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Hamburger Staatsoper, 19. März 2008

Richard Wagner

Das Rheingold


(C) Hamburgische Staatsoper

Ich mag so gern Metaphern!
Hamburger Startschuss des neuen Rings: „Das Rheingold“ unter Young & Guth

Zappenduster beginnt das Ring-Ding-Es in Hamburg. Ganz Duster? Nein, da ist neben dem Stabrotlicht der Hausmutter zugleich noch etliches Notausgangsbeschild angeblieben. Lampen der Sicherheit, die als Detail aussagen, dass die von Adorno unterhoffte Werkwirkung Wagners „Ohne Angst Leben“ bis auf weiteres nicht erfüllt ist. Offenkundig bleibt es wichtig die Ängste der Menschen, in diesem Fall der Menschheit, auszusprechen? Denn Angst herrscht ja auch universal im Nibelungen-Ring wie überhaupt im Mythos: Alberichs Raub, Wotans Vertragsbruch, Loge’s List, der Riesen Entführung ... alles angstbestimmt.
Und die Musik Wagners mit ihrem Hang zum Absichern, zum Stützen, zum unendlichen Übergang, zur genauen Wiederholung – ist es nicht eine Musik, die ganz ohne Angst sein will und dennoch alles über Gefühle sagen? In der orchestralen Aufrüstung, in dem Motiv-Orientierungsfahrplan, in der Wortgebundenheit – schlummert darin nicht überall der Zwang, alles aber auch alles richtig machen zu wollen? Aber es liegt doch noch weit mehr in ihr, in dem Liebesentsagungsmotiv, zittert uns da nicht der Verlust einer Epoche entgegen? Die Loge-Chromatik, durchzieht sie das Ganze nicht wie der falsche Wind durch U-Bahnschächte und künstliche Gebäude? Und Walhall, bedeutet das nicht eine versuchte Reise zu etwas Großem? Wagners Musik ist aber vor allem etwas für die Anregung des Geistes deutscher Männer. Wer, der Seele hat, möchte nicht sie musizieren, sie dirigieren, über sie schreiben, sich zu ihr ins Verhältnis setzen? Und wie viele, besser wie wenige können das wirklich?
Nun gibt es aber unter den Wenigen auch einige Frauen. Nike Wagner ist so eine. Die Kathi sicher `net. Und Generalmusikdirektorin Simone Young ist auch so eine. Sie hat nun nach freilich etlichen, stets schöpferischen Wagnerdarbietungen gemeinsam mit ihren Philharmonikern eindrucksvoll gezeigt, dass sie in dieser vierten und letzten Saisonpremiere, nebenbei bemerkt einer halben Liebermann-Spielzeit, Gustav Mahler-Maßstäbe voll zu erfüllen weiß. Sie bringt uns ein „Rheingold“ zu Gehör, wie es, verbotenes Wort, phantastischer aus dem Graben kaum erklingen kann, sei es in sanft sich entspinnenden Klangteppichen, in der vereindeuteigenen Pose bei gleichzeitig einfließender Rückkehr auf die kleine Stimme, wie überhaupt ihrer obwaltenden Geduld gegenüber den Gesangsstimmen – sie dürfen verklingen, ein Gedicht ist die Mischung der Blechfüllstimmen, die voller parsivalesker integraler Leuchtsendung sind. Solisten wie Harfe oder Violine oder Trompete sind überdies ebenso unschätzbar wie leidenschaftlich. Ein Wagner nach Meisterinnen Art.
Wagner-Gesang ist schwer und doppelt schwer zu realisieren: Nahezu ein Solo-Konzert, eine Demonstration des Echten, gibt da der Tenormagier Christian Franz als Seiten-Loge für den indisponiert spielenden Peter Galliard. Keine Silbe, kein Konsonant bleibt da unausgeschöpft und all das untermalt mit reichsten Farben vom listigen „helfen will ich Dir, (Päuschen) Mime“ bis zu heftigeren Steigerungen. Falk Struckmann ist ein knarzig-wackerer Wotan, wie gewohnt, mit etwas mehr Hang zum Stemmen als zum Legato. Gegenüber seinem bereits mehr als anständigen Kurwenal hat Wolfgang Koch als chemophiler Alberich noch deutlich zuzusetzen und vermittelt mit seinem nussknackigen Bariton ein durchweg respektables Porträt. Die Riesen, Martirossian und Tsymbalyuk, sind gesanglich keineswegs die dargestellten Prollposen. Alexander Tsymbalyuk steigert sich von Partie zu Partie. Bis wohin? Hoffentlich erleben wir ihn mit seiner noblen runden Tongebung eines Tages noch als Boris. Artikulatorisch versiert kommen Jürgen Sacher (ein vortrefflicher Mime), Jan Buchwald (ein bisschen Donnerchen, aber so soll es ja wohl sein) und Ladislav Elgr (ein charaktervoller Froh) daher. Katja Pieweck als Fricka ist mit ihrem metallisch-satten Gesang glaubwürdig, aber frei von Zauber. Dafür gefällt Hellen Kwon als Freia (und, wir sind gespannt, demnächst als Salome). Eine ordentliche Erda gibt Deborah Humble. Die Rheintöchter Ha Young Lee, Gabriele Rossmanith und Ann-Beth Solvang singen um ein Vieles schöner als sie spielen und aussehen dürfen.
Claus Guth (Regie) und Christian Schmidt (Bühne) hatten, als Günter Krämer seinen letzten Ring auf die Hamburger Bretter schickte, ihre ersten Gehversuche in der Stabile gerade hinter sich. Und nun dürfen sie schon lange selbst sagen, wo es lang, mehr noch, wo es nicht lang geht. Rhein nix da: So fällt das durchgerottete Bett aus dem Betonrahmen schon etwas deutlicher heraus, wie aber sonst in dieser Inszenierung eigentlich nur sehr wenig aus dem Rahmen fällt. Ordentlich geht es zu. Und gesittet. Schritt für Schritt. Oder auch mal ohne Schritt. Hin zur Vermeidung der großen Aussage und zur Sonder-Ausstellung der gewollt großen Geste, der langen Weile. Das leitmotivische Pocket-Format zeigt sich da mal als Energiespar-Schatulle um die Märklinlandschaft, aus der ein Eschchen entspringt. Warum? Man weiß es nicht. Gold? Ist irgendwie mal da. Figuren? Haben wohl irgendwelche Konflikte. Man weiß wenig genau und erfährt es auch nicht. Man fühlt sich ein bisschen, als wäre man versehentlich in einer Claus Spahn-Rezension gelandet. Nun hat, was auch nicht zu erwarten stand, Guth weder die geistig-poetische Tiefe des Lübecker Pilavachi-Rheingolds erreicht, noch ist er an ihm vollends gescheitert: Er blendet einfach. Vor allem aus. Wagner hätte all das wohl schaummünderisch verachtet. Wir tun’s nicht, nicht wirklich.


Wolfgang Hoops - red / 24. März 2008
ID 3761

Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburgische-staatsoper.de/3_spielplan/frameset_spielplan.php





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