publikum steht ringsherum. Später wechselt die Anordnung, das Publikum wird auf das Podest drapiert, die Aktionen jetzt um das Podest und auf den umliegenden Emporen. Eine Dame in giftgrünem Schlauchkleid, Akteure mi buntem Plastikfedern oder mit Häuptlingsschmuck laufen und robben durch den Raum. Eine Puppenspielerin unterhält sich mit ihrem Double (einer Handpuppe) darüber, wer wirklich real ist: die Puppe oder sie? Ein kniehoher Roboter tanzt vor dem Publikumspodium, ein tätowierter Drehorgelspieler dreht die Kurbel seines Instruments. Regisseur Georg Schütky und Dirigent Max Renne befinden sich inmitten dieses Tohuwabohus. Schütky gibt lautstark Anweisungen, Renne arrangiert die Komposition - eine Fassung für Klavier und Schlagzeug, die live gespielt, aufgenommen und später im Stück elektroakustisch bearbeitet und collagiert wird. Spontane Aktionen kontrastieren mit dem strengen musikalischen Konzept von Stockhausen. Der Affe aus der Uraufführung wird ersetzt durch Grace, der amtierenden Weltmeisterin im Roboterfußball; anstelle des verstorbenen Aktionsmusikers Nam June Paik kommt die Band Antinational Embassy dazu, die sich in Kreuzberg für die Rechte von Flüchtlingen formiert hat.

Die Aufführung versetzt die Zuschauer in den künstlerischen Diskurs der 1960er Jahre. Die Künstlers der Fluxus-Bewegung spürten, dass sich die eindimensionale Welt mit klaren Regeln für richtig und falsch auflösen wird. Originale versucht sich an den Begriffen Gleichzeitigkeit, Interaktion und Multikausalität. Was damals nur Begriffe waren, ist für uns heute längst Realität geworden. Wir telefonieren nicht mehr, sondern wir chatten in Gruppen. Entscheidungen, ob privat oder im Beruf, werden ständig hinterfragt und korrigiert. Unsere Erlebnisse gehören nicht mehr uns, da sie immer und sofort über Facebook oder Instagram allen und überall zugänglich sind. Doch wer stellt heute die Fragen, wie unsere Welt in 50 Jahren aussehen wird? Wo sind die Visionäre, welche versuchen, die Welt von morgen zu denken? Diesen Fragen ernsthaft nachzugehen, versäumt die Inszenierung. Der reichliche Einsatz von Smartphones, Livekameras und dem Roboter vermittelt den Eindruck, unsere Zukunft liegt in der Digitalisierung und in den Netzwerken.

Wer sind die heutigen Visionäre? Die Antwort bleibt uns Georg Schütky schuldig. Keine Proteste am Ende der Inszenierung - weder vom Establishment noch von der anderen Seite, dagegen höflicher Applaus, und ab geht’s zum Sektempfang. Unsere Welt ist smarter geworden!




Stockhausens Originale an der Staatsoper im Schiller Theater - Foto (C) Vincent Stefan

Steffen Kühn - 14. Juni 2015
ID 8702
ORIGINALE (Werkstatt im Schiller Theater, 13.06.2015)
Regisseur: Georg Schütky
Dirigent: Max Renne
Dramaturgie: Roman Reeger
Pianist: Adrian Heger
Schlagzeugerin: Ni Fan
Kameramann: Vincent Stefan
Beleuchterin: Irene Selka
Tontechniker: Sébastian Alazet
Aktionsmusiker: Antinational Embassy
Kinder: Bruno und Marcelo Renne
Modedame: Caterina Pogorzelski
Straßenmusiker: Miloš Kozoň
Garderobenfrau: Ilona Schwabe
Roboter: Roboter FUmanoids
Aktionsmaler: Thomas Goerge
Dichter: Gerhard Rühm
Schauspieler I: Abdoul Kader Traoré
Schauspielerin II: Friederike Harmsen
Schauspielerin III: Nora-Lee Sanwald
Schauspielerin IV: Irm Hermann
Schauspieler V: Günter Schanzmann
Premiere an der Staatsoper im Schiller Theater war am 13. Juni 2015
Weitere Termine: 20., 24., 25., 27. 6. 2015
INFEKTION! FESTIVAL FÜR NEUES MUSIKTHEATER
FLUXUS RELOADED


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de



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