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Konzertbericht

Ein flirrendes

Netz lichter

Sounds



Anja Franziska Plaschg musiziert unter den Namen Soap & Skin | Foto © Ansgar Skoda

Bewertung:    



Viele Besucherreihen sind noch leer, das Gitarrenspiel wirkt improvisiert, suchend. Es folgt eingängiger und präsenter Gesang, grundiert durch schmetternde Gitarrenriffe. Die Künstlerin Palinstar verwöhnt schon weit vor 20 Uhr das bunte gemischte Publikum mit nachdenklichen, innigen Kompositionen. Die Schweizer Musikerin Sarah Palin, so der bürgerliche Name, begleitet ihren tiefen Gesang während ihrer Kompositionen „Who knows“ und „It’s time“ leidenschaftlich an der Gitarre.

*

Bühnennebel liegt in der Luft. Es folgt eingespielte elektronische Musik, unter anderem eine Coverversion von Righeiras „Vamos a la playa“ mit DJ Koze und gehaucht-relaxten Sprechgesang vom Star des Abends, Soap & Skin. Die Musik verstummt plötzlich, und es erklingt so etwas wie Grunzen aus Lautsprechern. Eine witzige Idee, denn Anja Franziska Plaschg, die hinter dem Pseudonym Soap & Skin steckt, verbrachte ihre Kindheit auf einem elterlichen Schweinemastbetrieb im abgelegenen Katzendorf in der Südoststeiermark. Die Künstlerin mit abgebrochenen Kunststudium ließ Geräusche von Schweinen in diverse Experimentalvideos einfließen. 2012 kreierte sie zusammen mit dem Chocolatier Josef Zotter eine Schokolade mit Schweineblut, Weihrauchöl und Rotwein. Die ambitionierte Künstlerin ist vielseitig, gewann sie 2024 doch für ihre Darstellung einer Bäuerin in Des Teufels Bad den österreichischen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin. Aus dem Soundtrack, den sie für den Film produzierte, wird sie am Konzertabend nicht spielen.

Der Künstlername „Soap & Skin“, den Plaschg für ihr Musikprojekt wählte, steht für Seife, die die Haut reinigt und schützt (Soap) und die allgemeine Verletzlichkeit der menschlichen Haut sowie Zerbrechlichkeit des Menschen (Skin). Plaschg spielt seit ihrem sechsten Lebensjahr Klavier und erlernte autodidaktisch andere Instrumente. Ihr Albumdebüt Lovetune For Vacuum erschien 2009, als die Künstlerin noch achtzehn Jahr alt war. Es war ein Charterfolg und wurde von Publikum und Kritik gefeiert. Ihre mittlerweile vier Musikalben schafften es in Österreich in die Top Ten der Charts, Narrow (2012) war sogar höchstplatziert.

Halb neun Uhr abends betritt schließlich Soap & Skin schnellen Schrittes lächelnd die Bühne des Theaters im Kölner Tanzbrunnens, frenetisch vom Publikum begrüßt. Bühnenscheinwerfer tauchen sie atmosphärisch in einen Lichtkegel, während sie sich seitlich zum Publikum setzt. Es gibt nun wenig Licht im Konzertsaal. Sie hämmert in sich ruhend auf ein Feurich-Piano ein.

Programmatisch beginnt sie ihr Bühnenprogramm mit dem Klassiker „The End“ von den Doors. Die Singer-Songwriterin setzt zu ihrem Klavierspiel mit kühlen Gesang ein. Ihre Stimme erscheint klar, präsent und voluminös, dann wieder zart, schroff und zerbrechlich. Im intimen Setting verbreitet der Song seine tranceartig-psychedelische Atmosphäre, gleichzeitig wirkt Plaschgs Version düsterer als das Original. Plaschg setzt Kunstpausen und ihr Gesang erinnert kaum noch an Jim Morrison. Bei der Zeile „the west is the best“ schürzt Soap & Skin die Lippen und streckt angeekelt ihre Zunge heraus. Ein politischer Sidekick: Im Musikvideo der Künstlerin untermalt „The End“ dramatisch den Sturm auf das Kapitol in Washington 2021 und wütende Reden von Donald Trump. Live wird das Klangerlebnis durch Halleffekte verfremdet. Vor Ende des Songs betritt ein fünfköpfiges Ensemble leise die Bühne.

Anja Plaschg wurde von vielen wichtigen Musikern beeinflusst. Auf ihrer jüngsten Platte Torso (2024) versammelt die heute 35-Jährige elf Coversongs. Die meisten in Köln zur Aufführung gebrachten Songs sind neu arrangierte, experimentelle Cover. Nach der etwa zehnminütigen Eröffnung erweitern Elektronikfragmente Soap & Skins Klavierspiel. Das Kammerorchester mit drei Streichern und zwei Bläsern setzt effektvoll mit flächigen Klängen ein. Unterstützt wird Plaschg von Emily Steward an der Violine und beim Gesang, Viola Falb an der Bass-Clarinette, Anna Starzinger am Violoncello, Martin Eberle an der Trompete und dem Flügelhorn sowie Martin Ptak an der Posaune, dem Piano und am Harmonium.

„Meltdown“, ein Cover von Clint Mansells Komposition aus dem Soundtrack zum Film Requiem for a dream (2000) erklingt mit brachialer Wucht und akustisch zackiger Intensität. Stroboskop-Lichter blitzen und flackern ins Publikum hinein. Soap & Skin singt manieriert in künstlich hoher Stimmlage theatralisch Hans Zimmers „God Yu Tekem Laef Blong Mi“ aus dem Kriegsepos Der schmale Grad (1998), während Martin Ptak sie am Harmonium begleitet. Stimmlich und musikalisch ausdrucksstark verlagert Soap & Skin Originalsongs durch ihre recht individuellen Coverversionen oftmals auf eine höhere Ebene.

Zu Anfang wirkt Soap & Skin ein bisschen introvertiert, wenn sie dem Publikum kurzzeitig den Rücken zudreht. Sie bedankt sich sympathisch zurückhaltend, schüchtern und scheu beim Publikum für den Applaus. Poppig und elektronisch wird es während des David Bowie-Covers „Girl loves me“, gefühlvoll beim Cat Power-Cover „Maybe not“. Auch die Coverversionen von „Gods & Monsters“ von Lana Del Rey und „Johnsborg, Illinois“ von Tom Waits sind auf Soap & Skins neuem Album Torso enthalten. Die Originale erkennt man oft nicht direkt wieder, interpretiert Soap & Skin sie doch völlig neu in eigensinnigen, mitunter mit Pathos und Exzentrik unterlegten Versionen.

Sphärisch und licht wird es, wenn Soap & Skin mit dem eigenwillig-kantigem „The Sun“ eigenes Liedgut zur Aufführung bringt. Ihr einziger deutschsprachiger Song „Vater“ ist eine subjektive Meditation auf dessen frühen Tod. Sie singt leicht morbide, dass sie dutzende Flaschen Wein auf ihren Vater trinkt, doch viel lieber eine Made in seinem Leichnam sein möchte. Während ihres Vortrags bringt sie zum Ausdruck, dass der Schmerz über den Verlust sie nicht loslässt. Auch der expressive Song „Heal“ sorgt mit emotionaler Tiefe für Gänsehautmomente. Plaschgs 2013 geborenen Tochter Frida spricht in der Originalversion von „Heal“ den letzten Satz.

Während ihres intensiven und sinistren „Me and the Devil Blues“, ein Robert Johnson-Cover, tobt Soap & Skin tänzerisch über die Bühne. Das eindringliche Velvet Underground-Cover „Pale Blue Eyes“ sorgt als Zugabe für emotionale Momente. Bei ihrer eigenen Komposition „Boat turns toward the port“ als letzte Zugabe wird Soap & Skin auf imposante Weise laut und schreit eindringlich. Zum Abschied verteilt die Künstlerin prachtvolle Schnittblumen wie große Lilien im Publikum. Die Ausnahmekünstlerin sorgte mit ihrer hervorragend abgestimmten Band für ein vielschichtiges Konzert voller emotionaler Wucht, dynamischer Arrangements und überraschender Effekte etwa bei der Lichtgestaltung.



Soap & Skin beim Schlussapplaus | Foto © Ansgar Skoda

Ansgar Skoda - 18. Oktober 2025
ID 15519
Weitere Infos siehe auch: https://soapandskin.com/


Post an Ansgar Skoda

skoda-webservice.de

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