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Münchner Opernfestspiele 2013


Il trovatore und Falstaff bei den Münchner Opernfestspielen 2013



Jonas Kaufmann als Manrico und Elena Manistina als Azucena in der Neuproduktion von Verdis Il trovatore an der Bayerisachen Staatsoper - Foto © Wilfried Hösl


Glei amoi zwoa Mass auf Josef

Ja, der Witz mit Josef Grün hat einen langen Bart, länger als ihn Giuseppe Verdi jemals trug, aber ein bierernstes Prosit auf seinen 200. Geburtstag hätte noch viel weniger zu ihm gepasst. Im Grunde ist ja jedes Jahr Verdi-Jahr, ein flüchtiger Blick in die Aufführungsstatistiken verrät es. Dennoch lohnt es sich, konzentrierter hinzuschauen, denn in München wurden gerade die diesjährigen Opernfestspiele mit Verdi eröffnet - nicht mit Wagner - und zwar mit einem seiner am schwersten zu inszenierenden wie zu besetzenden Werken, dem Troubadour - Il trovatore.

Die Regie von Olivier Py kann man locker in zwei Worte fassen: Räder und Radieschen. Räder, die in den Kulissen und unter der Drehbühne emsig ihre Runden drehen, unaufhaltsam dem Schicksal entgegen, also dem Tod, womit wir auch schon bei den Radieschen wären, die Leonora und Manrico am Ende von ganz unten sehen. Angereichert mit der Attraktion „Der zersägte Startenor“ (vor dem zweiten Teil) und einem dramatischen Knall im Finale furioso lädt Py zu einer dreistündigen Geisterfahrt, die zwar unterhaltsam ist, aber herzlich wenig Sinn stiftet. Aufgrund der Überzeugung, dass die Leonora blind sein muss, schafft es Py sogar, die Handlung noch hirnrissiger zu machen, als sie ohnehin schon ist. Der Grund für diese Entscheidung ist wohl im ersten Akt zu suchen. Hier verliert der Sopran mal kurz die Übersicht - was in dieser Oper ja auch nicht verwunderlich ist - und verwechselt den Tenor mit dem Bariton. Aber allerspätestens im letzten Akt, wenn der Manrico, nun ja, singen muss, dass ihm die Geliebte in die Augen blicken soll, offenbart sich dieser Einfall als grandiose Schnapsidee.

Vielleicht wäre das auch gar nicht weiter aufgefallen, wenn der Orchesterklang die Kolkrabenschwärze der Bühne unterstrichen hätte. Aber Dirigent Paolo Carignani scheint sich für harte Konturen und dämonische Finessen nicht sonderlich zu interessieren. Stattdessen lässt er im Graben einen sängerfreundlichen Teppich knüpfen, der aus einer Mischung von 70% Schunkel-Verdi und 30% Buff-ta-ta besteht. Dafür lassen es Chor und Solisten - mit Ausnahme der stimmlich überreifen Azucena von Elena Manistina - ordentlich funkeln: Anja Harteros singt eine wunderbar ausdrucksstarke, fast belcantesk auflodernde Leonora; Jonas Kaufmann scheint mit dem Manrico eine (weitere) Paraderolle gefunden zu haben, und auch Kwangchul Youn als balsamischer Ferrando und Alexey Markov als kerniger Luna leisten schlichtweg Großartiges.



Bewertung:    




Il trovatore im Nationaltheater München - Foto (C) Wilfried Hösl


* * *


Einen Tag später gilt's erneut der Komik, diesmal jedoch der freiwilligen. Die Falstaff-Inszenierung von Eike Gramss hat schon mehr als 10 Jahre auf dem Buckel, was man ihr aber nicht ansieht. Für eine einzige Vorstellung hat man sie aus dem Fundus gekramt und dennoch liebevoll auf Hochglanz poliert. Mit Ambrogio Maestri steht der derzeit beste Falstaff zur Verfügung. Er braucht nur einmal tief Luft zu holen, sein Organ breit strömen zu lassen - und man ist hin und weg. Die Rolle des Sir John ist Maestri auf den Leib geschrieben, womit nicht nur die Statur gemeint ist, sondern auch die Seele dieses Charakters. Sein Falstaff ist nämlich nicht lächerlich, sondern lustig, und wir lachen mit ihm, nicht über ihn. Den gleichen Augen- und Ohrenschmaus bietet die Mrs. Quickly von Ewa Podleś. Was für ein üppiges Volumen in der Tiefe, welch' süchtig machendes Timbre! Podleś dürfte vermutlich die männlichste Stimme aller Kontra-Altistinnen besitzen, quasi einen Damenbass. Dazu sieht sie in ihrer quietschgelben Stola (Reverenza!) aus wie Bibo aus der Sesamstraße. Und tatsächlich erscheint die Quickly im letzten Akt als Vogel, dann aber in rot - einfach nur köstlich!

Der Abend ist überhaupt großes Kino: Elena Tsallagova und Javier Camarena geben ein zuckersüßes Liebespaar ab; die Alice ist mit Véronique Gens luxuriös besetzt; Stefan Soltesz lässt einen gepfefferten, pfiffig-pointierten Verdi aufspielen, und Ausstatter Gottfried Pilz hat einen Wäschekorb auf die Bühne gestellt, der randvoll ist mit tollen Schottenröcken und wundervollen Bildern. Der Spaß auf Erden spielt für Eike Gramss auf einer Scheibe, und die dreht sich im Finale einfach nach hinten weg, verschwindet im All. Verdi sagt der Welt Lebewohl, aber es ist ein Abschied mit einem Augenzwinkern.



Bewertung:    




Verdis Falstaff in der alten Münchner Eike-Gramss-Inszenierung aus dem Jahre 2001 - Foto (C) Wilfried Hösl


Heiko Schon - 8. Juli 2013
ID 6923
IL TROVATORE (Nationaltheater München, 05.07.2013)
Musikalische Leitung: Paolo Carignani
Inszenierung: Olivier Py
Bühne, Kostüme: Pierre-André Weitz
Licht: Bertrand Killy
Dramaturgie: Olaf A. Schmitt
Besetzung:
Il Conte di Luna … Alexey Markov
Leonora … Anja Harteros
Azucena … Elena Manistina
Manrico … Jonas Kaufmann
Ferrando … Kwangchul Youn
Chor der Bayerischen Staatsoper
(Choreinstudierung: Sören Eckhoff)
Bayerisches Staatsorchester
Premiere zu den Münchner Opernfestspielen war am 27. Juni 2013
Weitere Termine: 9., 12., 16., 20. 11. 2013


FALSTAFF (Nationaltheater München, 06.07.2013)
Musikalische Leitung: Stefan Soltesz
Inszenierung: Eike Gramss
Bühne und Kostüme: Gottfried Pilz
Licht: Manfred Voss
Besetzung:
Falstaff … Ambrogio Maestri
Ford … Massimo Cavalletti
Fenton … Javier Camarena
Mrs Alice Ford … Véronique Gens
Nannetta … Elena Tsallagova
Mrs Quickly … Ewa Podleś
Mrs Meg Page … Anaïk Morel
u.a.
Chor der Bayerischen Staatsoper
(Choreinstudierung: Sören Eckhoff)
Bayerisches Staatsorchester
Premiere war am 17. Januar 2001

Weitere Infos siehe auch: http://www.bayerische.staatsoper.de


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