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Festival

Improvisierte Avantgardemusik und zeitgenössischer Jazz



Bewertung:    



Auf mittlerweile bereits fünf Ausgaben kann in diesem Jahr das kleine aber doch auch großartige Avantgarde-Jazzfestival A L’ARME! zurückschauen. Erstmalig 2012 ertönte der Aufruf „A L’ARME - zu den Waffen“ im Radialsystem V, einem umgebauten Pumpwerk am Spreeufer, das sich seit 2006 als internationaler Treffpunkt für experimentelle Musik, zeitgenössischen Tanz und viele andere Künste etabliert hat. Weniger militärisch als viel mehr improvisationslustig präsentierte sich seitdem auch das Line-up des Festivals, auf dem sich Avantgarde-, Noise- und Free-Jazz-Größen wie Peter und Caspar Brötzmann, Joe McPhee, Thurston Moor, FM Einheit, Mats Gustafson, Massimo Pupillo, Ken Vandermark, Ingrid Laubrock und sogar Pop-Größen wie Neneh Cherry ein Stelldichein gaben.

Zum viertägigen Jubiläum versprechen die Veranstalter eine Vielzahl von Album-Erstvorstellungen und kompositorischen Uraufführungen. Dazu wurde eine Mix aus AL'ARME!-All-Stars und jüngeren Talenten der Avantgardemusik-Szene eingeladen. Wobei der Fokus des Festivals auf der Berliner Jazz- und Improvisationsszene liegen soll. Mit internationalen Größen wie Joe McPhee und Thurston Moor, der sein neues Album Rock N Roll Consciousness vorstellt, oder dem Berliner Industrial-Gitarristen Caspar Brötzmann, der im Duett mit Thurston Moor sowie im Trio mit dem italienischen Bassisten Massimo Pupillo und dem Schweizer Drummer Alexandre Babel auftritt, werden allerlei Spielarten zeitgenössischer experimenteller Musik, über alle Genre-Schubladen hinaus zu hören sein. Spezielle After-Show-Partys mit elektronischer Musik präsentiert das Raster-Noton-Label.



*


Wie in den letzten beiden Jahren fand das Opening des Festivals am Mittwochabend in Berlins Techno-Tempel Nr. 1, dem Berghain statt. Die in Berlin lebende japanische DJ-Künstlerin Mieko Suzuki mischte dazu den passenden elektronischen Begrüßungssound. Auch wenn ihre schmale Silhouette hinter den Turntables kaum wahrnehmbar war, versprühte sie doch vor und zwischen den einzelnen Live-Acts mit ihren wabernden, elektroakustischen Basslinien eine bemerkenswert klangliche Präsenz. Ein fast psychodelisches Warm-up, zu dem der nachfolgende deutsche Elektropionier, Visual Artist und Mitbegründer des renommierten Raster-Noton-Labels, Frank Bretschneider, zunächst so gar nicht recht passen wollte.



Mieko Suzuki | Foto (C) Peter Gannushkin


Bretschneider, der mit seinem alten Kollegen aus Karl-Marx-Städter AG.Geige-Zeiten Olaf Bender aka Byetone Samstagnacht noch ein paar DJ-Sets im Radialsystem V spielen wird, trat mit seiner audiovisuellen EXP-Solo-Performance auf. Der elektronische Soundtüftler erzeugte auf seinem Laptop ca. eine halbe Stunde lang elektroakustische Störgeräusche, zu deren Rhythmus auf einem Videoscreen im Hintergrund bizarre Herzfrequenzkurven und andere Computergrafiken hypnotisch zuckten.

Es war ein Abend der Extreme und klanglichen Collagen. Extrem experimentell wirkte im Anschluss auch das Zusammenspiel der beiden avantgardistischen Gitarren-Gurus Caspar Brötzmann und Thurston Moor. Berliner Industrial trifft New Yorker Noise-Rock - zwei Fender-Gitarren im unmittelbaren Soundbattle. Die beiden Experimental-Gitarreros türmten zunächst ein paar improvisierte Lärmwände auf, die sie nach und nach unter viel Getöse wieder einrissen. Dabei wurden die Stahl-Saiten der Elektrogitarren auf alle nur erdenkliche Art und Weise malträtiert. Vorwärtstreibende Gitarrenriffs von Thurston Moor verknäulten sich mit den metallen zerrenden Geräuschen, die der Massaker-Frontmann seiner E-Gitarre entlockte. Ein Noise- und Feedbackgewitter, das hin und wieder auch in ein fast meditatives Glockengeläut überging.



Elephant 9 | Foto (C) Hans Petter Heggli


Allein das wäre für geübte Noise-Rock-Jünger schon das Eintrittsgeld wert gewesen, wenn nicht mit dem norwegischen Hammond-Orgel-Powertrio Elephant9 gegen 23 Uhr noch ein ganz spezielles Set das Lärm-Glück komplettiert hätte. Man könnte meinen, die musikalischen Uhren im Berghain liefen an diesem Abend rückwärts. Die Auferstehung des Avantgarde-Jazz und Prog-Rock der 1960er Jahre, der nicht nur Brötzmann und Moor inspiriert haben dürfte, im bombastischen Sound-Gewand des Elektro-Organisten Ståle Storkløkken begleitet von Nikolai Hængsle Eilertsens psychedelischen Basslinien und den treibenden Drums des Schlagzeugers Torstein Lofthus. Und damit schwimmen die drei Norweger natürlich auf einer anhaltenden Retro-Welle. Was diesen an Prog-Rock-Größen wie King Crimson oder Amon Düül erinnernden Instrumentalsound ins 21. Jahrhundert trägt, sind der konsequente Einsatz von elektronischen Loops und verzerrten Fender Rhodes, die den Sound dadurch auch für jüngere Techno-Fans tanzbar machen. Eine gelungene Fusion von Elektronik und Art-Rock.


* *


Bis zum Samstag werden an drei weiteren Abenden die Jamsessions einzelner Musiker miteinander, sowie Orchester- und Bandauftritte im Radialsystem V fortgesetzt. Es wird einen Soloauftritt der slowenischen Pianistin, Komponistin und Orchesterleiterin Kaja Draksler, ein Duett des US-amerikanischen Free-Jeazz-Trompeters Joe McPhee mit dem norwegischen Drummer Paal Nilssen-Love und ein Orchesterwerk des US-Trompeters Nate Wooley mit dem 19-köpfigen Big-Band-Projekt Seven Storey Mountain V geben. In diesem Sinne: Get Noise! Let’s A L’ARME!

Stefan Bock - 4. August 2017
ID 10175
Weitere Infos siehe auch: http://www.alarmefestival.de


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