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Premierenkritik

3. November 2013 - Komische Oper Berlin

COSI FAN TUTTE



Tom Erik Lie als Chefrestaurator (Don Alfonso) in der neuen Cosí an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus



Restauratorengelüste

Barrie Koskys sensationelle Zauberflöte war gewiss der Hauptbeweggrund dafür, dass die auslobenden Sachverständigen in der Berliner Nestorstraße 8 bis 9 den nimmermüden Tempel in der Behrenstraße justament zum saisonalen "Operhaus des Jahres" nachbestimmten. Was die Mozart-Pflege anbelangt, besteht dort weder Nachholebedarf noch Handlungszwang; seit Felsenstein und Herz und Kupfer und Homoki wird der Spielplan immer wieder - meistens allerdings mit immer wieder diesen gleichen Werken (Entführung, Zauberflöte sowie Così, Figaro, Giovanni; zwischendurch auch mal das Requiem, seltener Idomeneo oder Titus) mozartmäßig aktualisiert also auf Vordermann gebracht. Und auch der neue und bereits seit über einem Jahr das Haus schier auf den Kopf gestellt habende Intendantenregisseur "gehorcht" der guten Tradition aufs Wort. Jetzt hat er einem hier bisher noch nicht gewirkt habenden Macher Mozarts Còsi fan tutte oder Die Schule der Liebenden vertrauensvoller Weise übertragen; und der Lette Alvis Hermanis, der sich bereits ganz elitärerseits in Salzburg einen Namen machte, legte nun mit seinen andern Macher-Mitgefährten (unter ihnen die zwei Ausstatterinnen Uta Gruber-Ballehr | Eva Dessecker) kraftstrotzend los...

Das Stück wird selbstverständlich in die Gegenwart verlegt, konkret: In einer hochmodernen Restaurierungswerkstatt eines überhaupt nicht näherhin benannten Stadt- bzw. Staatsmuseums - Kompliment für dieses imposant-gigantisch anmutende Interieur der Bühnenbildnerin - sind ein paar emsig wirkende Stadt- oder Staatsbedienstete mit fachgerechten Restaurierungstätigkeiten voll(zeithaft) beschäftigt. Sofort schließen wir, dass es sich hier um einen eingeschworenen und eingeweihten ArbeitnehmerInnenzirkel handelt; ja, man kennt sich wohl seit Jahren und Jahrzehnten, und man trägt so schöne weiße Kittel, Schutzbrillen, gelegentlich auch Mundschutz - alles in dem Sinne dargestellt, als ob die Leute sich womöglich kaum bzw. nicht mehr sehen (riechen) könnten; jeden Tag acht Stunden lang "diegleiche Fresse" oder so - das könnte irgendwie doch nerven. Sexy ist es sicher nicht!

In diesem abgenutzten Kreis der hochqualifizierten Fachkräfte haben sich auch die beiden Paare aus der dahingehend inszenierten Mozartoper abverirrt - erinnern wir uns: Es sind Fiordiligi & Guglielmo sowie Dorabella & Ferrando. Von den beiden Männern resp. ihrem "Ziehvater" und väterlichen Freund Alfonso (auch ein Restaurator übrigens) stammt die Idee, dass man doch zwischendurch die Treuefestigkeit der jeweiligen Bräute auf die Probe stellen könnte; also nehmen sich die Zwei bezahlten oder unbezahlten Urlaub, um ad 1) zum Schein davonzureisen und ad 2) gleichsam als Fremdlinge und Bräutepenetrierer in die Restaurierungswerkstatt, also zu den Restaurierungsbräuten, einzudringen. Putzfräulein Despina, die in Hermanis' moderner Interpretation hochschwanger ist und sich am Opernende windet, dass man denken soll, die Wehen setzen ein, spielt auch noch mit; ihre Bedeutung/Rolle in dem Stück kann man in einschlägigen Opernführern nachlesen...

Und hin und her und her und hin...

Die Paare wechseln (wie im O-Text vorgegeben) ihre jeweiligen angestammten Partnerinnen oder Partner und schlüpfen hiernach aus ihren langweiligen weißen Restaurierungskitteln, um sich - so wie auf diesen zu restaurierenden Barockbildern zu sehen ist - barockig zu verkleiden.

Hm, aha.

Der penetrante Einfallsgipfel ist: Die beiden Frauen ziehen dicke Isolierungsschläuche aus zwei Umzugskisten - das assoziiert, dass sie die Isolierungsschläuche als zwei Riesenpenisse begreifen und mit ihnen spielen und hantieren. So bescheuert können wohl nur Männer ticken, wenn sie meinen, irgendeine Ahnung von Sexfantasien einer Frau haben zu wollen resp. Dieses szenisch mitteilen zu müssen.

Im Programmheft steht ein lesenswertes Interview, dass der die Inszenierung mit betreut habende Dramaturg Pavel B. Jiracek mit Alvis Hermanis geführt hatte - - wir meinten, während unsrer Heimfahrt, aus dem selbigen erfahren zu können, wo und was der Schlüssel dieser lettischen Sichtweise von Così wäre, und wir lasen beispielsweise Dieses hier: "Die Figuren auf der Bühne müssen sich schließlich eingestehen, dass man sich letzten Endes auf nichts und niemanden wirklich verlassen kann - nicht einmal auf die Menschen, die einem am nächsten sind und die man liebt. Das macht es zu einem Stück über die Einsamkeit. Deswegen glaube ich, dass Così fan tutte es in vielerlei Hinsicht verdient, eine Tragödie genannt zu werden." Kommt zwar in der Inszenierung so nicht raus und scheint zudem grundfalsch zu sein, denn: Mozart ist natürlich immer "komisch" - oder wenigstens doch tragikomisch. Daher spricht er uns in seiner Leichtigkeit so unbedingt und zeitlos an.


* * *


Gesungen wird fantastisch! Nicole Chevalier (als Fiordiligi) beispielsweise.

Das Orchester der Komischen Oper Berlin spielt schlank und flott und schön geradlinig; und Henrik Nánási hat ihm, mit leichter Hand, Jungbrunnenhaftes zugebilligt. Recht so.




Restaurationsarbeiten in Così fan tutte (Regie: Alvis Hermanis) an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) Monika Rittershaus



Bewertung:    



Andre Sokolowski - 3. November 2013
ID 7328
COSI FAN TUTTE (Komische Oper Berlin, 03.11.2013)
Musikalische Leitung: Henrik Nánási
Inszenierung: Alvis Hermanis
Bühnenbild: Uta Gruber-Ballehr
Kostüme: Eva Dessecker
Dramaturgie: Pavel B. Jiracek
Licht: Diego Leetz
Video: Ineta Sipunova
Besetzung:
Fiordiligi ... Nicole Chevalier
Dorabella ... Theresa Kronthaler
Guglielmo ... Dominik Köninger
Ferrando ... Aleš Briscein
Despina ... Mirka Wagner
Don Alfonso ... Tom Erik Lie
Chor und Orchester der Komischen Oper Berlin
Premiere war am 3. November 2013
Weitere Termine: 9., 15. 11. / 1., 10., 15., 19. 12. 2013 / 1., 9., 31. 5. / 28. 6. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de


http://www.andre-sokolowski.de



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