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Neue Musik

Ensemble Musikfabrik (Dirigenten: Sir Harrison Birtwistle, Enno Poppe)

Orpheus & Odysseus
& Molly Bloom


Bewertung:    



Fangen wir mal von hinten an. Ist es doch so, dass der letzte Eindruck der bleibende ist!

Harrison Birtwistle war mit dem eigentlichen Konzertprogramm nicht zufrieden, wie Winrich Hopp in der Anmoderation berichtet. So sind seine 26 Orpheus Elegis heute Abend mit seinen seven tears figured in seven passionate pavanes nach John Dowland verschränkt. Welch fatale Fehlentscheidung! Die Orpheus-Elegien leben von sehr sparsamen Kontrasten der Oboe und der Harfe, Countertenor Andrew Watts ist bei einigen Stücken lautmalerisch dabei. Wunderbare Töne zaubert Oboist Peter Veale da aus seinem Instrument. Mirjam Schröder glänzt mit spannungsvollen Aktionen an der Harfe. Dieses feine farbige Gespinst wird nun mit den sieben Stücken nach John Dowland gemischt. Völlig verschiedene Welten stoßen da aufeinander. In Verbindung mit den Elegien wirken die strophenliederartigen einfachen Kompositionen nach Dowland arm und blutleer. Im Saal verbreitet sich gähnende Langeweile, und nachdem die ersten sich zaghaft aus dem Saal gestohlen haben, beginnt ein wahrer Exodus. Zu Recht, muss man sagen; diese mehr als sechzig Minuten mögen vielleicht für Birtwistle aus musiktheoretischer Sicht interessant gewesen sein. Hätte man mal aus der Sicht des Publikums gedacht, wäre so ein Programm niemals zustande gekommen. Niemals, auch nach den zwei vorangegangen Stücken des Abends nicht.

Birtwistle´ Stück Cortege ist eine Art Prozessionsmusik. Ursprünglich aus Anlass des Todes von Michael Vyner war Ritual Fragment entstanden, daraus entwickelte Birtwistle dann das Ensemblestück Cortege. 14 Musiker sitzen im Kreis. Anstelle des Dirigenten ist nur Leere - die Leere, die ein Tod hinterlässt. Die Instrumente lösen sich abwechselnd aus dem Kreis und spielen ohne Blatt einzelne Aktionen. Das wirkt jeweils wie eine ganz persönliche spontane Anteilnahme. Sehr schönes Stück und vom Ensemble Musikfabrik wunderbar auf die Bühne gebracht.

*

Vor der Pause großes Kino: Rebecca Saunders, die in Berlin lebende englische Komponistin, hat wieder mal einen großen Kompositionsauftrag erhalten. Sie komponierte für dieses Konzert „ein einstündiges räumliches Werk für den Kammermusiksaal der Philharmonie“ (Edition Peters), als literarische Vorlage diente ihr James Joyces Ulysses, daraus v.a. das Schlussstück: Molly Blooms letzter Monolog, der mit einem großen „Ja“ endet. Mehr als zwanzig Musiker tuen mit an diesem Werk. Im Kammermusiksaal der Philharmonie sind Instrumente im gesamten Raum verteilt, ganz oben in einer Empore steht ein zweiter Flügel neben dem auf der Bühne, wie der wohl dahin gekommen ist. Ein riesiger Aufwand für Saunders choreografierte Klangereignisse. Anders als Birtwistle, der an den Farben interessiert ist, sucht Saunders abstrakte Eigenschaften der Musik. Klangereignisse werden organisiert. Die Musik kommt weitgehend ohne Dramaturgie, ohne Spannungen und Kontraste aus und lebt von sorgfältig inszenierten Aktionen. Die Musiker haben ganz schön zu laufen in diesem Stück. Mit Stoppuhren ausgestattet wechseln sie ständig die Positionen. Etwas zu komplex das Ganze, man verliert den roten Faden, schade auch, dass Sopranistin Donatienne Michel-Dansac mit Headset singt und dadurch der „Witz“, dass sie von verschiedenen Stellen aus agiert, völlig verlorengeht, da der Klang immer von oben aus den Saallautsprechern kommt. Alles sehr abstrakt und weit weg davon Emotionen zu wecken, einzig Krassimir Sterev am Akkordeon schafft es in einer Aktion direkt am Bühnenrand spielend, sprechend und singend sowas wie Empathie rüberzubringen. 75 Minuten das Ganze...

Inklusive des zweiten Konzertteils ist man mehr als drei Stunden in der Philharmonie, das ist zu lang für ein Programm mit solch spannungsarmer abstrakter Musik.



Ensemble Musikfabrik | (C) Jonas Werner Hohensee

Steffen Kühn - 10. September 2017
ID 10242
ENSEMBLE MUSIKFABRIK (KMS Philharmonie Berlin, 09.09.2017)
Rebecca Saunders: Yes, eine räumliche Performance für Sopran, 19 Solist*innen und Dirigent (2016/17) nach dem letzten Kapitel (Monolog der Molly Bloom) aus Ulysses von James Joyce | Uraufführung
Harrison Birtwistle: Cortege
- A ceremony for 14 musicians
- In memory of Michael Vyner
(2007)
- 26 Orpheus Elegies für Oboe, Harfe und Countertenor nach den Orpheus-Sonetten von Rainer Maria Rilke (2003/04) verschränkt mit
John Dowland: Lachrimæ: seaven teares figured in seaven passionate pavans (publ. 1604), arrangiert für 9 Instrumente von Harrison Birtwistle (2009)
DONATIENNE MICHEL-DANSAC, Sopran
ANDREW WATTS, Countertenor
PAUL JEUKENDRUP, Klangregie
ENSEMBLE MUSIKFABRIK
SIR HARRISON BIRTWISTLE, Leitung (Dowland)
ENNO POPPE Leitung (Saunders)


Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinerfestspiele.de


Post an Steffen Kühn

http://www.hofklang.de

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