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Konzertkritiken

Knaben's

Wunderhorn



Moritz von Schwind, Des Knaben Wunderhorn


Ein terroristisch anmutender Suggestionssog zu den sogenannten "historisch-aufführungspraktischen" Verlautbarungen im Konzertbetrieb brachte es in den letzten Jahren mit sich, dass man selber schon dran glaubte, dass die guten alten Knabenchöre, die es so in dieser Dichte nur in Deutschland gibt (Thomaner, Kruzianer, Tölzer, Windsbacher, Aurelius usf.), für einschlägige Werke des Barock als nicht gerade ideal geeignet wären; das ging irgendwie ab einer Ära los, wo dann die spitzenmäßig vor- und ausgebildeten Belegschaften der Rundfunkchöre justament das Zepter in die eignen Hände nahmen; Bachs Passionen, beispielsweise, kriegten plötzlich eine Durchschlagskraft mit vorher nie geahnt gewesener ("erwachsener") Gestaltungsmöglichkeit. Intensiviert wurden diese doch zunehmend auf Perfektion und Klasse ausgelegten Interpretationen auch durch Neugründungen "alter" Chöre, vornehmlicher Weise aus dem angelsächsischen Bereich... Namen wie Brügge, Christie, Gardiner und Jacobs traten letzterdings als regelrechte Martkführer, um diese Nebenthese lax-kabarettistisch abzuschließen, auf den Plan. Und selbstverständlich klingt das Alles ungeheuer "alt", und keiner wird sich diesem Suggestionssog - wie gesagt - entziehen können; es ist mehr denn eine freiwillige Angelegenheit . . .
Also erfreuten wir uns, zwischendurch mal wieder, an 'nem schier vorzüglichst einstudierten und agierenden Windsbacher Knabenchor, der Bachs Matthäuspassion in einem österlichen DSO-Konzert zur Aufführung gedeihen ließ; es dirigierte kein Geringerer als Kent Nagano, und dass seine Chorwahl ausgerechnet dann auf diese Knaben fiel, ist wohl der Hauptverdienst des Abends insgesamt, denn: Bach ist nicht Nagano's Ding, nein, überhaupt nicht. Spürbar rausgearbeitet erschienen zwar die allerschönsten Instrumentenstellen dieser unfassbaren Partitur. Ein merkwürdiges Unbeteiligtsein jedoch, nicht nur beim intensiv den Text verfolgenden Berliner Osterpublikum, erfüllte ganzgängig den Raum. Allein noch: Martin Petzold (Evangelist) bestach durch epochalstes Wohlgelauntsein und begierlich treffsichere Gesten, stimmlich sowieso - phänomenal!

* * *


Eine Erlebniswelt von ganz ganz anderem Kaliber bietet das sinfonische Gesamtwerk Gustav Mahlers, das als Zyklus aufzuführen sich die beiden Pultstars Daniel Barenboim und Pierre Boulez zu diesen FESTTAGEN (einer touristisch und vor allem gut betuchlichst ausgerichteten alljährlichen Veranstaltung der Deutschen Staatsoper Berlin) ehrgeizig vorgenommen hatten. Hauptausführende freilich: die Staatskapelle Berlin. Ihr Daseinsfaktor innerhalb der hauptstädtischen Konkurrenz gilt ja seit ewigher als unumstritten, und wie sollte es auch anders sein: Sie ist nun mal die edelste und älteste der großen Damen im Berliner Weit & Breit; und seit sie Barenboim in seinen Händen hält, hat sich die ganze Angelegenheit zu ihrem Doppelgunsten noch erweitert und bestärkt:: ein schönes, treues, großes Paar.
Die zwei von uns besuchten Pierre Boulez-Konzerte brachten Mahlers dicksten (Dritte Sinfonie) und "undicklichsten" Schinken (Vierte) zu Gehör. Was bei der Dritten, nicht nur kraft ihres schier als ein Krebsgeschwür sich aufgebärdenden wie endzeitschwängerlichen Allprogramms, unsagbar nervt, macht dann das dünnseidigste Schlankheitsmaß der Vierten wieder weg; ja, es war nicht zu überhören, wem die lastigere Sympathie Boulez' hinzuzuordnen ist: der Vierten halt. Welch große Ironie in diesen Noten steckt, welch Leichtsinn, welche Leichtigkeit; sie sind das frohgemuteste der Werke Mahlers - aller Rest besteht fast nur aus lauter Krampf.

Christine Schäfer, die den Strophenpart im Schlusssatz sang, war vor der Pause schon - der eigentliche Hingehgrund dieses Konzertes mit der Vierten - durch die Lieder aus Des Knaben Wunderhorn omnipräsent. Wir wissen nicht mehr, wie wir das in Worte fassen sollten; Schäfer hat, im Sängerischen wie Gestalterischen, eine Art von Absolut erreicht. Jenseits der Vorstellkraft, dass sie das noch mehr steigern könnte. Beispiellied: "Wo die schönen Trompeten blasen"... schwereloser, hingehauchter geht es nicht. Zum Weinen!!


Andre Sokolowski - 6. April 2007
ID 3118
Bachs MATTHÄUSPASSION
Annette Dasch, Sopran
Bernarda Fink, Alt
Steve Davislim, Tenor
Martin Petzold, Tenor
Dietrich Henschel, Bass
Detlef Roth, Bass
Windsbacher Knabenchor
(Choreinstudierung: Karl-Friedrich Beringer)
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Dirigent: Kent Nagano

Aufführungen an 4. und 6. April 2007 in der Philharmonie Berlin

Nähere Infos unter http://www.dso-berlin.de




MAHLER-ZYKLUS der Staatskapelle Berlin
SINFONIE NR. 3 d-Moll
Michelle De Young, Alt
Damen des Staatsopernchores Berlin
(Einstudierung: Eberhard Friedrich)
Aurelius Sängerknaben Calw
(Einstudierung: Johannes Sorg)
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Pierre Boulez
Aufführung am 3. April 2007 in der Philharmonie Berlin

LIEDER AUS "DES KNABEN WUNDERHORN" /
SINFONIE NR. 4 G-Dur
Christine Schäfer, Sopran
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Pierre Boulez
Aufführung am 5. April 2007 in der Philharmonie Berlin

Festtage 2007 vom 1. bis 12. April 2007

Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.de





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