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nachDRUCK # 5

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Premierenkritik

Ein unterhaltsames Kabinett des Zynischen ist das Herzstück der Aida, die mit viel Lokalkolorit und spektakulären Bildern von Regisseur Dietrich Hilsberg und Dirigent Will Humburg kraftvoll umgesetzt wird



Rolf Broman als Ramfis und Tuija Knihtilä als Amneris in Aida an der Oper Bonn - Foto (C) Thilo Beu


Auf einer Großbildleinwand präsentiert sich der Rheinuferweg mit dem Siebengebirge im Hintergrund. Im übertragenen Sinne soll dies nun das Ufer des Nils sein, an dem die Sklavin und frühere äthiopische Prinzessin Aida (Yannick-Muriel Noah) ihrer Heimat nachtrauert. Dem Vaterland, den Eltern und vielleicht auch dem Geliebten entrissen, hat sie alles verloren, es eröffnet sich jedoch schon bald für sie ein neuer Hoffnungsschimmer. Denn ihre gleichzeitige Sehnsucht nach dem ägyptischen Hauptmann Radames (George Oniani) wird erwidert. Doch auch die Tochter des ägyptischen Königs, Amneris (Tuija Knihtilä) hat ein Auge auf Radames geworfen. Damit ist die Thematik schon aufgespannt: Machtpolitik und Krieg zwischen den Staaten auf der einen, Liebe und Intrigen zwischen den Menschen auf der anderen Seite. Die im alten Ägypten verortete Geschichte wurde im 19. Jahrhundert als königliche Auftragsarbeit zur Eröffnung eines neuen Opernhauses in Kairo uraufgeführt. Die Oper von Guiseppe Verdi war in den Jahren nach ihrer Uraufführung 1871 sehr erfolgreich, also in den Jahren, als Europa auf den Ersten Weltkrieg zusteuerte. Die Liebe zwischen zwei Menschen zueinander entwickelt sich in der Oper zum Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie.

In Dietrich W. Hilsdorfs Inszenierung wird mit Blick auf das Siebengebirge ein aufgeblasenes patriotisches Pathos vorgeführt und ins Lächerliche gezogen. Somit entzieht sich diese Aufführung elegant einer schwülstigen Schwerpunktsetzung auf die Helden- und Liebesgeschichte. Denn das Herzstück der Inszenierung ist der opulente Triumphzug im Mittelteil. Dieser Festakt, bei dem das Beethoven-Orchester auf der Bühne spielt, wird ein Kabinett des Zynischen. Kinder werden im Ritual geopfert. Andere Kinder werden von Kriegerwitwen dem nächsten Krieg geweiht, und die Kinder gefallener Soldaten schließlich bejubeln den König. Mit Elefantenköpfen geben sich Vertreter der Rüstungsindustrie die Ehre, die Veteranen des letzten und vorletzten Krieges huldigen dem König mit abgetrennten Gliedmaßen, die „Memphis Twins“ (Rebecca Sophia Meyer, Anna Pavlova) – das sind zwei Funkenmariechen ähnlichen Revuegirls – schwingen ihre Beine, ein Bildnis des Bonner Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch wird mit der Unterzeile „Kamellen fürs Volk“ eingeblendet, zuletzt fällt gar der ägyptische König einem Attentat zum Opfer. Ein Konfettiregen ergießt sich dann schlussendlich im wilden Durcheinander. Hier wagt die Inszenierung pompös und spektakelhaft etwas, auf das mit einzelnen Buhrufen reagiert wird. Aber gerade dadurch gelingt es ihr gleichzeitig sehr amüsant und unterhaltsam zu sein und gewissenlose Machtpolitik der Lächerlichkeit preiszugeben. Dabei mangelt es nicht an Bezügen zum gegenwärtigen politischen Geschehen, so gibt es z.B. an einen möglichen „Aggressor“ erinnernde, mehrsprachige Lautsprecherdurchsagen in Russisch, Italienisch, Koreanisch oder Arabisch, die in den Pausen vor und nach dem Festakt nach gültigen Tickets fragen.

Die aufwendige Regiearbeit mit über 200 Mitwirkenden beeindruckt mit spektakulären Bildern und bravourösen gesanglichem und musikalischem Spiel. Die sich von verschiedenen Bühnenebenen und oft auch im Zuschauerraum erhebenden Gesangsdarbietungen der Solisten und Chöre sind durchweg ausdrucksstark, gut aufeinander abgestimmt und mitreißend. Im letzten Teil überzeugt die Oper auch anrührend mit leisen Tönen. Aida und Radames machen sich den gemeinsamen Tod zur Vision einer Himmelfahrt. Auch die Schlussworte der Amneris, nachdem sie die Priester verflucht hat, formulieren die Utopie einer, den Menschen wohlgesinnten Gottesmacht.

Am Ende steht so das Wort „Frieden“.




Aida an der Oper Bonn - Foto (C) Thilo Beu



Bewertung:    

Ansgar Skoda - 3. März 2014
ID 7642
AIDA (Oper Bonn, 16.02.2014)
Musikalische Leitung: Will Humburg
Choreinstudierung: Volkmar Olbrich
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Bühnenbild: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht: Thomas Roscher
Video: Elisabeth Thomann
Besetzung:
Yannick-Muriel Noah (Aida), George Oniani (Radames), Tuija Knihtilä (Amneris), Mark Morouse (Amonasro), Rolf Broman (Ramfis), Priit Volmer (König), Jón Rúnar Arason (Ein Bote), Sonja Bük (Eine Priesterin) u.v.a.
Statisterie, Chor- und Extrachor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn
Premiere war am 16. Februar 2014
Weitere Termine: 9., 15., 23. 3. / 4., 20., 30. 4. / 17., 25., 21. 5. / 5., 8., 20., 29. 6. 2014


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de


Post an Ansgar Skoda

ansgarskoda.wordpress.com



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